Von Joschka Fröschner
Für die Ausgabe des WM-Planers von 2006 wurde die NPD bereits verklagt, weil der Flyer auf rassistische Art und Weise Bezug auf den damaligen Nationalspieler Patrick Owomoyela nahm. Unter einem Trikot mit der Nummer des Schwarzen Deutschen Spielers stand: „Weiß – Nicht nur eine Trikot-Farbe! Für eine echte NATIONALMannschaft.“ Auf derart hetzerische Aussagen wird dieses Jahr anscheinend verzichtet. Immerhin wird die deutsche Nationalhymne abgedruckt – natürlich mit allen drei Strophen des Deutschlandliedes. Vielleicht hat man bei der Nazi-Partei Angst, dass bei ihren AnhängerInnen die Textkenntnis zum Mitsingen der Hymne fehlen könnte. Das Echo auf den WM-Planer fiel allerdings gespalten aus. Offensichtlich haben viele Nazis ein großes Problem damit, dass die deutsche Nationalelf die multikulturelle Normalität Deutschlands wiederspiegelt:
Die rechtskonservative Zeitung „Junge Freiheit“, die am Donnerstag mit „Wir fiebern für Deutschland“ titelte, bekam ähnliche Rückmeldungen auf ihren Leitartikel:
Es gibt aber auch andere Stimmen – hier komplett mit dem Sinnspruch der Wehrmacht als dem Fazit zur WM:
Auf der Facebook-Seite der AfD, die für die WM ein eigenes T-Shirt kreiert hat, tut sich der ein oder andere mit „Multikulti“ ebenfalls schwer:
Die Auslassungen der KommentatorInnen offenbaren insbesondere den problematischen Kern der „Hymnendebatte“, die Bundesinnenminister Thomas de Maiziére erst kürzlich wieder neu belebte: Die deutschen Nationalspieler sollten alle die deutsche Nationalhymne mitsingen, erklärte der CDU-Politiker. Das machen einige der Spieler, wie etwa Jerome Boateng, Mesut Özil oder Lukas Podolski, aus unterschiedlichen Gründen bekanntlich nicht. Daraus wird bei vielen KommentatorInnen ein Pauschalurteil über sämtliche nicht weiße Deutsche und Deutsche mit Migrationshintergrund abgeleitet. Diese seien per se nicht loyal gegenüber der Nation – was auch immer das heißen mag. So wird aus dem deutschen Nationalspieler Mesut Özil ganz schnell wieder Özil, der Türke:
Aus dieser angeblichen Integrationsverweigerung wird dann eine Forderung „zur Bekenntnis zu Deutschland aller Migranten“ hergeleitet. Schließlich hätten Nationalspieler mit Migrationshintergrund Deutschland viel zu verdanken. Wieso ein Sami Khedira Deutschland mehr (oder überhaupt) Dank schuldig ist als beispielsweise ein Manuel Neuer, bleibt selbstverständlich im Dunkeln:
Interessant ist auch, dass sich chauvinistische Diskurse zur EU-Wirtschaftskrise, in denen die Bewohner*innen südeuropäischer Staaten als raffgierig diffamiert werden, auch in den Kommentaren zur Fußball-WM wiederfinden – hier auf die Spieler Spaniens übertragen. Es lässt sich also festhalten, dass der deutsch-nationalistische WM-Taumel mit der Abwertung anderer Nationen einhergeht:
Die hier dokumentierten Kommentare dürften einen Vorgeschmack bieten auf das, was noch während der WM kommen mag. Wenn die deutsche Nationalelf dann tatsächlich Erfolge feiert oder etwa gegen Ghana unterliegt. Die Ereignisse während vergangener WM-Endrundenturniere bieten Anlass zur Sorge. Denn erfahrungsgemäß bleibt es bei deutschen Niederlagen nicht nur bei der verbalen Abwertung vermeintlicher Gegner im Netz.
Dieser Text erschien zuerst auf www.fussball-gegen-nazis.de