Der AfD geht es weniger um sachliche Auseinandersetzungen in politischen Debatten, sondern vielmehr darum, Emotionen zu erzeugen. Dies kennzeichnet vor allem ihre Social Media-Strategie. So investiert die AfD-Bundestagsfraktion als bisher erste Partei in einen sogenannten „Newsroom“. Neben der klassischen Pressestelle arbeiten hier nach eigenen Angaben etwa 20 Mitarbeiter*innen. Die Produktionen des „Newsrooms“ sind in erster Linie auf die Social Media-Kanäle der Partei ausgelegt. Die größte Anhängerzahl und Reichweite verzeichnet die AfD derzeit auf Facebook, dort zählt ihre Hauptseite mit weitem Abstand zu den Seiten anderer Parteien die meisten Likes.
Die Facebook-Seite der Bundes-AfD wird für eigene Verlautbarungen genutzt, etwa zu Parteibeschlüssen, Programmen, Wahlkämpfen, oder um aktuelle Nachrichten zu kommentieren. Auf der Hauptseite werden fast ausschließlich eigene Bilder und Grafiken mit knappen Statements und längerem erklärenden Text im Beitrag geteilt. Am Ende einiger Beiträge stehen Links zu Medienberichten, die die kurzen Statements der geposteten Bilder untermauern sollen. Auch eigens produzierte Videos werden geteilt. Auf dem AfD-Hauptaccount auf Facebook soll so ein eher bürgerliches Publikum angesprochen werden. Die von den Rechtsradikalen genutzte Sprache ist für ihre Verhältnisse recht moderat und seriös – ganz anders sieht es allerdings in den Kommentarspalten aus. Hier äußern die User*innen offen ihren Hass auf Migrant*innen, Medien und andere Parteien.
Empörung als Erfolgswährung
Wie wohl keine andere deutsche Partei versteht es die AfD, die wichtigste Facebook-Währung zu nutzen: Interaktion. Durch zugespitzte und leicht verständliche Statements erzeugt sie auf Facebook Empörung bei ihren User*innen. Die Themen werden so gewählt, dass sie Emotionen auslösen – in der Regel Angst und Wut.
Die meisten Postings werden entsprechend intensiv von der Anhängerschaft diskutiert: Mehrere hundert Kommentare pro Posting, in denen überwiegend Partei-Fans unter sich bleiben, sind keine Seltenheit. Kritische Kommentare oder gar Gegenrede findet man in der Kommentarspalte beinahe gar nicht. Durch die Empörung und Aufregung erzeugt die AfD Interaktionen bei ihren Fans. Das bewirkt auf Facebook, dass solche Inhalte anderen Nutzer*innen umso wahrscheinlicher angezeigt werden. So macht die Kombination aus emotionalisierenden Posts, wütenden Kommentaren und nicht vorhandener Gegenrede die Facebook-Seite der AfD zu einem brodelnden Kessel der Empörung.
Nicht so erfolgreich wie auf Facebook ist die AfD auf Twitter. Von allen im Bundestag vertretenen Parteien hat die AfD auf dem Kurznachrichtendienst mit rund 138.000 Fans (Stand Juni 2019) mit Abstand die wenigsten Follower*innen. Nach der Twitter-Logik interagieren User*innen hier nicht nur mit der eigenen Community, sondern quasi mit dem gesamten Twitter- Netzwerk. Das bedeutet, dass die AfD-Tweets nicht nur Reaktionen aus der eigenen Blase hervorrufen, und erschwert es der AfD, die eigenen Thesen via Twitter zu verbreiten. Werden hier beispielsweise falsche Behauptungen als wahr ausgegeben, reagiert die demokratische Twitter-Blase in der Regel recht schnell mit Richtigstellungen. Generell findet sich unter AfD-Tweets relativ viel Gegenrede. Denn anders als bei Facebook können unliebsame Kommentare unter dem eigenen Beitrag nicht einfach verborgen oder gelöscht werden; die Kontrolle über die eigene Seite gestaltet sich auf Twitter schlicht schwieriger.
Gleichwohl hat die AfD auf Twitter einen großen Output. Wie auf Facebook postet der Account der Bundespartei die gleichen Sharepics (Bilder mit Statements), verlinkt dann jedoch zu den langen Erklärungstexten auf der Facebook-Seite. Auch das spricht dafür, dass die AfD Facebook als ihr zentrales Medium versteht und daher immer wieder dorthin umleitet. Daneben finden sich Retweets der Beiträge prominenter AfD-Funktionär*innen, aber auch Beiträge von Politiker*innen anderer Parteien – entweder wohlwollend zitiert oder empört, was den Hass wiederum auf deren Kanäle lenkt.
Der Twitter-Kanal der Bundes-AfD teilt und bewertet auch Beiträge anderer rechter bis rechtsextremer Accounts positiv – und offenbart so Vernetzungen in die rechtsextreme Szene.37 Die AfD erhält im Internet massive publizistische Unterstützung durch sämtliche Rechtsaußen-Akteure. Ihre Radikalisierung fand gerade im Internet durch verschiedene Hass-Communitys eine breite Unterstützung. In diesem Sinne ist die AfD ohne Zweifel die Partei für das Internet, zumindest für den menschenfeindlichen Teil des Netzes.
Accounts von AfD-Politiker*innen
Neben der bundesweiten AfD-Hauptseite gibt es auch Bundesländer-Seiten, regionale und kommunale AfD- Seiten sowie Facebook- und Twitter-Seiten einzelner Politiker*innen. Auf ihren persönlichen Profilen treten viele AfD-Funktionär*innen und -Politiker*innen offener menschenverachtend auf. Klar rassistische, antisemitische, islamfeindliche, sexistische und verfassungs- feindliche Postings sind hier keine Seltenheit – und das hat System: Durch die Einzel-Accounts soll die extrem rechte Wählerschaft angesprochen und die extrem rechte Szene an die AfD gebunden werden, während der Haupt-Account verhältnismäßig moderat agiert.
Die Fans und Follower*innen der AfD
Die Fans kommen vor allem aus den weitverzweigten rechtskonservativen, nationalistischen, rassistischen und rechtsextremen Online-Netzwerken, die schon seit Jahren auf eine erfolgversprechende politische Repräsentation gewartet haben dürften. Während die Mitglieder und Wähler*innen anderer Parteien bei weitem nicht solch eine Affinität für Social Media aufweisen, wusste die AfD seit ihrer Gründung 2013 das Internet und seine Plattformen für sich zu nutzen, um Stimmung zu machen und die eigenen Inhalte zu verbreiten. Die eigene Klientel wirkte von Beginn an mit.
Warum ist das Internet für die AfD so nützlich?
Ein Post – ob Sharepic, Video oder Grafik – ist kontrollierbar, im Gegensatz zu Fernsehinterviews. Rechtsradikale können im Netz Themen platzieren, die in den klassischen Medien nicht abgebildet werden und so weitestgehend ungehindert die Ressentiments ihrer Anhänger*innen bedienen. Über diesen Umweg der Provokation in Sozialen Netzwerken landen die Partei und einzelne Politiker*innen dann wiederum in den klassischen Medien. Das liegt daran, dass die Logik der Kommunikation in Sozialen Netzwerken den Regeln der Kommunikation des Rechtsradikalismus und Rechtspopulismus entspricht: Provokation, Zuspitzung und Ironie verbreiten sich leichter als sachliche Argumente und Differenzierung.
Praktisch auch für die AfD: Da es den Anhänger*innen mehr um Emotionen als um Wahrheiten geht, ist es nicht einmal ein Problem, wenn sich Internet-Postings als falsch herausstellen. Als beispielsweise der Berliner Landesverband 2017 auf Facebook und Twitter eine Reisewarnung für Schweden verbreitete, sprach das Auswärtige Amt ungewohnt deutlich von „Fake News“. Selbst die Berliner AfD nannte den Beitrag „natürlich objektiv falsch“ – dennoch löschte sie ihn nicht unmittelbar. Entsprechend befreit veröffentlicht die AfD viel und regelmäßig und schafft sich so ihre eigene Öffentlichkeit, die oft etwas von einem Paralleluniversum hat. Ein weiteres Beispiel: Im Januar 2019 widersprach die sächsische Polizei auf Twitter einem Kreisverband der AfD, auf dessen Twitter-Kanal zuvor ein Artikel verbreitet wurde, der ein Tötungsdelikt an einer Frau ohne entsprechende Beweislage in Zusammenhang mit Geflüchteten brachte. Das Landeskriminalamt bezeichnete die Äußerungen schlicht als „#FakeNews“.
Die AfD spielt nicht nur offline, sondern ganz besonders online mit den Ängsten der Menschen. Der Hass, der dadurch in der eigenen Anhängerschaft entsteht, wird nicht nur in die Kommentarspalten der AfD geschrieben, sondern auch außerhalb der radikal rechten Blase in die Kommentarspalten von Medien, Social Media-Gruppen, Parteien oder Privatpersonen. Nicht selten verlinken AfD-Accounts ganz gezielt auf ihnen nicht genehme Seiten, um so die eigene Anhängerschaft dorthin zu leiten. Was dann folgt, ist für die Betroffenen ein unangenehmer Shitstorm, der für die von Hate Speech Angegriffenen fatale Folgen haben kann. Hassrede wird von der AfD in Sozialen Netzwerken zum einen eingesetzt, um politische Gegner*innen zu demoralisieren oder zum Schweigen zu bringen, zum anderen, um Hetze gegen Gruppen von Menschen zu normalisieren. Wir sollen uns daran gewöhnen, sodass die Grenzen des Sagbaren immer weiter verschoben werden können. Aus dieser schleichenden Normalisierung folgt schließlich das Handeln – von der Ausgrenzung bis zur Gewalt.
Dieser Text ist ein Auszug aus der neuen Broschüre der Amadeu Antonio Stiftung.
Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.):
Demokratie in Gefahr. Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD.
Berlin 2019
Zu beziehen hier: http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen