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dehate-report „QAnon in Deutschland“ Wie Donald Trump zum Heilsbringer von Verschwörungsideolog*innen wurde – QAnons Anfänge

Titelbild der Publikation "QAnon in Deutschland" aus dem Projekt de:hate der Amadeu Antonio Stiftung. (Quelle: Amadeu Antonio Stiftung)

Im Dezember 2016 stürmt ein Mann mit mehreren Schusswaffen die Pizzeria „Comet Ping Pong“ in Washington. Über 540 Kilometer hat Edgar W. aus seiner Heimatstadt in North Carolina an diesem Morgen dafür hinter sich gebracht. Was ihn antreibt: „Pizzagate“ – eine haltlose Verschwörungserzählung, laut der die damalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton einen Pädophilenring leite und Kinder im Keller eben dieser Pizzeria gefangen halte. Vor Ort angekommen, rettet W. jedoch keine Kinder und findet auch keinen Keller vor. Stattdessen schockiert er Angestellte und Kundschaft, indem er mindestens einen Schuss abgibt, während er das Restaurant durchsucht. Verletzt wird niemand.

Bei „Pizzagate“ finden sich bereits alle groben Züge des Narrativs, das später im Weltbild der Q-Anhängerschaft auftaucht. Nach dem Vorfall in Washington distanzierten sich einige prominente „Pizzagate“-Anhänger*innen von der Verschwörungserzählung. Dennoch wird das Thema auf kontroversen Onlineplattformen wie 4chan und 8chan weiter diskutiert. Blendet man „Pizzagate“ aus, beginnt die Geschichte um QAnon etwa ein Jahr später: Bei einem Fototermin mit Vertreter*innen des US-Militärs am 5. Oktober 2017 sagt Donald Trump etwas, das die dort anwesende Presse aufhorchen lässt: „Vielleicht ist das hier nur die Ruhe vor dem Sturm.“ Was der Präsident damit meint, will er nicht erläutern. Später wird seine Aussage Teil des Gründungsmythos um QAnon werden. Aus dem Rätselraten darum bildet sich schließlich die Verschwörungsideologie. In einem frühen QAnon-Post zitiert die angebliche Regierungsquelle Q eben diesen Satz – Qs Anhänger*innen sehen darin eine Bestätigung seiner vorgeblichen Existenz. Am 28. Oktober 2017 setzt „Q Clearance Patriot“ das erste Mal auf dem Imageboard 4chan einen Post ab. Das Pseudonym spielt auf einen hohen Geheimhaltungsgrad innerhalb der US-Regierung an. Später wird aus dem Buchstaben, kombiniert mit „Anon“, einem Begriff, der für Menschen steht, die auf Onlineplattformen anonym bleiben, QAnon.

Anfangs war es prinzipiell möglich, dass auch andere Qs Pseudonym verwendeten. Später wechselte Q die Plattform: Auf 8chan, mittlerweile 8kun, nutzt Q sogenannte Tripcodes, um seine Posts zu authentifizieren. Die Identität der Person oder der Gruppe hinter den Posts ist noch immer unklar. Für diejenigen, die der Verschwörungsideologie um Q verfallen sind, ist dies der ultimative Kampf von Gut gegen Böse. Wie bei vielen Verschwörungsideologien werden die Anhänger*innen von QAnon stetig aufgefordert, selbst zu denken, selbst zu recherchieren und Dinge zu hinter-fragen.

Der Eifer, mit dem alles analysiert wird, was auch nur im Entferntesten das Weltbild der Verschwörungs-Anhänger*innen tangieren könnte, ist bemerkenswert. Das betrifft nicht nur Posts von „Q“, sondern beispielsweise auch Reden von US-Präsident Trump sowie Aussagen der angeblichen Mitglieder des „Deep State“. So werden etwa Rechtschreibfehler von Donald Trump als geheime Botschaften gewertet. Jeder Buchstabe, jede Zahl, jeder einzelne Bestandteil kann ein Code sein und muss entschlüsselt werden. Auf Imageboards, aber auch auf von der breiten Öffentlichkeit genutzten Plattformen wie Telegram, Instagram und YouTube werden die Grundzüge der Verschwörungsideologie von Nutzer*innen weitergesponnen. Qs erster Post prophezeite die angebliche Verhaftung Hillary Clintons und darauffolgende massive Unruhen in den USA. Nichts davon stellte sich als wahr heraus. Dennoch verfasste Q seit diesem ersten Post tausende weitere Beiträge. Im Zentrum der sich daraus entwickelnden Ideologie stehen eine satanistische Elite, bestehend aus dem „Deep State“, die angeblich einen Pädophilenring betreibt, und Donald Trump als einer Art Erlöserfigur. Für diejenigen, die der Verschwörungsideologie um Q verfallen sind, ist dies der ultimative Kampf von Gut gegen Böse, an dessen Ende die Elite vor Gericht gestellt und schließlich hingerichtet werden soll. Dieses Netz aus Verschwörungserzählungen bedient alte antisemitische und christlich-fundamentalistische Feindbilder, die Qs Anhängerschaft über etliche Slogans und Hashtags online und offline verbreitet.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem de:hate report #1: QAnon in Deutschland.

Weitere Texte aus dem Report auf Belltower.News:

  • COVID-19 macht ein Nischenphänomen massentauglich – die Verbreitung von QAnon
  • Verbreitung von QAnon in Deutschland – analog zur Pandemie
  • Von einem toten Mafia-Boss und Kindesentführungen: Das Gewaltpotenzial von QAnon in den USA
  • QAnon, Verschwörungsideologien und Antisemitismus
  • Wie sich QAnon-Anhänger*innen und „Reichsbürger*innen“ vermischen
  • Down the Rabbit Hole – Radikalisierung in Zeiten von COVID-19
  • Erkenntnisse aus dem Monitoring – Thesen und Prognosen zu QAnon
  • Handlungsempfehlungen

Der de:hate report zum Download als PDF.

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