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Das Märchen mit den Ausländern und der Arbeitslosigkeit

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Zum einen ist die Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern weitaus am höchsten, also gerade dort, wo mit großem Abstand am wenigsten Ausländer leben: Der Ausländeranteil in den neuen Bundesländern lag 2005 bei 2,0-2,8%, in den alten Bundesländern bei 5,4-14,2% (Quelle: Statistisches Bundesamt). In den Niederlanden beispielsweise beträgt der Ausländeranteil 4,33% an der Gesamtbevölkerung – im Schnitt etwa doppelt so viel wie in den neuen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, und das bei einer der höchsten Einbürgerungsraten in Europa. Bei nur 4,8% Arbeitslosigkeit herrscht dort Vollbeschäftigung.
Zum anderen ist die Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik nicht so groß, wie die offizielle Arbeitslosenstatistik suggeriert. Von den rund vier Millionen Arbeitslosen steht ein gutes Viertel dem Arbeitsmarkt aus unterschiedlichsten Gründen gar nicht zur Verfügung. So werden in der Statistik Personen geführt, die bereits einen neuen Arbeitsplatz in Aussicht haben oder sich nur arbeitslos gemeldet haben, um ihre Ansprüche auf Leistungen wie Kindergeld oder Rente aufrecht zu halten. Schon diese beiden Beispiele sind Indizien dafür, dass Arbeitslosigkeit nicht ursächlich mit der Zahl der Ausländer zusammenhängt, sondern andere, strukturelle oder statistische Gründe hat. In den neuen Bundesländern sind sie beispielsweise in der Vorgeschichte bzw. den Folgen der Wiedervereinigung zu suchen. Dagegen gehören Ausländer in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit mit zu den ersten Opfern von Entlassungen: die Arbeitslosenquote bei Ausländern war 2005 mit 25,5% 1,5-mal so hoch wie die der Gesamtgesellschaft (9,1%). In erster Linie leiden die Auszubildenden unter diesem Problem: Während im Jahr 2005 die Zahl der deutschen Lehrlinge in Nordrhein-Westfalen um 3,2% zurückging, sank die ausländischer Lehrlinge um ganze 36,6%, in anderen Bundesländern ist das Bild ähnlich (Quelle: Statistisches Bundesamt, Handelsblatt 2006).

Grundsätzlich klafft auf dem Arbeitsmarkt eine Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Es ist eine Tatsache, dass sich viele offene Stellen nicht ausreichend mit Deutschen besetzen lassen. Vielfach handelt es sich um körperlich sehr belastende, schmutzige oder gefährliche Arbeiten, die Deutsche nicht mehr übernehmen wollen – z.B. in Reinigungsfirmen, auf dem Bau oder bei der Müllentsorgung. Die Bezahlung ist zu schlecht oder die Arbeitszeit zu lang – wie beispielsweise im Pflegebereich. Vor allem neue Zuwanderer, die – wenn sie denn eine Arbeitserlaubnis bekommen – auf jeden Job angewiesen sind, füllen diese Lücken. Ohne sie könnte ein Großteil der Produktions- und Dienstleistungsbranchen überhaupt nicht existieren.

Für viele offene Stellen gibt es nicht genügend Bewerber. Oder den Arbeitsuchenden fehlen die entsprechenden Qualifikationen. Das betrifft vor allem die IT-Branche (Informationstechnologie), aber z.B. auch Ingenieurberufe. Und es gibt noch weitere Lücken. Während etwa in den alten Bundesländern seit Ende der 1980er-Jahre ein faktischer Kassenzulassungsstopp für eine Reihe von Fachärzten gilt, herrscht in Sachsen weiterhin akuter Mangel an niedergelassenen Ärzten.

Zum anderen sind Ausländer genau wie Deutsche nicht nur Arbeiter, sie sind auch Verbraucher. Sie kaufen Lebensmittel, Kleidung, Möbel, Fahrräder, Autos, Reisen, Immobilien usw. Mit anderen Worten: Sie benötigen nicht nur Arbeitsplätze, sondern sie schaffen auch welche, weil sie die Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern und damit die Produktivität erhöhen. 60% der Wirtschaftsleistung in Deutschland hängen vom Konsum der Bürger ab (Quelle: Sven Egenter/Reuters: Die Launen der Verbraucher, in: Süddeutsche Zeitung 22.7.2002). Und nicht zuletzt zahlen Ausländer ebenso wie Deutsche Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Bei den Renten sind sie sogar Nettoeinzahler: Auf Grund ihrer günstigeren Altersstruktur und weil viele von ihnen im Alter Deutschland wieder verlassen und damit auf 30% der ihnen zustehenden Rente verzichten, zahlen sie im Durchschnitt mehr Rentenbeiträge ein, als sie an Renten ausbezahlt bekommen. Geld, von dem deutsche Rentner mitfinanziert werden (Quelle: Website des Bundesministeriums für Wirtschaft).

Schließlich und endlich schaffen Ausländer auch ganz direkt Arbeitsplätze. Viele von ihnen sind selbstständige Unternehmer. Sie betreiben Im- und Exportfirmen, Banken, Konzerne, Bio-Tech-Firmen, Transportunternehmen, Fabriken, Druckereien, Einzelhandelsgeschäfte, Franchise-Unternehmen und zahllose kleine, große und mittlere Dienstleistungsbetriebe, wie Reisebüros, Werbeagenturen, Design- und Internetfirmen, außerdem Restaurants, Imbissbuden und vieles mehr. Insgesamt gab es im Jahr 2000 280.000 ausländische Selbstständige (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, Studie „Ausländische Mitbürger in Deutschland“, Bonn 2001), die über 700.000 Arbeitsplätze geschaffen haben. Tendenz: steigend. Und sie sind erfolgreich. Allein die türkischen Dönerbuden machen in Deutschland inzwischen jährlich mehr Umsatz als McDonald’s (Quelle: Tenbrock, Christian: Die fremden Unternehmer, in: Die Zeit 30/2001).

Ausländer raus? Die unmittelbare Folge wäre der totale Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft, von der menschlichen Katastrophe gar nicht zu reden.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg!“- Rechtsradikale Propaganda und wie man sie widerlegt, (Hrsg.) Wilfried Stascheit, Verlag an der Ruhr 2005

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