Martin Grubinger gilt seit einem Marathon-Konzert 2006 im Wiener Musikverein, bei dem er nach zweijährigem Training acht Konzerte in vier Stunden gespielt hat, als einer der weltbesten Klassik-Multipercussionisten. Die Arbeit gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus geht er dabei ebenso leidenschaftlich an, wie seine Musikkarriere. Denn er findet: Rhythmus und Rassismus passen nicht zusammen.
Unter dem Begriff Multipercussionist kann sich vielleicht nicht jeder etwas vorstellen. Was genau macht ein Multipercussionist?
Ich bin Schlagzeuger, der vor allem Klassikmusik trommelt. Das Instrument, sowie die Musik sind multikulturell ausgerichtet. Die Musik hat ihre Wurzeln in der Latin-Percussion-Musik, aber auch African-Percussion, der Taiko-Tradition aus Asien. Es ist ganz wichtig für Jazz, aber auch Rock.
Percussion ist ein genreübergreifend und sehr gut verbindbar mit Klassik. Das ist einfach das Schöne an Schlagzeug, man kann es mit vielen Einflüssen verbinden. Es ist einfach multikulturell.
Du hast mit jungen Jahren angefangen Schlagzeug zu spielen. Was hat dich daran begeistert?
Ich habe auch Klavier, Kontrabass und Blockflöte gespielt, aber ich wusste immer, dass das Schlagzeug mein Instrument ist. Es ist ein Ganzkörperinstrument, das man mit Haut und Haar empfinden kann. Dann ist es ein sehr junges Instrument: Immer wieder gibt es neue Erfindungen und Entwicklungen, wie man es spielen kann. Es ist einfach sehr vielseitig. Zudem ist es ein globales Instrument: Es gibt Einflüsse aus Lateinamerika, Afrika, Europa, aus Nordamerika und Asien. Dies macht das Instrument sehr aufregend.
Du nennst den Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus eine deiner drei Prioritäten im Leben ist. Warum?
Ja das stimmt. Das Thema beschäftigt mich seit Jahren. Vor allem als Österreicher. Wir haben große Probleme mit rechtspopulistischen Parteien und Politikern, wie Haider. Auch die Aufarbeitung unserer Geschichte findet so gut wie nicht statt. Viele Täter waren Österreicher. Diese Leute haben eine große Schuld auf sich geladen. Dem muss man sich stellen. Bis heute haben wir ein sehr heuchlerisches Verhältnis zu Themen wie Antisemitismus. Ich finde es schade, dass von Seiten der Politik oder von nationalen Berühmtheiten aus zum Beispiel Sport oder Fernsehen, nie etwas gegen Rassismus gesagt wird. Dieser Zustand ist ungeheuerlich und beschämt mich.
Wie engagierst du dich gegen Nazis?
Ich versuche immer gegen Nazis vorzugehen ? in Konzerten, Gesprächsrunden, etc. In Konzerten zum Beispiel, weise ich immer wieder auf den multikulturellen Charakter meines Instruments hin.
Außerdem mache ich sehr regelmäßig Workshops. Meinen letzten hatte ich im Hamburg-Harburg. Dieser Stadtteil ist ja als ?Sozialer Brennpunkt? bekannt. Dort habe ich mit rund 80 Kindern und Jugendlichen, im Alter von 10 bis 16 Jahren, und befreundeten Percussionist-Kollegen aus unter anderem Kamerun, Burkina Faso, Venezuela und Brasilien gespielt. Ziel war es, zusammen mit den Kindern zu spielen und dabei die unterschiedlichsten Musikrichtungen auszuprobieren. Nach 4 Tagen gab es dann ein Abschlusskonzert. Wir versuchen den Kindern zu vermitteln, dass besonders das gemeinsam spielen eine schöne Erfahrung ist. Musik ist eine ganzheitliche Sprache, eine Weltsprache sozusagen und dies versuche ich in den Workshops zu vermitteln.
Die Kinder lernen Menschen mit anderen Kulturen und Traditionen kennen. Es entsteht Begeisterung, wenn nicht sogar Bewunderung, für die Musiker und ihr Talent. Ich bin der Meinung, dass dort wo Bewunderung entsteht, Hass keinen Platz haben kann.
Wie oft gibst du solche Workshops?
M.G.: Sehr oft. Ich versuche immer, nachdem ich ein Konzert gegeben habe, in die lokalen Schulen zu gehen und die Workshops zu realisieren. Dies mache ich zum Teil auch mit meinem Vater, der auch Schlagzeuger ist.
In den Workshops können die Kinder zusammen Musik spielen, dies ist ein verbindendes Erlebnis. Die Kinder lernen dabei, dass Multikulti eine Bereicherung ist. Es bereichert unsere Erfahrungen, unsere Einstellungen, unser Umfeld. Multikulti ist eine Chance und kein Problem.
Was würdest du dir weiterhin im Kampf gegen Rechtsextremismus wünschen?
Unter Rockmusikern, wie Bono oder Bob Geldof, ist politisches Engagement weit verbreitet. Ich finde es schade, dass Klassikmusiker diese Chance nicht auch nutzen. Meist fahren sie nur von Konzert zu Konzert. Dabei könnten sie ihr Instrument auch für etwas so wichtiges einsetzen. Das Problem Rechtsextremismus ist größer, als man vielleicht denkt. Schließlich wählen rund 25% rechtspopulistische Parteien, dass ist jeder 4. Das ist unglaublich. Ich finde es erschreckend, dass in Österreich, jemand der rechtspopulistische Dinge sagt, gewählt wird und nicht ins politische Aus rückt.
Weiter würde ich mir wünschen, dass politische Institutionen und Verwaltungen den Ansatz, den ich in meinen Workshops zu vermitteln versuche, mehr unterstützen würden. So könnte der Musikunterricht in Schulen den multikulturellen Charakter von Musik mehr vermitteln.
Am Samstag, den 25.09.2010, spielt Martin Grubinger beim Beethovenfest in Bonn. Weitere Möglichkeiten, ihn in Deutschland zu sehen, finden Sie hier:
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