Protest und Provokationen gegen den geplanten Moscheebau in Erfurt-Marbach gibt es bereits seit Monaten. Gegner_innen des Gotteshauses protestierten unter anderem im März 2017 durch das Aufstellen überdimensionierter Holzkreuze auf einem Nachbargrundstück – die „Bürger für Erfurt“, die die neurechte Plattform „Ein Prozent“ als „aktive Mutbürger“ beschreibt. Zuletzt waren „Moscheegegner“ mit einem wenig tierfreundlichen, dafür aber islamfeindlichen Übergriff in der Presse: Auf dem Gelände der Ahmadiyya-Gemeinde wurden Teile von Schweinekadavern auf Holzpflöcke aufgespießt (BTN berichtete). Dies bringt Feindlichkeit zum Ausdruck und die menschen- (und tier)-verachtende Niedertracht der Täter_innen. Es hält aber den Moscheebau nicht auf, dessen Baubeginn für Mai 2018 geplant ist.
Nun haben Aktivisten, die sich unter anderem in der „Initiative für ein friedliches Marbach“ organisieren, einen neuen Plan geschmiedet. Er ist sehr viel tierfreundlicher, denn es geht nicht ums Kadaver-Verteilen, sondern um den Schutz lebender und sogar vom Aussterben bedrohter Tiere. Es geht um den Feldhamster. Der ist in Deutschland vom Aussterben bedroht, lebt aber unter anderem im Thüringer Becken, und darin liegt Erfurt-Marbach.
Ist es also nicht berechtigt, sich um den Feldhamster zu sorgen? Doch, das ist es. Schon 2014, als der Bebauungsplan für das Gebiet in Erfurt-Marbach erstellt wurde gab es deshalb, wie gesetzlich vorgesehen, auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung, die die Bebauung des Areals guthieß.
Im Januar 2017 fielen die Hamster den Moscheegegner_innen wieder ein. Es gab ein Flugblatt der „Initiative für ein friedliches Marbach“: „WARUM wird der vom Aussterben bedrohte Feldhamster in Erfurt nicht geschützt?“ Damals beantworteten Prof. Dr. Alexander Thumfart und Astrid Rothe-Beinlich, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Erfurter Landtag, die im Flugblatt erhobenen Vorwürfe ausführlich, es sei keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden: Zur Erweiterung der Universität gab es eine solche Prüfung samt „Hamsterkartierung“. im Gewerbegebiet gegenüber, wo die Moschee entstehen soll, wird es sie im Zuge der Bauvorbereitung geben, auch wenn dort bisher keine Hamstervorkommen bekannt sind (vgl. GrüneStadtErfurt.de).
Dies reicht einem Erfurter Umweltschützer offenkundig nicht, der im März 2017 beginnt, sich öffentlich über den Feldhamster zu sorgen. Er schreibt über seine Bemühungen auf einem Blog namens „Trollblume“ – was ihn zu der Namenswahl bewegt hat, weiß er sicherlich nur ganz allein, es sei nur so viel gesagt, dass es die Trollblume in der Tat gibt, auch wenn sie ansonsten nicht auf dem Blog thematisiert wird.
Dort schreibt er im März zu seinem Hamster-Engagement: „In den letzten 25 Jahren wurden auf dem Gebiet der Feldhamsterpopulation gebaut: viele Wohnungen, das Gefahrenschutzzentrum, Uniparkplatz, diverse Gewerbe, ein Sportplatz, Straßen usw. Schätzungsweise 25 % des ursprünglichen Feldhamsterlebensraumes ging so verloren. Man hat in fast allen Fällen keine Untersuchung der zu bebauenden Flächen auf Feldhamster vorgenommen (…). Diverse neue Baumaßnahmen wie weitere Straßen, Uni-Bauten und jetzt sogar eine Moschee sind geplant. Und der Feldhamster wird wieder nicht berücksichtigt.“ Warum die Moschee dabei so viel schlimmer erscheint als die andere Bebauung, erschließt sich nicht. Immerhin ist das Grundstück, auf dem die Moschee entstehen soll, kleiner als 0,5 Hektar. Den „Erfurter Naturschutzverein“ als Bastion des Hamsterschutzes, dem der Mann vorsteht, gibt es übrigens seit Mai 2017.
Sein Blog zeigt einen wütenden Bürger, der gern anklagt, wen er als Schuldige sieht: Die Stadt Erfurt, die Naturschutzbehörden, die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie, den Naturschutzbund Deutschland (Nabu), den BUND Thüringen, die Deutsche Wildtierstiftung und „alle anderen in Thüringen gesetzlich anerkannten Naturschutzverbände“ – denn die sagen alle etwas anderes als er und haben damit offenkundig keine Ahnung. Doch auch mit weiteren besorgten Bürgern war es wohl nicht so leicht: „Anfangs dachte ich, dass auch Hilfe von der AfD und diversen Bürgerinitiativen in Marbach kommt, aber die wollten nur den armen Feldhamster und mich zur Durchsetzung ihrer Interessen ausnutzen. Das musste ich auch erst begreifen.“ Nun allerdings feiern die Rechtspopulist_innen und Islamfeinde den „Erfurter Naturschutzverein“. Selbst „Pegida“ im entfernten Dresden ist nun „hamsterfreundlich“. Die Kommentator_innen natürlich auch.
Der BUND Thüringen distanziert sich derweil deutlich von Hetze mit Hamstern: „Die Instrumentalisierung von Naturschutzargumenten zur Durchsetzung offensichtlich fremdenfeindlicher Interessen lehnen wir kategorisch ab“, sagte der BUND- Landesgeschäftsführer Burkhard Vogel. Vgl. mdr, Thüringer Allgemeine
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