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Corona-Fakenews Kremltreue Medien als Trittbrett für Verschwörungsideologien

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Einige kremltreue Medien zweifeln die Zahlen und die Gefahr des Corona-Virus an. (Quelle: Pexels)

Insbesondere die Relativierung des Corona-Virus durch kremltreue Medien ist in den letzten Tagen im deutschsprachigen Raum in den Fokus gerückt. Zunächst hatte die Bild berichtet, dass der Verfassungsschutz den vom Kreml finanzierten Sender RT Deutsch im Visier habe und beobachte. Nachdem deutlich wurde, dass der Verfassungsschutz den Sender nicht beobachte, sondern die Äußerung zu bewussten Fehlinformationen allgemein zu verstehen sei, musste Bild eine Richtigstellung abdrucken. Die Vorwürfe gegenüber RT Deutsch blieben allerdings bestehen. 

RT, ehemals Russia Today, wird vom Kreml finanziert und gilt als dessen propagandistischer Arm im Ausland. Das Medium sendet in fünf verschiedenen Sprachen und ist vor allem im Internet präsent. Dort verfügt es über eine teils sehr große Reichweite und ist mit anderen kremltreuen Medien wie Sputnik und Newsfront vernetzt, die ebenfalls von russischer Seite Geld erhalten. Insbesondere durch die starke Online-Präsenz und die gegenseitige Verlinkung wird eine medienübergreifende Vielfalt suggeriert, die Glaubhaftigkeit vermitteln soll. 

Das vermeintlich neutrale Image kremltreuer Medien

Das professionelle Auftreten der Medienangebote führt zu trügerischen Schlüssen. Dem Politikwissenschaftler Jan Rathje von der Amadeu Antonio Stiftung zufolge genießen sie ein „hohes Ansehen unter Verschwörungstheoretiker*innen, weil sie als vermeintlich neutrale beziehungsweise wahre Medienquellen wahrgenommen werden“. Dies liege vor allem am Programmformat, das unter dem Vorwand eines Meinungspluralismus Verschwörungsideolog*innen, Rechtsradikale, aber auch Linkspopulist*innen und Querfrontler*innen zu Wort kommen lässt und ihnen eine Bühne für ihre Äußerungen bietet. Unter den Rezipient*innen entwickle sich demnach insbesondere in den Kommentarspalten der Online-Angebote eine Eigendynamik, die jene getätigten Äußerungen in entsprechenden Kreisen und darüber hinaus verbreiten würden.

So relativiert der Kanal 451°, ein „Satireprogramm“ von RT Deutsch nach ausladenden antifeministischen Äußerungen das Corona-Virus und leistet gängigen Verschwörungserzählungentheorien Vorschub. Zur Relativierung zieht der Moderator, der sich selbstironisch als „Putins kleinen Wadenbeißer“ bezeichnet, Ausschnitte einer Veröffentlichung des US-Chef-Immunologen Anthony S. Fauci heran. Er bezieht sich auf ein Editorial zu frühen Corona-Studien zu einem Zeitpunkt Ende Februar, in denen das Virus weder weitreichend erforscht war, noch die Verbreitung in anderen Teilen der Welt stattgefunden hat. Dort vergleicht der Immunologe das Virus mit einer herkömmlichen Grippe – allerdings weist er bereits auf die erforderlichen Maßnahmen wie Schulschließungen und Social-Distancing hin und betont den spärlichen Erkenntnisstand über das Virus. Letzteres bleibt im Video unerwähnt. 

Mittlerweile ist Fauci Chefberater im Weißen Haus und spricht in einem New York Times Interview angesichts der Sterblichkeit und Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus von einem „Albtraum, wo ich realisiert habe, dass wir ein wirklich großes Problem haben“ und davon, dass die öffentlichen Einschränkungen unabdingbar seien. Von einer Verharmlosung des Virus, wie von 451° behauptet, findet sich in diesem Interview  keine Spur. 

Eine Bühne für Anhänger*innen der Verschwörungsszene

Die Berufung auf prominente Wissenschaftler*innen garantiert RT auf der einen Seite den Status eines seriösen Medienformates, auf der anderen Seite werden bewusst Informationen weggelassen, um unzureichend belegte Behauptungen zu legitimieren. Zudem werden auch prominente Stimmen aus der verschwörungsideologischen Szene, denen eine wissenschaftliche Expertise zugesprochen wird, angehört. Durch die dem öffentlichen Diskurs entgegengesetzte Haltung entsteht der Eindruck, dass es eine manipulierte Berichterstattung gäbe. Das wiederum führt zu Verschwörungstheorien. „In Krisenzeiten haben Verschwörungsideologien Hochkonjunktur, denn sie bieten einfach Erklärungen und sind ein Identitätsmodell, in dem die guten Widerständler der Mehrheit gegen die böse kleine Minderheit der Verschwörer kämpft“, so Rathje.

Prominente Stimmen finden sich beispielsweise bei Sputnik. Das Magazin titelte am 28. März 2020 unter Berufung auf die Aussage des Facharztes für Hygiene Klaus-Dieter Zastrow „Händewaschen bringt gar nichts“. Trotz fehlender wissenschaftlicher Belege nimmt das Magazin bewusst das Risiko in Kauf, dass Menschen der Fehlinformation Glauben schenken. 

Der Fehlende Part, ein Videoformat von RT Deutsch, interviewt am 20. März 2020 den Internisten Claus Köhnlein, der in seinem Buch „Virus-Wahn“ unter anderem die Existenz von HIV bestreitet. Er behauptet im Interview, dass die Corona-Tests fehlerhaft seien und er seine Patient*innen nicht testen würde, weil er keinen Anlass sehe. Er zweifelt die Zahlen des Robert-Koch-Instituts an und vermutet ohne Quellenangaben hinter den Ärztestimmen Falschmeldungen. 

Oft präsent: der Antisemitismus.

Ein weiterer Aspekt ist die Verbindung von Verschwörungsideologien und menschenverachtenden Inhalten wie dem Antisemitismus. RT Deutsch interviewte am 24. März 2020 Peter König, der ein Potpourri von Verschwörungsideologien vorträgt: von dem Virus eine Elitenverschwörung der Finanzbranche bis hin zu Tests der herrschenden Elite, wie viel Repression die Bevölkerung aushalten würde. König schreibt auch für New Eastern Outlook (NEO), das zu den kremltreuen Medien mit Sitz in Moskau zählt und veröffentlicht unter anderem Artikel mit antisemitischem Inhalt. Dass diese Verschwörungsideologien nicht selten zu Hassverbrechen führen, zeigt die aktuelle Dokumentation rassistischer Vorfälle vor dem Hintergrund der Corona-Krise. Darunter findet sich mindestens ein antisemitisches Motiv. 

Jan Rathje sieht die hohe Verbreitungsgefahr von Verschwörungserzählungen zu Corona auch der aktuellen Situation geschuldet: „Gerade ist die Gefahr der Radikalisierung recht hoch, wenn Menschen zu viel Desinformationen konsumieren, denn die Corona-Krise hat sehr starke Auswirkungen – sowohl gesamtgesellschaftlich als auch individuell.“ Wer viel Zeit zu Hause verbringe und ohnehin zu Verschwörungsideologien neige, hat demnach auch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dieses Weltbild bereitwillig aufzunehmen. 

Faktencheck als Reaktion auf Desinformationen

Daher sei ein sogenanntes „Debunking“ unabdingbar, also kursierende Falschinformationen mit wissenschaftlich fundierten Fakten zu widerlegen. Diesem Anspruch sieht sich EUvsDisinfo verpflichtet. Die Anzahl der gelisteten Fälle wird aller Voraussicht nach noch steigen. Daher rät das Portal zu einer beständigen und genauen Quellenüberprüfung. Josep Borrell, Chef des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS), sagte auf einer Pressekonferenz am 23. März 2020 dazu: „Die Verbreitung von Desinformationen ist ein Spiel mit Menschenleben. Desinformationen können töten.“ Wer der falschen Verharmlosung von Covid-19 Glauben schenkt, bringt nicht nur sich selbst, sondern vor allem andere in Gefahr. 

Auf dem Portal EUvsDisinfo finden sich zur aktuellen Corona-Krise über 220 Falschmeldungen, die seit dem 22. Januar durch kremltreue Medien verbreitet wurden. Das Portal wurde von der East StratCom Task Force der Europäischen Union ins Leben gerufen. Ziel seien russische Desinformationskampagnen. Durch die anhaltende Propaganda in europäischen und Europa-nahen Ländern durch kremltreue Medien im Ukraine-Konflikt und der sogenannten „Flüchtlingskrise“ sah die EU 2015 die Notwendigkeit zur Einrichtung einer Task Force gegeben. Der Schwerpunkt von EUvsDisinfo ist die Suche nach Desinformationen und Verschwörungstheorien in kremltreuen Medien und dessen Richtigstellung.

Schwerpunkte mit verschwörungsideologischem Gehalt

Das Portal ordnet alle Desinformationen einem bestimmten Themengebiet zu. Folgende Schwerpunkte treten dabei hervor:

  • Die USA haben Covid-19 erschaffen (39 Fälle): In dem englischsprachigen Artikel Covid und der Terror der Verunsicherung des Journals New Eastern Outlook wird das Corona-Virus als Biowaffe beschrieben, die von der USA entwickelt wurde. Es ist die Rede von einer Terrorgruppe, die, „wie wir herausgefunden haben, die USAID, ein Partner der CIA war, die das Wuhan-Virus nutzte, um irgendetwas Beängstigendes an der University of North Carolina, nicht Wuhan, zu entwickeln“. (31.03.2020)
  • Zusammenbruch der EU durch Covid-19 (26 Fälle): Das russischsprachige Nachrichtenportal NEWSONE veröffentlicht ein Video, indem es den Zusammenbruch der EU verkündet. Alle Länder würden derzeit Grenzen aufbauen. (30.03.2020)
  • Behauptungen über China (24 Fälle): In China seien Menschen durch hohe Dosen Vitamin C geheilt worden und westliche Medien würden darüber nicht berichten, weil die Therapie kostengünstig sei und ohne Hilfe großer Pharmakonzerne auskomme, so das South Front Magazin. (27.03.2020)
  • Geheimer Plan einer globalen Elite (17 Fälle): Auf der deutschsprachigen Nachrichtenseite Sputnik wird von einer „Verschwörung gegen die Freiheit“ erzählt, die „nicht düster, sondern klinisch weiß“ daherkomme. (21.03.2020)
  • Zusammenbruch der Ukraine durch Covid-19 (13 Fälle): Die Ukraine würde an der Corona-Pandemie zugrunde gehen und sei zudem immer noch kein Staat, berichtet die russischsprachige Seite ren.tv. (23.03.2020)
  • Corona-Virus ist keine ernsthafte Bedrohung (12 Fälle): Ein englischsprachiger Artikel von RT zweifelt die Todesfolge durch das Corona-Virus an. Die Verstorbenen seien „mit dem Corona-Virus gestorben und nicht wegen des Virus“ und daher stelle die Sterblichkeit keine Abweichung zur normalen Statistik dar. (21.03.2020)

Falschmeldungen haben tödliche Folgen

Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass nicht nur an Covid-19 Erkrankte betroffen sind von Desinformationskampagnen, sondern auch die Menschen, die Ziel von Hassverbrechen werden, deren Nährboden die verbreiteten Verschwörungsideologien sind. Einen großen Teil dieser Verbreitung leisten derzeit kremltreue Medien. 

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