Die Neonazis aus Mecklenburg-Vorpommern stehen unter Erfolgsdruck. Mecklenburg-Vorpommern galt jahrelang als „Vorzeigeland“ des rechtsextremen Aktivismus – doch der Widerstand gegen Nazi-Aktionen wächst beständig. Am 1. Mai konnte NPD-Kader David Petereit in Rostock nur 350 „Kamerad*innen“ begrüßen, die auch nur ohne jeden Kontakt zur Außenwelt vor sich hin stehen und ein wenig laufen konnten. Nun fragt sich, wie viele Neonazis NPD und Kameradschaften am heutigen regnerischen 8. Mai in Demmin auf die Straße bekommen. Angemeldet hat den „Trauermarsch“ mit dem Motto „8. Mai 1945 – kein Grund zum Feiern. Vergessen wir Tod, Leid und Besatzung nicht“ Michael Gielnik, neben Petereit dem zweiten stellvertretenden Landesvorsitzenden der rechtsextremen NPD. Er erwartet laut Nordkurier 150 Teilnehmer*innen, die mit Fackeln durch die Demminer Innenstadt ziehen wollen. Treffpunkt der Geschichtsklitterer*innen soll um 19.30 Uhr der Busbahnhof an der Demminer Bahnhofsstraße sein. Vermutete Route ist diese, Informationen sind noch nicht bekannt.
Warum Demmin?
Am 8. Mai 2014 will die Neonazi-?Szene Mecklenburg-?Vorpommerns zum achten Mal in Demmin aufmarschieren. Sie versuchen, die Deutschen von der Kriegsschuld rein zu waschen und Geschichte zu relativieren. Um die Deutschen als Opfer darzustellen, nutzen sie die massenhaften Selbsttötungen zum Kriegsende – in Demmin sollen dies nach aktuellem Forschungsstand etwa 500 Selbsttötungen gewesen sein. Eine Tragödie für die Einzelnen, ihre Familien, für die Stadt. Für Viele hatte das Gedenkprogramm der DDR keinen Platz. Doch es darf nicht vergessen werden, dass die sich in Demmin abspielende Ereignisse deutlich im Rassenwahn des Nationalsozialismus wurzelten und letztendlich und ausnahmslos alle eine direkte Folge des von den Deutschen begonnenen Krieges waren. Unter den Toten, denen seit 1995 ein Gedenkstein auf dem Friedhof Demmin gewidmet ist und derer nun als Opfer des Krieges offiziell gedacht wird, sind auch jene, die die entsetzlichen Ereignisse in Demmin forcierten.
Das ist in Demmin geschehen: Am 30. April 1945 ru?cken die 30. und 38. Panzerbrigade der 2. Weißrussischen Front der Roten Armee in die Stadt Demmin ein. Den sowjetischen Truppen schla?gt dabei im Vorfeld Demmins Widerstand entgegen, Verluste sind zu beklagen. Die Kleinstadt an der Peene soll auf ihrem Weg nach Rostock mo?glichst zu?gig passiert werden, der Plan muss jedoch verworfen werden, da abziehende Wehrmachtssoldaten sa?mtliche Bru?cken u?ber Peene und Tollense im Bereich Demmin gesprengt haben. Noch in der Nacht zum 1. Mai wird mit dem Bau von Behelfsu?berga?ngen begonnen. Die beiden Panzerbrigaden ru?cken am 1. Mai u?ber errichtete Fa?hren und Behelfsbru?cken ab, der nachziehende Tross verbleibt noch bis zum 3. Mai in Demmin. Wa?hrend der Anwesenheit der sowjetischen Truppen in der Kleinstadt kommt es zu zahlreichen Brandstiftungen, jedoch ist nicht gekla?rt, ob die Feuer durch Hausbesitzer oder Rotarmisten gelegt oder durch Unfa?lle verursacht worden sind. Daru?ber hinaus sind Fa?lle von sexualisierter Gewalt durch sowjetische Soldaten in Demmin bekannt. Nach Angaben von Beerdigungsverzeichnis und Sterbebu?chern sterben in den Tagen vom 30. April bis 3. Mai rund 500 Deutsche in Demmin durch Selbstto?tung bzw. To?tung durch Angeho?rige. Besonders ha?ufig werden die To?tungen durch Ertra?nken in den Flu?ssen Peene und Tollense vorgenommen. Tatsächlich wurden diese dramatischen Ereignisse erstmals 1995 erzählt und erinnert – in einem Zeitzeug*innen-Buch, weitgehend ohne einordnende Betrachtung der Zusammenhänge. Dies motivierte die Neonazis, sich Demmin als Ort für ihren Geschichtrevisionismus zu wählen, weil sie hofften, in der von persönlichen familiären Verlusten betroffenen Bevölkerung auf Zustimmung zu treffen.
Gegenproteste
Doch diese geschichtsrevisionistische Trauer-Show der Menschen, die den Geist der Verursacher dieses Leids neu beleben wollen, lassen zahlreiche zivilgesellschaftliche Bündnisse 2014 nicht unkommentiert geschehen lassen. Bündnisse wie „Rostock nazifrei“, „Vorpommern: weltoffen, demokratisch, bunt“ oder „Greifswald nazifrei“ rufen seit etlichen Wochen zur Teilnahme an den Gegenprotesten auf. Auch die demokratischen Fraktionen des Landtages wollen sich an Aktionen in der Hansestadt beteiligen.
Friedensgebet
17 Uhr, Friedensgebet in der Bartholomaei-?Kirche mit Vertreter*innen verschiedener Religionen und der Stadt
Historischer Mahngang
Ab 17.30 Uhr, organisiert vom „Aktionsbündnis 8. Mai“ und dem Demminer Regionalmuseum. Dieser Mahngang mit Informationen zu Orten der NS-?Zeit wird inhaltlich gestaltet vom Demminer Regionalmuseum. Er beginnt im Anschluss an die Ökumenische Friedensandacht in der Bartholomaei-?Kirche. Route: Bartholomaei-?Kirche/an den Glocken > Marktplatz > Breitscheidstraße > Clara-?Zetkin-?Straße > Goethestraße > Reiferstraße > Bergstraße > Pfarrer-?Wessels-?Straße / Barlachplatz. Mehr Infos hier.
„Demmin bewegt sich“
15 Uhr bis 16.30 Uhr: Sportliches Fest auf dem Marktplatz, organisert von Vereinen und Verbänden aus Demmin.
40 Mahnwachen
Hauptidee der Proteste ist in diesem Jahr ein Netz aus 40 Mahnwachen, die im Demminer Stadtzentrum angemeldet worden sind – und so der rechtsextremen Szene Räume nehmen und deren Aktionsradius eingrenzen.
Die Mahnwachen finden zwischen 17 und 22 Uhr statt und bieten neben Informations-? und Gesprächsmöglichkeiten auch Kulturbeiträge. Unter anderem werden Studenten der Theaterakademie Vorpommern mit Texten und musikalischen Aktionen an von Nationalsozialisten verfemte Schriftsteller, Dichter, Musiker und Komponisten erinnern.
Eine Übersicht gibt es hier und hier
Netz gegen Nazis ist am Nachmittag in Demmin vor Ort, twittert (Hashtag für alle: #8mDM) und berichtet über Facebook.
Die Amadeu Antonio Stiftung macht eine der 40 Mahnwachen. Wir stehen an der Clara-Zetkin-Straße.
Mehr Infos im Internet: