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Der Verfassungsschutz als Dienstleister – auf der Suche nach dem Kundendienst

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BfV-Dienstgebäude in Köln (Quelle: Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV))

Ältere Männer in dunklen Anzügen: Wenn man das Publikum des 10. Symposiums des Bundesverfassungsschutzes als repräsentativ für die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden sehen will, dann wirken diese auffallend homogen. Die etwa 200 Teilnehmer (und wenige Teilnehmerinnen) sind am 23. April nach Berlin gekommen, um sich verschiedene Fachvorträge zum Thema „Wechselwirkungen in Extremismus und Terrorismus“ anzuhören. Da das Symposium nicht einmal zwei Wochen vor Beginn des NSU-Prozesses in München stattfindet, erscheint es nicht ganz abwegig, dass ein Schwerpunkt des Tages bei den Gefahren des Rechtsterrorismus liegt. Falsch gedacht. Der NSU, seine Taten, vor allem aber die Frage, wie so etwas passieren konnte – all das spielt bei der Fachtagung so gut wie keine Rolle. Wenn überhaupt, verkommt der Nationalsozialistische Untergrund zur Randbemerkung. Da verwundert dann auch das Statement in der Eröffnungsrede von BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen nicht mehr so sehr: „Auch, wenn es auf den ersten Blick nicht so scheinen mag: Das Thema unseres heutigen Symposiums ist auch geprägt von den Erfahrungen, die wir im Zusammenhang mit der Mordserie der Rechtsterroristen gemacht haben.“

Auf den NSU verweist Maaßen sonst nur verklausuliert: So müsse verhindert werden, sich auf Altbekanntes zu verlassen und Naheliegendes außer Acht zu lassen. „Lebenssachverhalte sind komplex und können abgeschlossen wirken, obwohl sie es nicht sind“, so Maaßen weiter. Kein Wort zu den schweren Versäumnissen des Verfassungsschutzes und anderer Sicherheitsbehörden. Stattdessen formuliert er als Selbstverständnis, der Verfassungsschutz sei ein Dienstleister für die Demokratie, der nicht für sich selbst arbeite, sondern für seine Kunden, zu denen nicht zuletzt auch die Öffentlichkeit gehöre. Angesichts der vielen Fehler, die im Rahmen der NSU-Aufarbeitung ans Tageslicht gekommen sind, ist man an dieser Stelle versucht, nach dem Kundendienst zu rufen. Stattdessen folgt eine Einführung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Dieser plädiert dafür die „Wechselwirkungen zwischen den  unterschiedlichen Phänomenen des Extremismus in den Fokus zu nehmen“. Dabei sieht Friedrich vor allem eine Gefahr durch Kleinstgruppen und Einzeltäter.

„Hervorragende Arbeit“

Auch für Friedrich spielen die Versäumnisse des Verfassungsschutzes und der anderen Sicherheitsbehörden im Fall des NSU kaum eine Rolle: Sicher seien Fehler gemacht worden, insgesamt aber hätten die Institutionen „hervorragende Arbeit“ geleistet. Auch am V-Mann-System solle nicht gezweifelt werden, schließlich gebe es hier nun ein Qualitätsmanagement. Sofort kommt der Innenminister dann zu den islamistischen Hasspredigern, die schneller aus dem Land geworfen werden sollten und auf das aktuelle Lieblingsthema Videoüberwachung mit Blick auf die Anschläge in Boston. Schon vor dem Symposium hatte Friedrich mehr Videoüberwachung in Deutschland gefordert – woraufhin Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, in einem Interview zu mehr Besonnenheit aufrief. Friedrich greift nun bei der Fachtagung Voßkuhle direkt an, ohne ihn namentlich zu nennen: „Wenn Verfassungsrichter Politik machen wollen, mögen sie bitte für den Deutschen Bundestag kandidieren“, so der CSU-Politiker. Voßkuhles Aufruf zu mehr Besonnenheit sei „unangemessen“, zudem fände er es „freundlich, wenn sich auch Verfassungsrichter an die Verfassung halten“. Dazu zähle auch, dass sie sich aus der Tagespolitik heraushielten. Friedrich weiter: „Ich hoffe, dass die Botschaften ankommen und begriffen werden.“

Auf die Nachfrage von SPD-Politiker Michael Hartmann aus dem Publikum, wann denn Videoaufaufnahmen schon mal einen Terroranschlag verhindert hätten, antwortet Friedrich: „Die Aufzeichnungen haben zwar nicht den ersten Anschlag verhindert, aber möglicherweise den zweiten oder dritten.“

Diffuse Momente

An der Stelle wird Friedrich emotional – es ist ein seltener Augenblick in einer ansonsten merkwürdig sterilen Veranstaltung, bei der immer wieder betont wird, wie stark sich Rechts- und Linksextremismus bedingen. So erklärt etwa Jörg Ziercke, Chef des Bundeskriminalamtes, es gebe eine Korrelation zwischen den politisch motivierten Straftaten von rechts und denen von links. „Der diffuse Hass auf den politischen Gegner dient als Antrieb für Gewalt“, so Ziercke. Gerade für die linksextreme Szene sei die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ein identitätsstiftendes Moment.

Ziercke warnt in der Folge, dass es im Vorfeld der Bundestagswahl am 22. September zu einer Zunahme „extremistischer Gewalt“ kommen könne: „Anzahl und Intensität der zu erwartenden Straftaten werden maßgeblich von der Agitation rechter Parteien abhängen.“ Vor allem könnten sich auch Salafisten durch Aktionen der rechtsextremen Partei Pro NRW provoziert fühlen.

Verfassungsschutz offline

Eine wirkliche inhaltliche Ergänzung bietet an diesem Punkt der Vortrag von Prof. Dr. Peter Neumann, Direktor des „International Centre for the Study of Radicalisation“ in London. Er kritisiert die Theorie der Einzeltäter – oder „Einsamen Wölfe“, wie sie immer wieder genannt werden – und führt aus, dass die meisten dann doch ein Umfeld zumindest im Internet haben. Terrorismus entstehe eben nicht im Vakuum, sondern in einem extremistischen Umfeld, daher dürfe die Vernetzung, und das auch in der Online-Welt, nicht unterschätzt werden.

Überhaupt wird an diesem Tag immer wieder die Bedeutung des Internets für Radikalisierungsprozesse betont – sei es nun von den Journalisten Ahmet Senyurt oder Toralf Staud, die sehr hörenswert über Salafismus und Rechtsextremismus referieren, oder vom Bundesverfassungsschutz selbst in Form von Dinchen Franziska Büddefeld, Abteilungsleiterin Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus. Umso erstaunlicher ist die Aussage von Dr. Alexander Eisvogel, Vizepräsident des Verfassungsschutzes, im abschließenden Pressegespräch: Nein, nicht jeder Sachbearbeiter der Behörde habe einen Internetanschluss, erklärt er. Auf die ungläubige Nachfrage des Moderators sagt Eisvogel, das liege zum einen an Kostengründen, zum anderen werde deutlich, dass ein Umdenken stattfinden müsse – damit hat er allerdings Recht.

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