QAnon wurde bis Anfang 2020 in der breiten Öffentlichkeit als Randphänomen des Internets abgetan. Doch die Betonung der drohenden Apokalypse und der Bestialität der vermeintlichen satanischen Elite, an die QAnon-Anhänger*innen glauben, ist für die Gesellschaft gefährlich, in der sie verbreitet wird. Die Erzählung erzeugt eine Dringlichkeit zum Handeln, die ihre Anhänger*innen bis hin zu gewaltvollen Verbrechen radikalisieren kann – der Vorfall bei „Comet Ping Pong“ war ein Vorbote dafür. In Deutschland zeigte sich 2020 eindeutig, wie gefährlich diese Art Verschwörungsideologie sein kann: Obwohl der Attentäter von Hanau nach dem der-zeitigen Erkenntnisstand kein Anhänger der QAnon-Verschwörungsideologie war, bediente er in einigen seiner Videos verschwörungsideologische Erzählungen von Pädophilie-Ringen im Untergrund, die einigen der QAnon Erzählungen ähneln. Bereits wenige Monate nach Qs erstem Post zeigte sich, dass auch die zugehörigen Erzählungen ihre Anhänger*innen zu gewaltvollen Verbrechen mobilisieren können. Das FBI stuft Verschwörungsideologien wie QAnon seit Mai 2019 als potenzielle Terrorgefahr ein.9 Denn QAnon-Anhänger*innen in den USA sind immer häufiger in Gewalttaten oder Anschlagspläne verwickelt. Auf-fällig dabei: Immer wieder stehen Kinder im Mittelpunkt der Verbrechen.
Zeitleiste
28. Oktober 2017
Erster Post von „Q“
15. Juni 2018
Kalifornien: Ein bewaffneter Mann blockiert mit einem mit Munition beladenen LKW den Hoover-Staudamm, um so eine QAnon-Forderung zu erpressen.
13. März 2019
New York: Ein 24-Jähriger tötet mutmaßlich einen Mafioso, den er als Teil der von Q beschriebenen vorgeblichen Elite identifiziert haben will.
25. September 2019
Arizona: Mit einem Brecheisen beschädigt ein QAnon-Anhänger den Altar einer Kirche und kennzeichnet das Gebäude als „das Böse“. Dabei schreit er angeblich, dass die katholische Kirche Menschen-handel unterstütze. Online nutzt er QAnon-Hashtags.
30. Dezember 2019
Montana: Eine Mutter wird verhaftet, weil sie die Entführung ihrer Tochter geplant haben soll, die sich in der Obhut einer Pflegefamilie befand. Andere QAnon-Anhänger*innen sollen an dem Plan beteiligt gewesen sein.13
26. März 2020
Kentucky: Eine Frau wird wegen Entführung ihrer Zwillingstöchter von ihrer Großmutter – der Erziehungsbe-rechtigten der Kinder – angeklagt. Sie teilt nicht nur QAnon-, sondern auch Souveränisti*innen-Inhalte.
31. März 2020
Kalifornien: Ein junger Mann fährt mit seinem Truck in eine Gruppe friedlicher „Black Lives Matter“-Demons-trant*innen. Niemand wird verletzt. Zuvor hatte der Mann ein Trainingscamp für „Zivilen Ungehorsam“ auf Ländereien seiner Familie veranstaltet. Er hatte zuvor mit Bekannten QAnon-Verschwörungserzählungen ausgetauscht.
29. April 2020
Washington: Mit Messern bewaffnet fährt eine QAnon-Anhängerin von Illinois nach Washington und droht damit, den US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden umbringen zu wollen. Sie streamt die Fahrt und ihre anschließende Verhaftung live über Facebook. Im Video bezieht sie sich klar auf QAnon.
11. Juni 2020
Massachusetts: Ein QAnon-Anhänger liefert sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei, die sich über zwei US-Bundesstaaten zieht, und streamt diese live ins Internet. Im Auto befinden sich seine fünf Kinder. Schließlich rammt er ein Polizeiauto und fährt in einen Baum. Es gibt keine Verletzten.
12. August 2020
Texas: Eine 30-Jährige verfolgt zwei Autos und rammt eines davon schließlich mehrmals. Zur Polizei sagt sie, das Opfer hätte „ein Mädchen für den Menschenhandel gekidnappt“. Sie wolle das Kind „vor Pädophilen retten“. Mehreren Quellen zufolge soll sie QAnon-Anhängerin sein.
1. Oktober 2020
Utah: Eine Mutter wird wegen der mutmaßlichen Entführung ihres eigenen Sohns verhaftet, der sich in Obhut des US-Jugendamts befand. Auf Facebook verbreitete die Frau QAnon-Inhalte, die sich auch spezifisch auf das US-Jugendamt bezogen.
7. Oktober 2020
Michigan: 13 Männer werden wegen eines mutmaßlichen Kidnapping-Plots angeklagt. Demnach wollten sie die Gouverneurin des US-Bundesstaats Michigan, Gretchen Whitmer, entführen. Mindestens einer der Angeklagten verbreitete offenbar QAnon-Verschwörungsideologie.
Narrative: Deep State
Allgemein bezeichnet der Begriff „tiefer Staat“ eine Situation, in der politische oder militärische Organe gegen die politische Führung agieren. In den letzten Jahren wurde er von US-amerikanischen Verschwörungsideolog*innen vereinnahmt und steht mittlerweile synonym für ein vermeintliches politisches Komplott gegen Donald Trump. Kritiker*innen Trumps können so diskreditiert werden. In der QAnon-Verschwörungsideologie kämpft Trump für das Gute, der Deep State für das Böse.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem de:hate report #1: QAnon in Deutschland.
Weitere Texte aus dem Report auf Belltower.News:
- Wie Donald Trump zum Heilsbringer von Verschwörungsideolog*innen wurde – QAnons Anfänge
- COVID-19 macht ein Nischenphänomen massentauglich – die Verbreitung von QAnon
- Verbreitung von QAnon in Deutschland – analog zur Pandemie
- Von einem toten Mafia-Boss und Kindesentführungen: Das Gewaltpotenzial von QAnon in den USA
- QAnon, Verschwörungsideologien und Antisemitismus
- Wie sich QAnon-Anhänger*innen und „Reichsbürger*innen“ vermischen
- Down the Rabbit Hole – Radikalisierung in Zeiten von COVID-19
- Erkenntnisse aus dem Monitoring – Thesen und Prognosen zu QAnon und Handlungsempfehlungen
Der de:hate report zum Download als PDF:
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2020/11/01-dehate-report-QAnon.pdf