„Diese Kampagne ist darauf angelegt, Verwirrung, Panik und Angst zu verschärfen“, steht in einem Papier der Abteilung für Strategische Kommunikation des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), über das der Tagesspiegel zuerst berichtet hatte. Laut dem Dienst handele es sich um eine „signifikante Desinformationskampagne“, die von Russland ausgehe und deren Ziel es sei, die Krise in den westlichen Ländern zu verschlimmern. Insbesondere soll es darum gehen, das Vertrauen in die Gesundheitssysteme zu untergraben. Die russische Regierung wies alle Vorwürfe zurück.
Bereits zur Zeiten der Ukraine-Krise und dann zur Zeit der Flüchtlingsbewegung 2015 wurde immer wieder über russische Desinformationsbemühungen spekuliert. 2015 beispielweise berichteten die russischen Staatsmedien über ein angeblich außer Kontrolle geratenes Europa, der Grund dafür: Geflüchtete. Der Europäische Auswärtige Dienst gründete im gleichen Jahr die „East StratCom Task Force“. Seit dem 22. Januar hat diese Task Force mittlerweile 80 Fälle von Desinformation zu Corona in russischen Staatsmedien dokumentiert.
In spanischer Sprache berichtete beispielsweise das russische Format News Front darüber, dass Covid-19 Teil eines hybriden Krieges zwischen China und den USA sei. Sputnik berichtet ebenfalls auf spanisch darüber, dass das Virus eine womöglich in den USA entwickelte Bio-Waffe sei. Der Radiosender VestiFM verbreitet in Russland, dass es in Deutschland einen bedrohlichen Ärztemangel gebe. Auf der Website von Kauno Diena, einer litauischen Zeitung, erschien Ende Januar eine Meldung, dass ein im Land stationierter amerikanischer Soldat sich mit dem Virus infiziert habe. Eine Falschnachricht, die auf anderen Websiten in anderen Sprachen weiterverbreitet wurde. Kauno Diena gibt später an, dass der Text durch einen Hackerangriff auf der Website platziert worden sei. Mehrere russische Medien behaupteten, dass das – mittlerweile praktisch eingestellte – Nato-Manöver „Defender 2020“, dazu genutzt würde, Covid-19 in die baltischen Staaten einzuschleppen.
Die Idee dahinter ist immer dieselbe: russische Staatsmedien versuchen, Europa, die USA und den Rest der westlichen Welt in einem möglichst schlechten Licht dastehen zu lassen, während das eigene Land positiv dargestellt werden soll. Das Ziel ist Verunsicherung beim im Westen lebenden Publikum. Aktuell passiert das anhand der Corona-Krise. Westliche Bemühungen die Pandemie einzudämmen, die Gesundheitssysteme, Forschung und Wissenschaft sollen diskreditiert werden.
Innenministerium, Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt haben deswegen auch den deutschsprachigen russischen Propagandasender RT-Deutsch im Visier. Auf dem Sender werden die Maßnahmen der Bundesregierung als „Panikmache“ kritisiert und einen Versuch „mehr Kontrolle über die Gesellschaft“ zu erlangen. Eine Sendung des RT-Deutsch-Formats „Der fehlende Part“ trägt den Titel „Die Epidemie die nie da war“ – auf YouTube wurde der Beitrag bereits fast 750.000 mal angeschaut – , an anderer Stelle wird offenbar sogar Händewaschen als sinnvoller Schutz gegen Ansteckungen angezweifelt. Bild hatte zuerst über die Bemühungen der Behörden berichtet und dabei zunächst über eine „Beobachtung“ durch den Verfassungsschutz gesprochen. Soweit ist es offenbar allerdings noch nicht. Die Behörde gibt aber an, dass „das von Russland in Deutschland in deutscher Sprache betriebene Internetfernsehen ‚RT Deutsch‘“ ihr „bekannt“ sei. Es würde fortlaufend geprüft, inwieweit die Corona-Krise instrumentalisiert werde.
Ein Sprecher des EAD fasst zusammen, was während und auch nach der Coronakrise für alle gelten sollte: „Schauen Sie auf die Quellen. Informieren Sie sich in Quellen, denen Sie vertrauen. Seien Sie vorsichtig!“