Mit diesen Worten beschreibt der Nazikader Christian Worch in einem Internetforum die letzte größere bundesdeutsche Revisionismuskampagne Ende der 80er Jahre. Aktuell erlebt der Revisionismus innerhalb der bundesdeutschen Nazi-Szene erneut eine Blüte, ohne dass dies auf der Strasse unmittelbar erkennbar ist. Dieses Mal ist Horst Mahler ins revisionistische Lager gewechselt und steuert gezielt auf eine Märtyrer-Rolle im Gefängnis zu. Ob dies der „Königsweg“ ist oder einen Aufschwung für die Neonazi-Szene zur Folge haben wird, ist zweifelhaft. Eine Betrachtung der neuen revisionistischen Kampagne ist jedoch in jedem Fall geboten, da in den nächsten Monaten bundesweit mit Prozessen zu rechnen ist, die als öffentlichkeitswirksame Bühne für Revisionismus und Antisemitismus genutzt werden sollen.
Der Berliner Prozess
Anfang Februar 2004 standen in Berlin Horst Mahler, Reinhold Oberlercher und Uwe Meenen wegen Volksverhetzung vor dem Landgericht. Ihnen wurde vorgeworfen, im Oktober 2000 auf der Internetseite des „Deutschen Kolleg“ einen „Aufstand der Anständigen“ ausgerufen zu haben, in dem unter anderem die „Entausländerung der Wohnbevölkerung“ gefordert wurde. An sich kein außergewöhnlicher Vorgang, doch die drei Angeklagten versuchten die Prozessöffentlichkeit zu nutzen, um ihre kaum beachteten politischen Ansichten zu propagieren. Der Prozess wurde von allen Dreien dazu genutzt, das „Deutsche Reich“ auszurufen. Horst Mahler nutzte den Prozess zusätzlich als „ideale Auftaktveranstaltung“, um seine neue Revisionismus-Kampagne öffentlichkeitswirksam zu forcieren.
Die Reichsbürger-Bewegung
Bereits am ersten Prozesstag nutzten die Angeklagten den Presserummel, um eine „Erklärung zum politischen Schauprozeß“ zu verteilen. In dieser kündigte das „Deutsche Kolleg“ gnädig an, es werde „eine Einstellung des Verfahrens durch das Gericht als strafbefreiende tätige Reue würdigen und darauf verzichten, bei der Reichsermittlungsstelle Anzeige wegen Rechtsbeugung zu erstatten.“ Weil dies nicht geschah, verkündete Mahler später: „Die daran beteiligten Juristen werden sich demnächst vor Gerichten des Deutschen Reiches wegen dieser Verbrechen verantworten müssen.“ Hinter diesem Anflug von Größenwahn steht die so genannte Reichsbürgerbewegung von Horst Mahler. Diese geht davon aus, dass das Deutsche Reich fortbesteht und die BRD kein Staat, sondern lediglich eine „Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft“, kurz OMF, ist. Die Folgen sind günstig für die Neonazis: So sind zum Beispiel die Kriegsverbrecher-Urteile von Nürnberg ungültig und alle Ausländer im „Reichsgebiet“ müssen das „Deutsche Reich“ verlassen, da ihre OMF-Pässe und Staatsangehörigkeiten ungültig sind. Es kommt jedoch noch besser: „Die Behörden der OMF-BRD sind gegenüber Reichsbürgern bar jeglicher Legitimation, insbesondere sind sie nicht berechtigt, von Reichsbürgern Steuern zu erheben, gegen Reichsbürger Urteile zu sprechen und zu vollstrecken…“ Wie für jede wirre Idee finden sich auch hier überzeugte AnhängerInnen. In Kamenz gelang es Christian J. mit dieser Argumentation erfolgreich, die Bezahlung eines Bußgeldes in Höhe von 38,12 Euro wegen Geschwindigkeitsüberschreitung zu verhindern. In Zeitz landete Christel K. vor dem Amtsgericht, da ihr zu ihrer Unterstützung ein Betreuer bestellt werden sollte. Zuvor hatte sie als „Staatsbürgerin des Deutschen Reiches“ Widersprüche gegen Steuern und Gebühren eingelegt, da sie dem „völkerrechtswidrigen Reichszerteilungskonstrukt ?BRD‘ nicht tributpflichtig“ sei. In den Publikationen der Reichsbürgerbewegung wimmelt es von antisemitischen Verschwörungstheorien: Das Bundesverfassungsgericht sei eine „Fremdherrschafts?agentur“ der „US-Ostküste“ und der „Jahwe-Kult“ sei mit der „Reichstheologie“ unvereinbar und würde daher verboten werden. Doch wie üblich kommt es auch gleich zum Streit mit anderen Nazi-Gruppen, die sich für die legitime Reichsregierung halten. So greifen die „Reichsbürger“ die bisherige konkurrierende „Kommissarische Reichsregierung“ um Wolfgang E. aus Berlin an, denn diese „dient sich den Feinden des Reiches als ?Verhandlungspartner‘ an, um mit diesen gemeinsam zu lasten des Deutschen Reiches Vereinbarungen zu treffen (z.B. einen ?Friedensvertrag‘ zu schließen)…“ Dieser Reichsbürger-Aspekt erscheint im Vergleich zu dem Revisionismus-Aspekt in der Ideologie von Mahler und Co. jedoch eher als belustigende Begleiterscheinung.
Der Prozess als Bühne
Die öffentliche Hauptverhandlung wurde von Beginn an von Mahler dominiert, der in seinen stundenlangen Einlassungen vor Gericht reinsten Antisemitismus verbreitete, revisionistische Thesen zum Besten gab und offen den Holocaust leugnete. So erklärte er: „In der Vernichtung der Juden waltet Vernunft, davon gehe ich aus (…) Milliarden Menschen wären bereit, Hitler zu verzeihen, wenn er nur den Judenmord begangen hätte.“ In diesem Stil geht es Prozesstag für Prozesstag weiter, ohne dass sich das Gericht zum Eingreifen genötigt sieht. Die Strafanzeigen für diese Äußerungen überreicht der Staatsanwalt Horst Mahler postwendend beim Folgetermin, ohne dass dies an dessen Dauerpropagandashow etwas ändern würde.
Die Struktur dahinter
Die Prozessführung Mahlers stand in Zusammenhang mit dem „Verein zur Rehabilitierung der wegen des Bestreiten des Holocaust Verfolgten“ (VRBHV). Dieser wurde am 9. November 2003 in Vlotho gegründet. Vorsitzender wurde der Schweizer Bernhard Schaub. Seine Stellvertreterin wurde die Leiterin des Collegium Humanum Ursula Haverbeck-Wetzel und Schatzmeister wurde der Berliner Rainer J. Link. Unterstützt wird der Verein von internationalen Revisionisten wie Ernst Zündel (Kanada), Germar Rudolf und Frederick Töben (Adelaide Institute, Australien).
Zwischen dem VRBHV und dem Deutschen Kolleg kam es, wie in diesem Milieu üblich, zu einer Spaltung. Diese erklärt das uneinheitliche Auftreten der Angeklagten an einigen Punkten. Meenen und Oberlercher hatten bei der VRBHV-Gründung in Vlotho für einen „Reichsbund der Systemopfer“ plädiert. Denn „die Privilegierung der Holokaustleugner unter den Systemopfern spalte letztere (…) Das Regime der BRD hat nichts zu rehabilitieren und es kann selber nicht rehabilitiert werden.“ Mahler stellte dazu klar: „Für beide Seiten ist es ein Kampf auf Leben und Tod ? endlich! Es wäre mir nicht im Traume eingefallen, in diesem Kampf Oberlercher und Meenen auf der anderen Seite zu sehen (…) Der Bruch mit MO (Abkürzung: Meenen, Oberlercher) ist also nicht eine aus der Enttäuschung geborene Überreaktion, sondern eine notwendige Umgruppierung, damit wir dem Feind nicht länger den Rücken zukehren.“
Die Strategie dahinter
Die Strategie Mahlers beinhaltet den Versuch, erneut eine Revisionismus-Kampagne zu initieren. In einem offenen Brief an Bernhard Schaub und Ursula Haverbeck erläutert er sein Ziel, den „Auschwitz-Prozess“ wieder aufzurollen. Im Dezember 2003 fand hierfür eine „erste Arbeitssitzung“ mit Robert Faurisson (Frankreich) und Ahmed Rami, dem Chef von „Radio Islam“, in Frankreich statt. Faurisson soll dafür sorgen, dass die „internationale Gemeinde“ der Revisionisten für Mahler und den VRBHV „Gewehr bei Fuß“ steht. Ahmed Rami hat eine intensive Berichterstattung für die „islamischen Länder“ zugesagt.
Mahler plant durch seine Einlassungen vor Gericht eine neue Anklage wegen Leugnung des Holocaust. Dieser Prozess ist laut Mahler Teil der VRBHV-Strategie: „Wird dann auch noch das Hauptverfahren eröffnet, haben wir erreicht, was wir mit der Vereinsgründung angestrebt haben: es wird gegen ?eine weltbekannte Person der Zeitgeschichte‘ eine öffentliche Hauptverhandlung wegen ?Leugnung des Holocausts‘ geben. Damit ergibt sich zum ersten Mal in der Geschichte die Gelegenheit, den ?Auschwitz-Prozess‘ wiederaufzurollen und die erst nach dem Nürnberger Militärtribunal und nach dem Frankfurter Auschwitz-Prozess erarbeitenden Beweise zur Widerlegung der offiziellen Geschichtsschreibung mit einem weltweiten Echo ?gerichtsnotorisch‘ zu machen (…) Ich bin glücklich, dass dieses Schicksal mich ausersehen hat, diesen Schlag gegen unsere Feinde zu führen.“
Der Wahn dahinter
Mahler geht fest davon aus: „Das Projekt Israel ist gescheitert. Die ganze Welt kehrt sich jetzt gegen diesen Störenfried. In spätestens fünf Jahren wird es (vermutlich nach einem von Sharon ausgelösten Atomkrieg) von der Landkarte verschwunden sein. Die Juden sehen das voraus ? und sie planen voraus. Ist der Gedanke so abwegig, daß sie Deutschland als ihren Fluchtpunkt ausersehen haben?“ Daher planen, laut Mahler, „die klügeren Juden und die klügeren Elemente der politischen Klasse“ eine Art eigene Revisionismus-Kampagne, da die „Holokaustreligion vor dem Aus steht“: „Bestimmten jüdischen Kreisen könnte bewußt geworden sein, daß sich die Judenfrage gegenwärtig in ungeahnter Weise zuspitzt und ihre Lösung nur die Endlösung sein kann, wie ich sie skizziert habe. Vermutlich sind es die gleichen Kreise, die in der Frage der Holocaust-Religion gegenwärtig den Kurs ändern.“ Jüdische Wissenschaftler drohen laut dieser Theorie gar die Führung im Lager der Revisionisten zu übernehmen. Demnach scheinen Mahler und Co. zusammengefasst also in etwa daran zu glauben, dass sie als echte Revisionisten die „Holocaust-Religion“ kippen müssen, bevor es die „jüdischen Wissenschaftler“ tun, um Deutschland als Fluchtpunkt für JüdInnen nach dem Ende Israels zu ermöglichen.
Die Unterstützer
Die Prozesse gegen Mahler sind regelmäßig überfüllt. Bis zu hundert SympathisantInnen streiten sich um die Zuschauerplätze. Sie verbreiten dabei eine Stimmung, als würden sie Teil eines bewegenden historischen Umbruchs sein. Einige der emotional aufgebrachten Mahler-Getreuen ließen sich am ersten Prozesstag gar zu Tumulten hinreißen, da sie keinen Zuschauerplatz mehr abbekamen. Erst nachdem der Prozessbesucher Frank R. deswegen abgeführt wurde, beruhigten sich die Gemüter wieder. Andere Prozess-Besucher meinten mittels Zwischenrufen gleich persönlich eingreifen zu müssen. Nachdem der Vorsitzende Richter dem Zuhörer Karl K. deshalb mit Maßnahmen drohte, erhob Gernot Sch. Dienstaufsichtsbeschwerde gegen ihn. Diese begründete er unter anderem damit, dass „sich im Zuhörerraum nicht nur Menschen befinden, die sich vom demokratischen Rechtsstaat bereits innerlich abgewandt haben und überall das Walten dunkler Kräfte vermuten (…)“ Prozessbeobachter hatten diesbezüglich allerdings einen anderen Eindruck. Unter den Mahler-Unterstützern befanden sich Berliner Rechtsextremisten aller Fraktionen: Sascha K., der ehem. FAP-Aktivist Mirko Tambach, der Neonazikader Rene Bethage und Imke Barnstedt von der Deutschland-Bewegung. Auch auswärtige Besucher verfassten bewegte Erlebnisberichte von den Prozesstagen. So schwärmte der Hamburger Klaus Kaping, wie „das Gericht als Bühne, als Forum“ genutzt wird, „um dem Deutschen Volk und der Welt die Verlogenheit (…) vor Augen zu führen.“ Die Berliner Peter Töpfer (Nationale Anarchisten, Antideutsches Kolleg) und Bernhard Heldt (ALSO-Attac, Deutsche Nationalversammlung) gingen einen Schritt weiter und gründeten das „Komitee Freiheit für Horst Mahler“, das auf das gleichnamige Komitee von 1977 um Otto Schily anspielt. Für das „neue“ Komitee steckten hinter den Verurteilungen Mahlers aus RAF-Zeiten „die Alliierten Siegermächte und ihre zionistische Lobby“ und auch heute würde noch die Demokratie „von den zionistischen Kapitalinteressen beherrscht“.
Ein Märtyrer baut sich auf
Anfang April 2004 wurde Horst Mahler wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens wegen Volksverhetzung und Verunglimpfung des Staates die Ausübung des Berufes des Rechtsanwaltes vorläufig verboten. Für den 68jährigen keine neue Situation. Nachdem er 1974 in Zusammenhang mit seiner Unterstützung für den Aufbau der Roten Armee Fraktion (RAF) wegen Beihilfe zum gemeinschaftlichen versuchten Mord und zur gemeinschaftlichen Gefangenenbefreiung in Verbindung mit einer Verurteilung wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit Gründung einer kriminellen Vereinigung zu insgesamt 14 Jahren Haft verurteilt worden war, musste er seinen Rechtsanwaltsberuf schon einmal aufgeben. Erst 1988 erhielt er dank seines damaligen Rechtsanwaltes Gerhard Schröder seine Wiederzulassung. Mahler steuert klar in Richtung Revisionismus-Märtyrer. Eine neue Haftstrafe scheint nach seinen Aussagen bereits fest eingeplant und ein weiterer Schritt in seiner Revisionismus-Kampagne zu sein: „Eine bisher nicht gekannte Entschlossenheit greift um sich: Am 5. Dezember 2003 schrieb Faurisson an mich: ?Mark my last words: Zusammen ins Gefängnis!'“
Dieser Text wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt vom Antifaschistischen Infoblatt (AIB) – Erscheinungsdatum Sommer 2004 Heft Nummer 63