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Demokratie verteidigen Die Wirtschafts- und Sozialpolitik der AfD

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(Quelle: Unsplash)

Trotz der Beobachtung einiger Teile und mehrerer Landesverbände als Verdachtsfälle durch den Verfassungsschutz bleibt die AfD gefährlich, vor allem dort, wo sie kommunal verankert ist und der extremen Rechten Struktur und Ressourcen bietet. Schon 2019 hat die Amadeu Antonio Stiftung eine Broschüre mit dem Titel Demokratie in Gefahr veröffentlicht, die jetzt überarbeitet neu erscheint: Demokratie verteidigen. In der aktualisierten und erweiterten Auflage geht es in vier neuen Kapiteln schwerpunktmäßig um Wirtschafts- und Sozialpolitik der AfD, Naturschutzpolitik der AfD, die parteinahe Stiftung der AfD und die Partei aus der Perspektive migrantischer Selbstorganisationen. Der folgende Text ist ein Auszug aus der Broschüre.

Gerne präsentiert sich die AfD als die „Partei des kleinen Mannes“. Tatsächlich hat diese Inszenierung jedoch nicht viel mit ihren inhaltlichen Positionen zu tun. Die AfD ist in Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik erkennbar gespalten: Während die völkisch-nationalistische Strömung der Partei unter starkem Einfluss Björn Höckes versucht, die Betroffenen von Sozialabbau und Deregulierung mit sozialprotektionistischen Forderungen und teils antikapitalistischer Rhetorik für die AfD zu gewinnen, setzen die neoliberalen Hardliner in der Partei auf die Verknüpfung von Wohlstandschauvinismus und rassistisch-biologistischen Vorstellungen. Bei allen Differenzen zeigt sich jedoch auch in der Wirtschaftsund Sozialpolitik, dass Rassismus und Nationalismus ein Bindeglied zwischen den Strömungen der Partei bilden. So richtet sich auch die Politik des völkisch-nationalistischen Flügels gegen sozial Benachteiligte wie Langzeitarbeitslose oder Wohnungslose, die als reine „Leistungsbezieher“ aus der konstruierten nationalen Gemeinschaft ausgegrenzt werden. In den vergangenen Jahren gelang es den völkisch- nationalistischen Kräften zwar – insbesondere in den ostdeutschen Landesverbänden -, an innerparteilichem Einfluss zu gewinnen, programmatisch und personell dominiert jedoch weiterhin das marktradikale Lager die Partei.

Ein Blick in die wirtschafts- und sozialpolitische Programmatik der Partei zeigt, dass sie vor allem für Sozialabbau, die Deregulierung des Arbeitsmarktes und einen neoliberalen Umbau des Staates steht. Nicht nur die Diskriminierung von Migrant*innen und Geflüchteten, sondern auch die Ausgrenzung und Abwertung sozial Benachteiligter sind integraler Bestandteil der politischen Agenda der AfD.

Umstrukturierung des Steuersystems zugunsten von Unternehmen und Besserverdienenden

Seit ihrer Gründung gehört die Steuerpolitik zu den Schwerpunktthemen der AfD. Im Mittelpunkt steht dabei, Unternehmen und Besserverdienende steuerlich zu entlasten und sozialpolitische Aufgaben zurückzufahren.

Deutlich wird dies an einem der Kernpunkte der Partei: der Reform der Einkommensteuer. Die Einkommensteuer ist eine der wichtigsten Finanzierungsquellen des Staates. Bislang erfolgt die Besteuerung von Einkommen progressiv: Wer höhere Einkommen hat, wird auch höher belastet. Die Idee dahinter ist einfach: Starke Schultern können eine größere Last tragen als schwache. Diese progressive Einkommensteuer soll nach Willen der AfD durch ein Stufenmodell ersetzt werden, das Spitzeneinkommen deutlich entlastet. Dem Staat drohen damit massive Einnahmeausfälle. Mit
der Gewerbesteuer will die AfD zudem eine der wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen auf den Prüfstand stellen. Während die Partei den Gemeinden und Städten so ihre Finanzmittel entzieht, soll zugleich der Haftungsverbund zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgelöst werden. So würden künftig auch Kommunen und Bundesländer insolvenzfähig werden – mit
verheerenden Auswirkungen sowohl für die betroffene Bevölkerung als auch für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Neben der Erbschaftsteuer sollen auch die Mietpreisgrenzen abgeschafft werden. Auch hier sind vor allem diejenigen die Leidtragenden, die schon heute kaum bezahlbaren Wohnraum finden. Verschärft werden sollen hingegen das Banken- und Steuergeheimnis, was die Ermittlungen gegen Steuersünder*innen erheblich erschweren würde.

Sozialabbau und neoliberaler Umbau des Staates

Während von diesen steuerlichen Entlastungen vor allem Vermögende und Unternehmen profitieren, sollen die Kosten dafür von der Allgemeinheit getragen werden. Von Beginn an verfolgt die AfD programmatisch eine strikt neoliberale Ausrichtung, die durch die Privatisierung staatlicher Infrastruktur und die Zerschlagung sozialer Sicherungssysteme gekennzeichnet ist. Die Forderungen zum neoliberalen Umbau des Staates betreffen auch die demokratische Konstitution unserer Gesellschaft. So plädieren Teile der AfD gar dafür, Erwerbslosen das Wahlrecht zu entziehen. Zielsetzung der AfD ist der Rückzug des Staates auf, allen Ebenen. Der Staat soll auf die Aufgabe der Bereitstellung kostenloser Infrastruktur für Unternehmen zurückgeworfen werden. Im Grundsatzprogramm der Partei heißt es: „Nur ein schlanker Staat kann daher ein guter Staat sein.“ Die öffentliche Daseinsvorsorge soll weitestgehend in private Hand übergehen. Eine ähnliche Programmatik kennzeichnet die Arbeitsmarktpolitik der AfD. So fordern Vertreter*innen der Partei immer wieder die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zu Lasten der Beschäftigten, den erzwungenen Arbeitseinsatz von Erwerbslosen einen Abbau von Arbeitnehmer*innenrechten.

Gewerkschaften im Visier von AfD & Co

Der Aufstieg der AfD seit 2013 ging auch mit einer Veränderung ihrer Wählerbasis einher. Trotz ihrer Angriffe auf Arbeitnehmer*innenrechte und der marktradikalen Forderungen verdankt die Partei ihren rasanten Aufstieg vor allem den Stimmengewinnen bei Teilen der Arbeiterschaft. Möchte die AfD ihr von der Parteispitze erklärtes Ziel, sich als Volkspartei neben Union und SPD zu verankern, erreichen, ist sie auf weitere Zugewinne von Stimmen der Arbeitnehmerschaft angewiesen. Im Weg stehen ihr dabei insbesondere die Gewerkschaften, die sich immer wieder deutlich gegen die rechtsradikale Partei positionieren. Immer offener ruft die AfD daher zum Kampf gegen unabhängige Arbeitnehmer*innenvertretungen auf.

Gegen unabhängige Gewerkschaften

So wächst die Zahl der Fälle von Drohungen, Einschüchterungen bis hin zu tätlichen Angriffen auf
Gewerkschafter*innen. Am Rande einer gewerkschaftlichen Kundgebung gegen die AfD in Hanau wurde beispielsweise ein Ordner von zwei AfD-Anhängern von hinten angegriffen und schwer verletzt. In den Wochen und Monaten vor diesem Angriff sah sich der DGB in Hanau einer regelrechten Hetzkampagne der AfD ausgesetzt. Aufgrund ihres Engagements gegen Rechts diffamierte die AfD die Gewerkschaften und ihre Funktionär*innen immer wieder als „linksextremistisch“. Insbesondere in sozialen Medien sahen sich die Gewerkschaften heftigen Vorwürfen ausgesetzt. Ihren vorläufigen Höhepunkt fand diese antigewerkschaftliche Propaganda der AfD mit einer Kundgebung gegen „Linksextremismus“ vor dem Hanauer Gewerkschaftshaus, nur wenige Tage vor besagtem Angriff.

Auch in der Bundespolitik nehmen AfD-Spitzenpolitiker*innen die Gewerkschaften immer wieder ins Visier. So nennt die stellvertretende AfD-Parteivorsitzende Beatrix von Storch ver.di eine „offizielle Verbrecherorganisation. Eine Gefahr für die Demokratie. Verfassungsfeinde!“

Die Angriffe der AfD auf die Gewerkschaften richten sich auch gegen das Organisationsprinzip der Gewerkschaften selbst. Die Gewerkschaften des DGB verstehen sich als Interessenvertretung aller abhängig Beschäftigten, unabhängig von Herkunft, Aufenthaltsstatus, Nationalität oder sexueller Orientierung, und als parteipolitisch unabhängige Einheitsgewerkschaft. Immer wieder fordern AfD-Funktionär*innen dazu auf, aus dieser Einheitsgewerkschaft aus- und in die parteipolitischen
Arbeitnehmer*innenorganisationen der AfD einzutreten. Derer gibt es inzwischen drei, die allesamt darum konkurrieren, die Interessen von Arbeitnehmer*innen in der AfD zu vertreten.

Die Interessengemeinschaft „Arbeitnehmer in der AfD“ (AidA) gründete sich am 1. Dezember 2015. Sie propagiert weitgehend den von der AfD geforderten neoliberalen Umbau des Staates.

Im Gegensatz zu AidA agiert die „Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer e.V.“ (AVA) nicht als anerkannte Bundesinteressengemeinschaft der AfD, sondern als Verein. Gegründet wurde sie 2015 in Dortmund. Wie AidA gehört auch AVA zu den Verfechterinnen einer weiteren neoliberalen Deregulierung und eines Abbaus sozialer Sicherungssysteme. So fordert der Verein bspw. eine Pflicht für Hartz IV-Empfänger*innen zur gemeinnützigen Arbeit und konsequente Sanktionierungern bei Verstößen.

Während AidA und AVA sich ausschließlich als Arbeitnehmer*innenflügel in der AfD betrachten und auch deren unternehmerfreundlichen Kurs weitgehend mittragen, geht es dem 2017 ins Leben gerufenen „Alternativen Arbeitnehmerverband Mitteldeutschland“ (Alarm) um weit mehr. Jürgen Pohl, Gründer von „Alarm“ und Bundestagsabgeordneter der AfD, behauptet, die DGB-Gewerkschaften hätten die Interessen der Arbeitnehmer*innen verraten und seien keine Gewerkschaften mehr. „Deswegen brauchen wir eine neue und das wird ‚Alarm‘ sein“, so Pohl. Der organisatorische Schwerpunkt von „Alarm“ sind die ostdeutschen Bundesländer. Die erste Aktivität des Verbands war eine Demonstration am 1. Mai in Erfurt. Vor etwa 1.200 Teilnehmer*innen sagte Pohl mit Bezug auf die Kundgebung der DGB-Gewerkschaften: „Wir werden den Tag der Arbeit den Händen dieser Arbeiterverräter entreißen.“

Rechte Kampagne zu den Betriebsratswahlen

Bei den Betriebsratswahlen 2018 sahen sich die Gewerkschaften des DGB einer abgestimmten rechtsradikalen Kampagne ausgesetzt. Im Bündnis mit Teilen der AfD, der Initiative „Ein Prozent“ und dem Magazin Compact trat der Verein „Zentrum Automobil“ in mehreren Betrieben mit eigenen „alternativen“ Betriebsratslisten zur Wahl der Interessenvertretungen an. Auf
einer Konferenz der extrem rechten Zeitschrift Compact in Leipzig wurden die Pläne Ende November 2017 der Öffentlichkeit vorgestellt. Anwesend waren prominente Wortführer der extremen Rechten. Neben dem Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer versammelten sich unter anderem der Pegida-Gründer Lutz Bachmann, der Anführer der „Identitären Bewegung Österreich“, Martin Sellner, Philip Stein von der rechten Initiative „Ein Prozent“ und Björn
Höcke von der AfD.

Durch die abgestimmte Kampagne sollte „Zentrum Automobil“ bundesweit etabliert werden. Bei der Betriebsratswahl versuchte der Verein nicht nur an verschiedenen Daimler-Standorten Fuß zu fassen, mit Unterstützung seiner Bündnispartner rief er zudem auch in anderen Betrieben zur Wahl rechtsradikaler Listen auf. Im Nachgang der Betriebsratswahl sprach „Zentrum Automobil“ von einem „gigantischen Erfolg“. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass der propagierte rechtsradikale Durchmarsch ausgeblieben ist.

So gelang es den Kandidat*innen der Kampagne gerade einmal, 19 von 78.000 Betriebsratsmandaten im Organisationsbereich der IG Metall für sich zu gewinnen, den die AfD-nahen Wahllisten im Visier hatten. 17 der 19 Mandate für rechtsradikale Betriebsräte entfallen auf die Automobilindustrie. Hinzu kommen zwei Mandate beim Motorsägenhersteller Stihl in Waiblingen. Dort gelang es der AfD-nahen Liste „Mut zur Veränderung“, in den Betriebsrat einzuziehen.

Trotz des mäßigen Abschneidens der rechten Listen bei den Betriebsratswahlen wäre es jedoch ein Fehler, die betrieblichen Aktivitäten von rechtsaußen zu unterschätzen. Gerade angesichts derm wachsenden Zustimmungswerte für die AfD in Teilen der Arbeitnehmer*innenschaft steht zu befürchten, dass sie ihre Versuche der betrieblichen Verankerung auch in Zukunft fortsetzt und so Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung auch im betrieblichen Kontext weiter an Bedeutung gewinnen.

Alle Informationen zur Neuauflage von Demokratie verteidigen: Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD finden Sie hier

Hier geht’s zum Download der Broschüre als PDF.

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