Zusammengestellt von den Regionalen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus Flensburg, Kiel, Itzehoe und Lübeck
Rechtsextreme Themen
Mit Beginn des diesjährigen Gaza-Israel-Konflikts äußerte sich auch in Schleswig-Holstein israelbezogener Antisemitismus. Auf einer von zwei Demos in Kiel wurde ein Gegendemonstrant, der eine Israel Fahne trug, körperlich angegriffen. Selbiges ereignete sich im Juli in Flensburg. In einigen Regionen thematisierte die rechtsextreme Szene den Konflikt auf Aufklebern und Plakaten.
Im Zuge von Unterbringungen Asylsuchender kommt es derzeit auch in Schleswig-Holstein zu rassistischen Aktionen Rechtsextremer. Unter dem Motto „Asylflut stoppen“ gab es mehrere Flyerverteilungsaktionen (Kiel-Elmschenhagen, Neumünster) sowie Infostände der NPD (Wellingdorf, Henstedt-Ulzburg, Preetz, Rickling). Die Entscheidung der Gemeinde Rickling, Asylsuchenden freien Eintritt ins Schwimmbad zu gewähren, gab Anlass zu einem längeren Hetzartikel, der auf mehreren rechtsextremen Websites geteilt wurde. Die geplante Unterbringung von Geflüchteten in einer neuen Erstaufnahmeeinrichtung in Boostedt wurde ebenfalls zur Agitation genutzt.
Auch in Schleswig-Holstein sind Gruppen und Einzelpersonen aus dem Spektrum der Reichsideologie aktiv. So haben etwa in Lauenburg zehn Personen ihre Personalausweise bei der Gemeinde mit reichsideologischen Argumentationen abgegeben. Aus dem Umfeld des 2013 verstorbenen Ludendorffers Roland Bohlinger wird versucht, ein rechtes Zentrum in Bondelum bei Viöl aufzubauen. In Uetersen trat der Reichsideologe Steffen Peter, ein ehemaliger NPD-Kandidat, erfolglos zur Bürgermeister_innenwahl an.
Montagsmahnwachen für den Frieden haben ihre Ableger auch im nördlichsten Bundesland etablieren können. Unter den Demonstrierenden fanden sich entsprechend auch rechtsoffene Personen, Anhänger_innen der Reichsideologie, Verschwörungsgläubige, Esoteriker_innen und Antiamerikanist_innen. Mahnwachen existieren unter anderem in Kiel, Lübeck, Husum, Bad Segeberg und Rendsburg.
Während die so genannten Montagsmahnwachen also durchaus auch für Personen aus dem rechten Spektrum offen waren, gelang es der rechtsextremen Szene in Schleswig-Holstein praktisch nicht, eigene Kundgebungen oder Demonstrationen zu organisieren. So fand der zwischen 2006 und 2012 jährlich durchgeführte Lübecker „Trauermarsch“ auch in diesem Jahr nicht statt. Lediglich in Neumünster brachten sich Rechtsextreme um den NPD-Ratsherren Mark Proch in eine lokale Initiative ein, die gegen einen im Ort wohnhaften verurteilten Sexualstraftäter agitierte und „Mahnwachen“ vor dessen Wohnung organisierte. Allerdings waren organisierte Neonazis durchaus auf rechtsextremen Demonstrationen außerhalb Schleswig-Holsteins anzutreffen, etwa am 1. Mai in Rostock, im August in Bad Nenndorf oder auf den so genannten HoGeSa-Demonstrationen in Köln und Hannover.
Betroffene von Rassismus und Rechtsextremismus
Ende September wurde die schleswig-holsteinische Landesgeschäftsstelle des Verbandes Deutscher Sinti und Roma in Kiel überfallen. Die drei maskierten Personen schlugen mit Baseballschlägern auf die Büroeinrichtung ein. Als der Vorsitzende Matthäus Weiß den Raum betrat, flüchteten die Angreifer.
Für Aufsehen sorgte auch eine Serie von Brandanschlägen auf Autos in Rellingen im Kreis Pinneberg im Juli und August. Der mutmaßliche Täter bekannte sich auf Facebook unter dem Pseudonym „Felix Steiner“, einem ehemaligen SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS.
Mitte August wurde der Eingangsbereich der Möllner Moschee von Unbekannten mit einem Gemisch aus Fäkalien, Farbe, Schweinefleischresten verunreinigt. Darüber hinaus wurde eine Gedenkplatte für Nassreddin Hoca vor der Bibliothek beschmutzt.
Ebenfalls im August wurde ein Geflüchteter im Kreis Steinburg von Unbekannten mit einem Holz- oder Metallgegenstand attackiert. In Halstenbek kündigte ein Unternehmer vier Mitarbeitern, nachdem sich herausgestellt hatte, dass diese bekennende Neonazis waren.
Parteien und Europawahl 2014
In Schleswig-Holstein fanden im Jahr 2014 jenseits der europäischen Ebene keine Wahlen statt. Die Ergebnisse der Europawahlen zeigen, dass rechtsextremen oder rechtspopulistischen Parteien in Schleswig-Holstein im Jahr 2014 keine herausragende Rolle zukommt.
Obwohl die schleswig-holsteinische AfD im Bundesvergleich eine eher untergeordnete Rolle spielt, tat sich der nunmehr ehemalige Kreissprecher Dirk Helms aus Stormarn als bisher prominentester Fall von Holocaustleugnung innerhalb der Partei hervor . Auf einer Informationsveranstaltung im ostholsteinischen Stockelsdorf zum Thema „Deutsche Selbstwahrnehmung“ hatte Helms Mitte Oktober unter anderem behauptet, die Alliierten hätten die Gaskammern des KZ Dachau nachträglich installiert. Die Bundespartei distanzierte sich von Helms, der zunächst sein Amt niederlegte und schließlich aus der Partei austrat. Es liegen Strafanzeigen gegen Helms vor.
Im Juli wurde die „Nationale Hilfe Schleswig-Holstein e. V.“ als Verein gegründet, nachdem seit 2009 Pläne für eine „Braune Hilfe“ in Schleswig-Holsteiner NPD-Kreisen geschmiedet wurden. Vorsitzender ist das NPD-Mitglied Daniel Nordhorn. Am 8. November führte der Verein seine erste Veranstaltung, eine Schulung der Rechtsanwältin Gisa Pahl, laut Blick nach Rechts eine der wichtigsten Rechtsextremen in Deutschland, durch.
Weiterhin bestehen Kontakte und ein Austausch zwischen der NPD und dänischen Neonazis, wie beispielsweise beim Jahreskongress der rechtsextremen „Partei der Dänen“ (DP).
„Freie“
Nach langjährigen massiven Protesten der örtlichen Zivilgesellschaft wurde der berüchtigte Club 88 im April 2014 von der Stadt geschlossen, nachdem die Betreiberin im Januar von ihrem Mietvertrag zurückgetreten war. Neonazis wurden schon vor der Schließung vermehrt in der Kneipe „Titanic“ gesichtet. Seit Ende November dient die Kneipe als Treffpunkt für neu gegründete Wählerinitiative „Bund für Deutschland“ (BFD).
Zu Beginn des Jahres gründete sich die Gruppe „Freie aktivisten [sic] Nordfriesland“. Zunächst traten diese in Verbindung mit der AG Nordheide auf, deren Wege sich mit einem Spitzelvorwurf wieder trennten. Sie brüsteten sich mit diversen Flyerverteilungen für den Erhalt des Finanzamtes in Leck. Ebenso unterstützten sie den Wahlkampf der NPD für die im Mai stattgefundenen Europawahlen.
Nach wie vor aktiv zeigte sich auch die Gruppierung „Jugend für Pinneberg“. Wie auch schon im letzte Jahr bildeten „Exkursionen“ den Schwerpunkt der Aktivitäten dieser erlebnisorientierten Kameradschaft.
Sogenannte „Bruderschaften“, die sich stilistisch und organisatorisch an Motorradrockern orientieren, sind eine neuere Organisationsform von Neonazis. Der selbsternannte „President“ der rechtsextremen „Bruderschaft“ Brigade 8, Christian M., gründete im Frühjahr diesen Jahres den Versandhandel „Kamikaze Gangwear 187“ mit Sitz in Schleswig.
Auf den Schleswiger Wikingertagen zeigte sich zum ersten Mal die neu gegründete, in Bremen und Schleswig-Holstein aktive, Bruderschaft „Nordic 12„. Die Gruppe hat starke Verbindungen und personelle Überschneidungen zu der Rechtsrockband „Legion Germania“.
Erwartungen für 2015
Wie in anderen Bundesländern auch, werden Rechtsextreme weiterhin versuchen das Thema Asyl zur Mobilisierung von Ressentiments der Bevölkerung zu nutzen. Darüber hinaus wird der allgemeine Trend zur Bildung einer Querfront für den Weltfrieden in Verbindung mit dem Begehren nach einfachen Welterklärungen und Schuldzuweisungen wohl auch in Schleswig-Holstein Triebkraft rechtsextremer und rechtspopulistischer Phänomene des Jahres 2015 bleiben.
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