Dieser Text ist im Rahmen des Projekts GTTO (Get The Trolls Out) erschienen.
Eindeutig, wer der Feind des “Anti-Spiegel.ru” ist: Die Wochenzeitung Der Spiegel, die hier aber für etwas Größeres stehen soll. Nämlich für die “etablierten Mainstream-Medien” und die “Lügenpresse”. Deren journalistische, auf Fakten und Recherche basierende Arbeit betitelt der “Anti-Spiegel”-Chefredakteur Thomas Röper als „primitiv“. Der Wochenzeitung aus Hamburg wirft er konkret vor, sich von einem „Sturmgeschütz der Demokratie” zu einem „Sturmgeschütz der NATO” entwickelt zu haben. Er verachtet pro-westliche und negative Berichterstattung über Russland. Der „Anti-Spiegel” versteht sich als Gegenstück dazu, möchte Sachverhalte “richtigstellen” und die Reputation des Kremls retten. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hat Röper sogar ein Buch gewidmet.
Seit 2018 betreibt Röper den News-Blog. Eigenen Angaben nach lebt er seit über 20 Jahren in Sankt Petersburg und spricht fließend Russisch. Täglich erscheinen auf der Webseite Meldungen zum Weltgeschehen. Dabei greift er gezielt auf Propaganda des russischen Staates zurück und verbreitet Falschbehauptungen. Neben dem Telegram-Kanal mit rund 71.000 Abonennt:innen, betreibt er auch einen Youtube-Channel. Dort folgen ihm fast 90.000 Menschen.
Seine Loyalität gegenüber dem Kreml zeigt sich u.a. in seinen Berichten über Butscha, einem Vorort von Kijiw. Mehrere Artikel beim „Anti-Spiegel” suggerieren, in Butscha hätte es kein Massaker an ukrainischen Zivilist:innen durch die russische Armee gegeben. Laut Röper hätten stattdessen ukrainische Soldat:innen dort sowohl unschuldige Ukrainer:innen als auch russische Soldat:innen umgebracht und Kriegsverbrechen nur inszeniert. Das Portal Correctiv hat bereits mehrere Behauptungen vom „Anti-Spiegel” zu Butscha überprüft und als falsch eingestuft. Laut Einschätzungen der Organisation Human Rights Watch und journalistischen Nachforschungen gibt es allerdings eindeutige Beweise, dass russische Kräfte in mehreren Fällen Kriegsverbrechen begangen haben.
Anfang März war Röper selbst als Reporter im Süden der Ukraine, in der Stadt Melitopol. In einem Video ist er vor einem russischen Panzer mit dem, in einigen Bundesländern verbotenen, „Z”-Symbol zu sehen. Röper hätte einen Anruf bekommen, ob er Lust habe, mit anderen Journalist:innen in die Ukraine zu fahren. Kurz danach hat er sich mit internationalen Medienschaffenden und Organisator:innen in Moskau getroffen, von wo aus die Reise in die Ukraine startete. Wer ihn angerufen hatte, sagt er in dem Video leider nicht. Er hat auf dem ganzen Weg lediglich kleinere Schäden an Gebäuden und in Städten gesehen, laut ihm “geht nur da was kaputt, wo eine Stadt meint, sie muss Widerstand leisten” und macht das ukrainische Militär für Zerstörung verantwortlich. Die Stimmung bei den russischen Streitkräften war gut, mit Soldaten witzelte er Witze und die Bewohner:innen in der Ukraine seien erleichtert, dass Russland sie nun endlich rettete. Zu anderen pro-putinschen „Journalist:innen” wie Alina Lipp, die auch in Kriegsgebiete reisten, hält er Kontakt.
Die meisten Entwicklungen im Krieg nimmt Röper, verdreht sie und lässt Russland als Opfer aussehen. Dabei stört es den Autor wenig, Dinge erfinden zu müssen, um seine Behauptungen zu untermauern. Das wird an einer Behauptung deutlich, die ebenfalls vom Correctiv bei einem Faktencheck als frei erfunden eingeschätzt wurde. In einem Artikel von Röper heißt es, der Präsident Polens Andrzej Duda hätte über eine Annektierung der West-Ukraine gesprochen, die Überschrift dazu lautet: “Polen will die Ukraine schlucken.” Bereits Ende April hätte der russische Geheimdienstchef auf die Pläne Polens hingewiesen, ehemalige polnische Hoheitsgebiete in der Ukraine wieder an sich zu nehmen. Als Beweis dafür dient Röper eine Rede von Duda, in der er davon spricht, historische Konflikte beiseite legen und stattdessen gemeinsam mit der Ukraine in eine starke Zukunft blicken zu wollen. Grund genug aber für den „Anti-Spiegel”-Chefredakteur, mit einer Annektierung zu rechnen und deutschen Medien Verheimlichung dessen vorzuwerfen: „Faszinierend dabei ist, dass die deutschen Medien diese Ereignisse komplett verschweigen.”
Verschwörungsmythen
Aber nicht nur in der Kriegsberichterstattung wittert der „Anti-Spiegel” verschleiernde Medien Immer wieder liest man auch vom „Great Reset”: Mächtige Politiker:innen und einflussreiche Organisationen sollen an einem weltweiten Neustart arbeiten, um ihre eigenen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Ziele durchsetzen zu können. Als Schuldige werden meist das Weltwirtschaftsforum, Klaus Schwab und George Soros benannt. Schon länger taucht der Milliardär und Gründer der Open Society Foundation ungarisch-jüdischer Herkunft George Soros in Verschwörungserzählungen wie dem „Great Reset” oder der „New World Order” (NWO) auf. Der „Anti-Spiegel” bedient sich an antisemitischen Chiffren und Codes, wie sie auch bei anderen alternativen Medien zu finden sind.
In seinem Buch „Inside Corona” möchte Röper aufzeigen, welche Kräfte die Pandemie planten und wie sie bereits 2016 eine „aktive Vorbereitungsphase” einleiteten. In einem Beitrag verweist er auf eine russische Analyse, die Zusammenhänge zwischen der „grünen Politik” und der Pandemie hergestellt haben soll. Auch das ist bekannt aus dem „Great Reset”: Eliten arbeiten an einer „Öko-Diktatur”. Auf dem Youtube-Kanal erscheinen wöchentlich neue Inhalte, darunter auch die Reihe „Tacheles”. Hier ordnen Robert Stein und Thomas Röper in mehrstündigen Gesprächen die neuesten Geschehnisse in der Welt ein. Beide sind regelmäßige Moderatoren bei „NuoFlix” (früher „NuoVIso.TV”; ein Videoportal, das als Bühne für rechts-esoterische und verschwörungsideologische Akteur:innen dient) zu sehen. Und auch bei „apolut”, dem Nachfolger von KenFM, ist Röper immer wieder Gast.
Schon vor der Invasion Russlands in die Ukraine ging es beim „Anti-Spiegel” vor allem um die Beziehungen zwischen dem Westen und Russland, um die NATO. Zwar fokussiert sich Röper auf Länder wie Russland, Belarus, Ukraine und die Republik Moldau. Jedoch schafft er es durch seine Kontakte in verschwörungsideologische Kreise in Deutschland, pro-russische Narrative auf Deutsch zu verbreiten und spielt damit in die Karten des Kremls.