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Cornelia Heyken Wir brauchen die Bereitschaft, unsere Komfortzone zu verlassen

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Cornelia Heyken meint, wir müssen uns aus unserer eigenen Komfortzone hinausbegeben und in andere Menschen hineinzuversetzen. (Quelle: Cornelia Heyken)

Da gibt es viele unterschiedliche Gründe und Facetten, die hier von einigen bemerkenswerten Menschen bereits ausgeführt wurden. Ein weiterer, der nicht unterschätzt werden sollte, ist sicherlich der sprachliche Aspekt.

Eine „das wird man ja wohl noch sagen dürfen…“ Mentalität ist sowohl on- als auch offline schon seit einiger Zeit zu finden. Dieser Satz wird mitnichten nur von einschlägigen Rechtspopulisten ganz bewusst und rhetorisch geplant als Argumentationsweise verwendet. Wir finden ihn überall, auch beim netten Menschen von nebenan. Leider folgt auf diesen Satz zumeist ein Ressentiment. Und dabei ist sich der_die Sender_in dessen möglicherweise gar nicht bewusst. Im Gegenzug dazu fühlt sich der_die Rezipient_in vielleicht angegriffen und kann auf eine mit dem oben genannten Satz eingeleitete Aussage schwer reagieren. Widerspricht er_sie, bestätigt er damit den_die  Sprecher_in. Kommt er mit Fakten, verhärten sich die Fronten. Lasst es mich mit den Erkenntnissen von Elisabeth Wehling erklären: gerade in politischen Debatten sind nicht unbedingt Fakten entscheiden, sondern gedankliche Deutungsrahmen. Diese werden durch Sprache aktiviert und verleihen den Fakten erst ihre Bedeutung, indem sie Informationen mit unseren körperlichen Erfahrungen und unserem abgespeicherten Wissen über die Welt ins Verhältnis setzen und einordnen. Da unsere Rahmen selektiv sind, werden bestimmte Fakten und Realitäten hervorgehoben und andere eben nicht. Also bewerten und interpretieren diese frames – und werden sie über Sprache aktiviert, leiten sie unser Denken und Handeln, ohne dass wir es merken.  

Viele Menschen denken, dass wir alle relevanten Fakten zu einem Thema ganz objektiv abwägen können, weil wir rationale Wesen sind, die vernunftgesteuert handeln. Was gesagt werden kann und was nicht ist jedoch ein Produkt der jeweiligen Gesellschaft, ein Ergebnis eines Prozesses, der sich historisch entwickelt. Dem liegt keine absolute, objektive Wahrheit zugrunde. Elisabeth Wehling merkt an, dass mit dieser Annahme der Objektivität die Chance verfehlt wird, einen wirklich transparenten demokratischen Diskurs führen zu können, da sie wichtige Erkenntnisse aus der Neuro- und Kognitionsforschung nicht einbezieht. Ich schließe mich dem an.

 

„Was würde helfen, sie wieder zu beleben?“

In Hinblick auf den oben genannten sprachlichen Aspekt: sich darüber bewusst zu werden, was diskutieren und debattieren über die allgemein gültigen Regeln hinaus überhaupt bedeutet. Dass es bedeutet, sich mit Sprache und Rhetorik auseinanderzusetzen. Dass es bedeutet, den individuellen Gebrauch der Sprache, die eigene Wahrnehmung und sich selbst zu reflektieren und immer wieder zu hinterfragen. Sich zu fragen, welche Worte und Sätze angemessen sind und was sie beim Gegenüber hervorrufen können. Sich über gängige Redeweisen und Bezeichnungen auf dem Laufenden zu halten. Sich nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privaten Diskurs der Grenzen zwischen dem Diskutablen und dem Indiskutablen bewusst zu werden, diese aktuell zu halten und auch andere darauf aufmerksam zu machen, wenn Grenzen überschritten werden. Dass es darüber hinaus bedeutet, die Meinungsisolation zu verlassen. Dass es bedeutet, andere Standpunkte auszuhalten. Dass es bedeutet, Haltung zu zeigen statt zornig zu sein, wenn jemand mal nicht der eigenen Meinung ist. Dass es schlicht und einfach bedeutet, sich aus der eigenen Komfortzone hinauszubegeben und in andere Menschen hineinzuversetzen.

 

„Und was hat das Internet damit zu tun?“

Das Internet an sich hat damit nichts zu tun. Es ist der Mensch, der sich bewusst werden muss über sein Handeln. Jedoch trägt es natürlich dazu dabei, sich misszuverstehen, aneinander vorbeizureden und eine Debatte aus dem Ruder laufen zu lassen, weil Menschen sich ob der Anonymität online enthemmt fühlen und hinaus brüllen, was sie sich sonst nicht trauen. Oder es trägt dazu bei, dass eine Debatte eben erst gar nicht aufkommt, weil jede_r sich mit seiner_ihrer eigenen Meinung isoliert. Alles, was ich zuvor beschrieben habe, lässt sich jedoch ebenso auf Debatten und Diskussionen im Internet übertragen und anwenden.

 

Cornelia Heyken hat Erziehungswissenschaft und Linguistik studiert. Seit 2008 beschäftigt sie sich mit modernen Erscheinungsformen von Rechtsextremismus im Social Web und den Gefahren, die insbesondere für Jugendliche und Kinder davon ausgehen. Sie gab Workshops und Unterricht zur Thematik und war bereits für verschiedene Vereine, Stiftungen, Jugendeinrichtungen und Schulen sowie als Projektleiterin eines großen Jugendverbandes und im Customer Care der VZ Netzwerke Ltd (sozial)pädagogisch, lehrend und referierend tätig.

Für das Projekt debate – für digitale demokratischen Kultur der Amadeu Antonio Stiftung entwickelt sie gemeinsam mit Kollegen Online-Präventionsansätze sowie Konzepte zu Digital Streetwork für junge Menschen in den Sozialen Netzwerken. Sie möchte Jugendliche dazu befähigen digital zu partizipieren und sich in Debatten einzubringen, um somit der Verbreitung von Hate Speech entgegenzuwirken.

 

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