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„Der Kern liegt in den Umständen der Wende“

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Die Fragen stellte Valentina Huthmacher.

Was sind Ihrer Erkenntnis nach die Ursachen von Rechtsextremismus?

Der Kern liegt in den Umständen der Wende, die eine enorme Verstärkung der Rechtsextremen mit sich gebracht haben. Zu dieser Zeit gab es im Westen ideologisch versprengte Kader, teilweise noch aus der NS-Zeit, die die NPD zu langweilig fanden. Hier ist zum Beispiel ein Michael Kühnen zu nennen. Im Osten gab es ?Faschos?, die über die allgemeine politische Situation wütend waren.
1990 fand auch David Irvings Vortragsreihe in der noch bestehenden DDR statt, deren ?Höhepunkt? sein Auftritt in Dresden war, bei dem er die alliierten Luftangriffe auf Dresden als Völkermord darstellte. Dies beflügelte natürlich die Rechtsextremen.

Diese Gruppen aus den beiden deutschen Teilen haben sich dann nach der Wende verbündet, was zu einer ideologischen Radikalisierung und einer größeren Verbreitung der Bewegung geführt hat. Dies wurde durch das Vakuum im Übergang auf allen Ebenen, nicht nur der politischen, gefördert.
Die Szenen konnten sich insbesondere im Osten in einem ungeheuren Maß ausdehnen, im Westen wurden sie gestärkt. Es entstanden immer mehr Szenen, bald gab es eine äußerst gewaltbereite Subkultur, deren Angehörige mittlerweile über 140 Todesopfer, über 15.000 Gewaltstraftaten und über 100.000 sonstige Straftaten zu verschulden haben.
Der heutige Rechtsextremismus in Deutschland ist auf diese historisch-soziologischen Gründe zurückzuführen.

Was denken Sie, warum denken und/oder handeln manche Menschen rechtsextrem?

Ich möchte dies mit einem Beispiel illustrieren: 1999 hatte eine rechtsextreme Skinhead-Gang aus Guben einen Algerier getötet. Ich konnte sie während des anschließenden Gerichtsprozesses beobachten und stellte fest, dass sie frustrierte, beschädigte Individuen waren, die Aggressionen im Elternhaus ausgesetzt waren.
Häufig spielt ein unzureichender Umgang mit sozialen Problemen eine Rolle. Jugendliche finden sich in einer frustrierenden Situation wieder, haben einen Wutstau. Sie bekommen weder in der Familie noch von der Gesellschaft Halt angeboten. Individuell sind sie schwach, fühlen sich in der Gruppe jedoch stark. Diese Stärke bieten rechtsextreme Gruppen, also schließen sie sich ihnen an. Bestärkt wird dies, wenn es keine Öffentlichkeit gibt, die Rechtsextremismus kritisiert.

Prof. Dr. Hajo Funke hat den Lehrstuhl für Politik and Kultur am Institut für Politische Wissenschaften der Freien Universität Berlin. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.

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