Das Wahlprogramm der Partei für NRW gibt sich dann auch vergleichsweise gemäßigt und eher neoliberal. Direkt am Anfang steht dabei der Verweis auf Leistung: „Nur durch eine adäquate Leistungsorientierung können Menschen ihre Stärken herausbilden und ihre Schwächen überwinden. Deswegen müssen Schüler und Studenten alters- und begabungsgerecht an den Leistungsgedanken herangeführt werden, um ihr Leben eigenständig gestalten zu können.“ ‘Das heißt für die AfD allerdings auch, Inklusion in Schulen abschaffen, damit behinderte Kinder nicht mehr zusammen mit nicht-behinderten unterrichtet werden. In der Sozialpolitik klingt die Leistungsorientierung so: Obwohl „viele Hartz4 Empfänger gerne ihr Arbeitspotenzial für Tätigkeiten, die dem Gemeinwohl dienen, zur Verfügung stellen möchten“, will die Partei kurzerhand eine „fallbezogene Verpflichtung zur gemeinnützigen Arbeit“ einführen. Genauso sollen Geflüchtete Sprachkurse selbst bezahlen: „Sprachschulungen, die über Grundkenntnisse hinausgehen, sind freiwillig und auch nicht generell kostenfrei.“
Immer wieder gibt essolche Spitzen, die Geflüchtete und Migrant_innen angreifen. So heißt es zum Beispiel unter Punkt 1.07, in dem um Klassenstärken gehen soll: „Lehrermangel und Missmanagement haben in vielen Schulen NRWs zu einer Maximalauslastung der Klassengrößen geführt. Durch die massenhafte Zuwanderung wird dieses Problem deutlich verschärft.“ Grundsätzlich möchte die AfD besonders in Schulen wieder zurück in eine angeblich gute alte Zeit, die sie derzeit offenbar verloren sieht: „Die AfD fordert die Stärkung der Lehrkraft als erzieherische Autorität im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen“, so eine Forderung. „Disziplinlosigkeit und mangelnde Lernbereitschaft“ sollen mit „Fleiß, Disziplin, Pünktlichkeit, Einsatzbereitschaft und Zuverlässigkeit“ bekämpft; negative (und positive) Auffälligkeiten sollen „auf dem Zeugnis dokumentiert“ werden.
Mit Männerrechten für NRW
Sexuelle Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und Aufklärung sind – wenig überraschend – nicht im Sinne der AfD. Mit falsch verstandenen Kampfbegriffen spricht sich das Wahlprogramm dagegen aus: „Unter dem Vorwand der Antidiskriminierung und der Toleranz ist ‚Gender Mainstreaming‘ der Versuch, dem Bürger sein Privatleben und seine Vorlieben vorzuschreiben.“ Auch in NRW muss die von der AfD imaginierte „Frühsexualisierung“ verhindert werden, die angeblich durch die „Sexualpädagogik der Vielfalt“ ausgelöst wird. Das heißt, Schüler_innen sollen also nach dem Willen der AfD nicht mehr lernen, dass auch Sexualitäten abseits der Heterosexualität existieren.
Gerade was Gleichberechtigung angeht, beschränkt sich die AfD auf das für sie Wesentliche: Männer. Gleichstellungsbeauftragte sollen abgeschafft werden, genau wie Quotenregelungen. Eigentlich sollte aber noch viel früher angefangen werden, Männer aus den Fängen des „Genderismus“ zu befreien. Punkt 2.05 des Wahlprogramms lautet dann auch: „Die AfD will die Entwicklungschancen von Jungen und Männern fördern.“ Jungen würden generell unterdrückt, dazu gäbe es kaum männliche Erzieher und Lehrer, männliche Vorbilder würden also fehlen. Bei gleicher Leistung würden Junger schlechter bewertet als Mädchen. Die Lösung für die AfD ist „eine verstärkte gesellschaftliche Aufklärung über die spezifische männliche Entwicklung und deren Wertschätzung, sowie die Entwicklung von Leitlinien gegen Jungen-, Männer- und Väterdiskriminierung.“ Und weiter: „Naturwissenschaftliche Schulfächer, die den Interessen von Jungen entsprechen, müssen stärkeres Gewicht bekommen.“ Ab wann die Partei plant, verpflichtende Hauswirtschaftsschulen für Mädchen einzurichten, damit sie sich ihre hübschen Köpfchen nicht über komplizierte Zahlen zerbrechen müssen, geht aus dem Programm nicht hervor.
Negativschlagzeilen sind unerwünscht
Weil „in einigen Medien ständig politisch unliebsame Meinungen und Standpunkte diskreditiert und diffamiert“ würden, will die Partei „Mediengesetze“ ändern, damit „Betroffene“ Schadensersatzansprüche geltend machen können. Was damit genau gemeint ist, bleibt offen. Das Medienrecht in Deutschland gilt eigentlich bereits als recht klägerfreundlich. Die Vermutung liegt nahe, dass die AfD versuchen will, Berichterstattung zu verhindern: über die Finanzierung des Wahlkampfs, die wirtschaftlichen Probleme einzelner Mitglieder, über rassistische und/oder antisemitische Ausfälle oder die rechtsradikale Vergangenheit einiger „Einzelfälle„.
Für Braunkohle und CO2 – Gegen Windenergie
Besonders im Bereich Energiepolitik ist das Programm der AfD eher „kreativ“. Erneuerbare Energien werden angeblich zu stark gefördert, Dämm-Vorgaben seien unwirtschaftlich. „Energiepolitik darf nicht von irrationalen Ängsten vor vermeintlichen Gefahren der Technik getrieben sein “ schreibt die Partei und: „Eine zuverlässige, moderne und preiswerte Energiepolitik darf einzelne Technologien nicht ideologisch bevorzugen“. Noch auf der gleichen Seite wird behauptet, dass Windkraftanlagen durch Infraschall und Stroboskopeffekte Gesundheitsschäden verursachen würden. Ernstzunehmende wissenschaftliche Studien, die das beweisen, gibt es nicht. Für NRW fordert die Partei die 10H-Regelung, die in Bayern bereits seit 2014 in Kraft ist und in der Kritik steht, da sie den Ausbau von Windenergie fast unmöglich macht. Demnach soll „eine Abstandsgrenze zu jeglicher Wohnbebauung vom 10-fachen der Höhe des Windrades (…) gelten.“ Statt Windkraft will die AfD lieber Braunkohle, „der einzige, zu wettbewerbsfähigen Kosten verfügbare heimische Energieträger.“ Umweltschutzorganisationen sehen das anders. So schreibt zum Beispiel der BUND: „Es gibt wohl kaum einen Eingriff in Natur und Umwelt, der so nachhaltig und gravierend ist wie der Abbau und die Nutzung von Braunkohle. Um die Kohle fördern zu können werden ganze Landstriche verwüstet, das Grundwasser für Jahrhunderte geschädigt, Siedlungen devastiert. Bei der Umwandlung der Braunkohle in Energie werden große Mengen des Klimakillers Kohlendioxid freigesetzt und die Gewässer über das Kühlwasser aufgeheizt.“
Kohlendioxid nimmt die AfD allerdings gelassen. An die Erderwärmung durch von Menschen verursachten CO2-Ausstoß glaubt man ihm Wahlprogramm nicht. Und außerdem sollen auch „ggf. positive Klimafolgen berücksichtigt werden.“
Flaggen für Rentner
Selbstverständlich bleibt man bis zum Ende national. Im letzten Punkt des Wahlprogramms geht es um die Beflaggung öffentlicher Gebäude: „Da öffentliche Gebäude und Einrichtungen häufig nicht als solche zu erkennen sind, sollten diese durchgehend mit der Fahne des Landes NRW, des Bundes sowie der Kommune kenntlich gemacht werden. Dadurch wird sichergestellt, dass sich auch nicht ortsansässige sowie ältere und behinderte Menschen orientieren können.“