Gute Nachrichten: um die NPD steht es momentan nicht gut. Sie leidet unter internen Querelen und Finanznot, denn seit ihrem 0,4 Prozent Ergebnis bei der letzten Bundestagswahl ist sie von der staatlichen Teilfinanzierung ausgeschlossen. In letzter Zeit gelang es der rechtsextremen Partei nur an wenigen Orten Einfluss zu gewinnen, so beispielsweise in lokalen Anti-Flüchtlingsinitiativen oder in einigen Pegida-Gruppen.
Während des Verbotsverfahrens gegen die NPD seit 2012 setzte sich der „gemäßigtere“ Parteiflügel mit seinem parlamentarischen Weg durch. Die Führungsfiguren innerhalb der Partei versuchten, sich mit allzu scharfen Tönen zurück zu halten, auch um den Karlsruher Richtern nicht noch mehr Grund für ein Verbot zu liefern.
Schließlich war es der desolate Zustand der NPD, der ein Verbot verhinderte. Ihre Ziele sind allerdings verfassungswidrig, das betonte das Gericht in seinem Urteil im Januar 2017. Die aktuelle NPD-Spitze um den stets adrett gekleideten Anzugträger Frank Franz führte seither den parlamentarischen Kurs fort, der innerhalb der rechtsextremen Szene allerdings sehr umstritten ist.
Mit der AfD sind rechtsaußen-Positionen in die Talkshows eingezogen
Der „gemäßigte“ NPD-Weg wurde durch die populistische Variante einer Rechtsaußen-Partei, derAfD, jedoch obsolet. In Scharen liefen die Wähler_innen der NPD zur AfD über. Unbelastet von einer Alt-Nazi-Vergangenheit ist die AfD für weite Teile der Gesellschaft wählbarer und kann so rassistische Vorurteile erfolgreich aufgreifen, verbreiten und mittlerweile sogar in die Parlamente tragen. Die AfD hat erreicht, was die NPD jahrzehntelang vergeblich versucht hatte: Die Enttabuisierung von Rechtsaußen-Positionen.
Thorsten Heise will die NPD mit dem „Völkischen Flügel“ neu ausrichten
Doch auch heute noch gibt es in Deutschland Menschen, denen die radikalen Positionen der AfD zu lasch sind und denen in guter nationalsozialistischer Manier der offene Antisemitismus in den Parteipositionen der Rechtspopulist_innen fehlt. Auf diese radikalen Kräfte hat es nun der „Völkische Flügel“ innerhalb der NPD abgesehen. Der von NPD-Vize Thorsten Heise initiierte „Völkische Flügel“ versteht sich laut seiner Proklamation „als nationalistisch und völkisch orientiertes Bündnis innerhalb der NPD“. Dabei will man sich öffnen und nicht mehr in den starren Parteistrukturen stecken, daher ist „auch eine parteiübergreifende Zusammenarbeit mit anderen, gleichgesinnten Organisationen und Personen“ angedacht.
Die NPD will somit auch wieder attraktiver für Mitglieder militanter Neonazi-Kameradschaften werden, die sich in den vergangenen Jahren von der NPD abgewandt haben und sich zum Teil in den neu gegründeten Kleinstparteien „Der III. Weg“ (gegründet: 2013) und „Die Rechte“ (2012) wieder fanden. Durch den „Völkischen Flügel“ könnten diese Splittergruppen ihren militanten Nenner wieder in der NPD finden. Diese Neuausrichtung kann als Angebot für einen Reformprozess der Nationaldemokraten gewertet werden.
„Völkische Flügel“: Weniger Partei, mehr Bewegung
Laut der eigenen Proklamation, soll der „Völkische Flügel“ dazu beitragen, die „NPD zu einer wirklichen Weltanschauungsorganisation und Bewegung zu machen, anstatt sie weiter als erfolglose Wahlpartei systemaffiner Politikjongleure zu überlassen.“ Damit erteilt NPD-Vize Thorsten Heise und die weiteren Mitunterzeichner dem parlamentarischen Weg der NPD eine Absage. Sie wollen ihr Primat wieder auf die Straße zurück verlegen. Unter den Erstunterzeichnern sind neben einigen Landesvorsitzenden unter anderem auch die Bundesvorsitzende des „Rings Nationaler Frauen“ (RNF) Antje Mentzel, aber auch Szene-Größen wie Frank Kraemer, Gründungsmitglied der Rechtsrock-Band „Stahlgewitter“. Auffällig ist, dass sich in der Liste der Erstunterzeichner kein Mitglied aus Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern findet und auch den Namen des Bundesvorsitzenden Frank Franz sucht man vergebens.
„Der Völkischer Flügel“ in der NPD und „Der Flügel“ in der AfD
Interessant sind bei der Namensgebung auch die Parallelen zur völkisch-nationalistischen Gruppierung „Der Flügel“ innerhalb der AfD. Damit entwarfen völkische AfDler wie Björn Höcke und Andre Poggenburg 2015 einen Gegenentwurf zur „liberalen“-Linie des damaligen Parteichefs Bernd Lucke. Doch die Parallelen enden nicht bereits bei der Ähnlichkeit des Namens – auch bei den AfD-Rechtsaußen startete die Initiierung per Proklamation mit der „Erfurter Resolution“.
Neonazi-Festival „Schild & Schwert“ dient der Vernetzung
Vor dem Hintergrund einer angestrebten Neuausrichtung der NPD kommt auch dem von Heise initiierten Neonazi-Festival „Schild & Schwert“ im sächsischen Ostritz eine besondere Bedeutung zu. Das zweitägige Rechtsrock-Event steht unter dem Motto “Reconquista Europa” und findet wohl kaum zufällig an Hitlers Geburtstag am 20. April statt. Es ist offenbar Teil der NPD-Rebellion. Für die rechtsextreme Szene sind Rechtsrock-Konzerte der ideale Ort, um sich zu vernetzen. So war beispielsweise auf dem großen Neonazi-Konzert in Themar vergangenes Jahr zu beobachten, wie hier Kameradschaften, Bruderschaften, verurteilte Neonazis, NSU-Vertraute, Comat 18-Mitglieder (bewaffneter Arm von „Blood and Honour“) und auch das paramilitärische Neonazi-Bataillon „Asow“ dafür warben, sich ihnen anzuschließen. Durch die angestrebte Neuausrichtung könnte die NPD ihnen allen als Sammelbecken dienen.
Die NPD-Rebellen werden auch auf dem „Schild & Schwert“-Festival für ihre Positionen werben. Auf einem Hotelgelände in Ostritz unmittelbar an der polnischen Grenze sind Heise und weitere Erstunterzeichner der „Proklamation“ als Redner angekündigt. Auch der Europa-Abgeordnete und NPD-Urgestein Udo Voigt sowie Vertreter der Partei „Die Rechte“ werden in einer sogenannten „Straße der Bewegung“ auf dem Festivalgelände sprechen. Neben den politischen Beiträgen sind rechtsextreme Kampfsportler vom “Kampf der Nibelungen” und Neonazi-Bands aus dem Umfeld des in Deutschland verbotenen “Blood and Honour”-Netzwerks (B&H) angekündigt. B&H spiele bei der Unterstützung des mordenden NSU eine entscheidende Rolle. Mittlerweile rührt das verbotene Netzwerk europaweit die Werbetrommel für das vom “Völkischen Flügel” innerhalb der NPD organisierte Event.