AfD: Spendenskandal und Russland-Verbindungen
Nach der Ibiza-Affäre der FPÖ, die ganz Österreich zum Wanken gebracht hat, waren deutsche AfD-Politiker*innen ungewöhnlich leise. Parteichef und EU-Spitzenkandidat Jörg Meuthen sprach von einer „singulären Angelegenheit“. Fraktionschefin Alice Weidel sagt einfach gar nichts zu der Affäre, obwohl sie noch vor zwei Jahren schwärmte: „Die AfD kann enorm viel von der FPÖ lernen.“
Meuthen und Guido Reil stehen auf den ersten beiden Listenplätzen für die Europawahl. Ein gut dotierter Platz im EU-Parlament dürfe ihnen sicher sein. Beide stehen aber, zusammen mit Weidel, im Zentrum eines Spendenskandals. Knapp 400.000 Euro Strafe hat die Partei bereits wegen dubioser Wahlkampfhilfen aus der Schweiz gezahlt. Spendernamen will die Partei nicht nennen. Insgesamt hat die Partei eine Million Euro für möglicherweise anfallende Strafzahlungen zurückgelegt.
Aber auch die AfD hat ein Russland-Problem: Der AfD-Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier pflegt gute Kontakte zu Russland. Im April veröffentlichte der Spiegel ein russisches Strategiepapier über Aktivitäten zur Destabilisierung von EU-Staaten und Verbreitung russischer Propaganda. Auch konkrete Maßnahmen werden dort diskutiert, unter anderem eine geplante „Unterstützung“ von Frohnmaier: „Er wird ein unter absoluter Kontrolle stehender Abgeordneter im Bundestag sein.“ Frohnmaier streitet ab, Unterstützung erbeten oder erhalten zu haben.
FPÖ: Ibiza, Liederbücher und Knickse vor Putin
Im Mittelpunkt der FPÖ-Ibiza-Affäre steht Korruptionsverdacht und Straches Angriff auf die Pressefreiheit. Er hatte in einem heimlich gefilmten Video einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte mehrere Angebote gemacht: Den Erwerb der einflussreichen Kronenzeitung um seinen Wahlkampf zu unterstützen oder Investition in Baufirmen um öffentliche Aufträge zu erhalten.
Skandale sind der FPÖ allerdings nicht fremd. Bemerkenswert war in den letzten Jahren zum Beispiel die „Liederbuchaffäre“. Udo Landbauer, war Spitzenkandidat für den niederösterreichischen Landtag, als sich herausstellte, dass in einem Liederbuch der rechtsextremen Wiener Burschenschaft NS- und Neonazi-Lieder abgedruckt waren. Landbauer war stellvertretender Obmann der Gruppierung. Geschadet hat ihm der Skandal wenig, nachdem er den Vorsitz der Burschenschaft niederlegte und seine Parteimitgliedschaft kurz ruhen ließ, sitzt er mittlerweile für die Partei im Landtag.
Mittlerweile ist im Zuge der Ibiza-Affäre die gesamte FPÖ-Ministerriege zurückgetreten. Zumindest fast. Außenministerin Karin Kneissl will im Amt blieben. Die parteilose Ministerin, die von der FPÖ ins Amt gebracht wurde, hat in der Vergangenheit ebenfalls ein eher fragwürdiges Verhältnis zu Russland an den Tag gelegt. Im Sommer 2018 feierte die Politikerin ihre Hochzeit und lud niemand geringeren als Wladimir Putin ein. Daraus ergaben sich Bilder, auf denen die österreichische Ministerin vor dem russischen Präsidenten auf die Knie fällt.
Lega Nord: 49 fehlende Millionen und Freiheitsberaubung
Der rechtsextreme italienische Innenminister und Lega-Parteichef Matteo Salvini muss ebenfalls an mehreren Fronten Skandale im Zaum halten. Einerseits ist da das Erbe des ehemaligen Parteichefs Umberto Bossi. Der soll zwischen 2008 und 2010 zusammen mit einem früheren Schatzmeister rund 49 Millionen Euro veruntreut haben. Das Geld, das für Wahlkampfzwecke gedacht war, wurde für Bossis Privatvergnügen ausgegeben. Die Bossi-Villa bekam ein neues Dach, Bossis Frau – eine Lehrerin – eine Privatschule, Bossis Sohn Unterstützung fürs Abitur. Der italienische Staat will dieses Geld jetzt zurück. Lega-Nord bringt das in finanzielle Schwierigkeiten.
Salvini verweist gerne darauf, dass das alles vor seiner Zeit passiert sei und er überhaupt nichts mit dem Skandal zu tun habe. Aber auch das stimmt nicht ganz. Laut Informationen der luxemburgischen Bankenaufsicht flossen 2016 zehn Millionen Euro in einen Investment-Trust mit Sitz in der Schweiz und Luxemburg. Italienische Fahnder vermuten, dass das Geld von der Lega kam. Salvini ist seit 2013 Chef der Partei.
In einer anderen Sache bewahrte nur die parlamentarische Immunität Salvini vor einem Prozess wegen Freiheitsberaubung. Im August 2018 hatte Salvini 117 Migrant*innen, die von einem Schiff der italienischen Küstenwache vor dem Ertrinken im Mittelmeer gerettet worden waren, verboten das Schiff zu verlassen und das Land zu betreten. Der italienische Senat lehnte es ab, Salvinis Immunität für einen Prozess aufzuheben.
Rassemblement National: EU-Gelder, Familienstreit und schon wieder Russland
Der Rassemblement National ist ein Familienunternehmen. Bis vor kurzem hieß die Partei Front National, gegründet wurde sie von Jean-Marie Le Pen. Seit 2004 sitzt Le Pen im EU-Parlament und genießt Immunität, die aber im März diesen Jahres aufgehoben wurde. Bis zum April 2007 wurde er 25 mal verurteilt, unter anderem wegen Holocaustleugnung, Verherrlichung von Kriegsverbrechen, Beleidigung, Anstiftung zur Gewalt oder Volksverhetzung. Aktuell wird ermittelt, weil Assistent*innen zwar von EU-Geldern bezahlt worden sein sollen, aber für die Partei in Frankreich arbeiteten.
2011 löste Marine Le Pen ihren Vater an der Spitze der Partei ab. Angeblich vor allem wegen seinen permanenten judenfeindlichen und revisionistischen Äußerungen warf sie ihn schließlich 2015 aus der Partei. Aber auch die Tochter führt die Partei nicht ohne Skandale. Sie muss die Eskapaden des Vaters weiterhin ausbaden und steckt mit ihrer Partei deswegen vor allem in finanziellen Schwierigkeiten. Vermutlich entstand ein Gesamtschaden von sieben Millionen Euro, Teile der Partei-Konten wurden von Ermittler*innen eingefroren. 2014 lieh die Partei sich 9,4 Millionen Euro bei einer russischen Bank. Le Pen, die die Nähe Putins gesucht hatte, sah sich Vorwürfen ausgesetzt. Mittlerweile wurde die Bank im Rahmen einer Kampagne gegen mafiöse Finanzinstitute unter staatliche Aufsicht gestellt. Der Kredit liegt zwischenzeitlich bei einem anderen Institut, dass wiederum russischen und ehemaligen sowjetischen Militärangehörigen gehören soll.
Fidesz: Pressefreiheit, Arbeitnehmerrechte und Skandal um öffentliche Beleuchtung
Um ganze 50 Plätze hat sich Ungarn, seit der Machtübernahme Viktor Orbáns, auf dem Index zur Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen” verschlechtert. Fast alle Medien mit politischer Berichterstattung werden mittlerweile von einer regierungsnahen Stiftung kontrolliert. Die Opposition kommt kaum mehr zu Wort. Bereits seit dem Beginn von Orbáns aktueller Amtszeit, 2010, werden in Ungarn neue Mediengesetze erlassen, die Pressefreiheit wird eingeschränkt, hauptsächlich Journalist*innen mit Parteihintergrund werden eingestellt, regierungskritische Journalist*innen wurden entlassen. Immer mehr ausländische Medienkonzerne ziehen sich zurück.
Gleichzeitig greift die Regierung Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechte an. Streik- und Versammlungsrechte wurden eingeschränkt, Protestaktionen müssen mittlerweile von der Regierung genehmigt werden. Arbeitnehmer „dürfen“ bis zu 400 Überstunden im Jahr machen, die Arbeitgeber*innen dürfen sich allerdings bis zu drei Jahre Zeit lassen, bis diese Überstunden bezahlt werden.
Obwohl Orbán sich dezidiert gegen die EU stellt – und damit zum großen Vorbild der europäischen Rechten geworden ist – profitiert er gerne, samt Freunden und Familien von den Fördertöpfen. Der Schwiegersohn des Regierungschefs, István Tiborcz, soll mehrere Millionen Euro für öffentliche Beleuchtung bekommen haben. Das EU-Anti-Betrugsamt „Olaf” (Office Européen de Lutte Anti-Fraude) nennt die Vorgänge einen „organisierten Betrugsmechanismus“.
Auch Firmen von Orbáns Vater und einem seiner Brüder erhielten ebenfalls Fördersummen in Millionenhöhe. Ein Kindheitsfreund Orbáns, Lörinc Mészáros, gilt als Orbáns „Lieblingsoligarch“. Vor dem Machtwechsel im Land war der Mann Gas-Installateur. Heute soll er einer der reichsten Ungarn, mit einem Vermögen von rund 350 Millionen Euro sein.
„Europäische Allianz für Skandale und Korruption”
Rechtspopulist*innen in ganz Europa versuchen sich als Saubermänner und -frauen zu generieren, die der angeblichen europäischen Korruption und Geldverschwendung einen Riegel vorschieben wollen. Es zeigt sich, dass ausgerechnet sie ein großer Teil des Problems sind. Sei es die Regierung von Viktor Orbán, die Pressefreiheit beschneidet und gleichzeitig EU-Fördergelder in die familiären Taschen verschiebt, die geheimen Spender*innen der AfD oder einfach der Gesamtausverkauf Österreichs, wie ihn Strache der Oligarchennichte vorschlug. Um zu verhindern, dass Rechtspopulismus noch stärker zur europäischen Realität wird, als es ohnehin schon der Fall ist, hilft nur ein: Am Sonntag demokratische Parteien wählen.