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Dialog mit Anti-Demokraten „Warum reden sie mit Rechten, Herr Augstein?“

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Glaubt an den unbefangenen Austausch von Argumenten - auch mit der „neuen“ Rechten: Medienprofi Jakob Augstein. (Quelle: Ulrike Blitzner/picture alliance/rtn - radio tele nord)

Zwei Monate nach der Podiumsdiskussion zwischen Jakob Augstein, Herausgeber der linken Wochenzeitung Freitag, und Karlheinz Weißmann, Junge Freiheit-Autor und Vor(zeige)denker der sogenannten „neuen“ Rechten, legt Augstein nochmal nach. Das Medienecho nach dem Gespräch auf Schloss Ettersburg bei Weimar – für den 5. Mai angekündigt unter dem vielsagenden Einerseits-Andererseits-Titel „Neue Linke. Neue Rechte. Wohin treibt die Bundesrepublik?“ – war zunächst bescheiden ausgefallen. Nach den Debatten um die Verrohung des gesellschaftlichen Klimas, in dem Walter Lübcke ermordet und danach von Pegida-Anhängern verunglimpft wurde, und den folgenden „Hart aber fair“-Auftritt des AfD-Scharfmachers Uwe Junge bittet der Tagesspiegel Augstein allerdings noch einmal zum Gespräch und stellt dabei gleich die zentrale Frage: „Warum reden Sie mit Rechten?”

Augstein wehrt sich gegen die „Dramatik“ der Einstiegsfrage: „Ich bin Journalist, es ist mein Beruf, mit allen möglichen Leuten zu sprechen.“ Beim Dialog mit Rechten, wie er ihm vorschwebt, komme es vor allem auf das „Setting“ an. Er führt aus: „Ich will mit Rechten reden, aber ihnen nicht auf den Leim gehen.“ Es gehe darum, die eigenen Argumente und die des Gegners zu prüfen.

Weißmann – ein guter Gesprächspartner?

Mit „allen möglichen Leuten“ will Augstein also reden – und zwar im „echten Gespräch“. Dafür sei Weißmann „ein guter Kandidat.“ Ist er das?
Weißmann kommt aus dem Umfeld der völkisch-nationalen Studentenverbindung „Deutsche Gildenschaft“. Diesen Hintergrund teilt er mit sowohl Dieter Stein, für dessen Wochenzeitung Junge Freiheit Weißmann seit den 1980er Jahren schreibt, als auch Götz Kubitschek, mit dem Weißmann 2001 das Institut für Staatspolitik gründete. Weißmann war wissenschaftlicher Leiter des IfS, bis er 2014 nach einem Richtungsstreit, der sich an der Haltung zur neugegründeten AfD entzündete, das IfS verließ und nur noch für die JF schrieb. 2017 war Weißmann maßgeblich an der Gründung der „rechts-intellektuellen“ Zeitschrift Cato beteiligt. Seit 2018 sitzt er im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.

Er gilt als intellektuell schärfster Denker der „neuen“ Rechten und propagiert, gerade seit seinem Zerwürfnis mit Kubitschek, wie auch Dieter Stein, die eigene Position anschlussfähig nach der „Mitte der Gesellschaft“ hin zu halten. Gleichwohl vertritt er etwa in seinem Buch Der Weg in den Abgrund knallhart geschichtsrevisionistische Positionen und sprach in der Vergangenheit bei rechtsextremen Organisationen wie der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen. Die Cato ist dann auch hauptsächlich damit beschäftigt, extrem rechten Narrativen – etwa von der „Meinungsdiktatur“, dem „finis Germania“ oder „Einwanderungströmen“ – einen glamouröseren Anstrich à la Cicero zu verpassen.

Insofern dürfte das „Setting“ des Gesprächs ganz nach Weißmanns Geschmack gewesen sein. Mit Schloss Ettersburg fand der Dialog eine edle und politisch neutrale Umgebung, in der unbefangen hier linke, dort rechte Argumente ausgetauscht werden sollten. Darüber hinaus ist das Schloss historisch mit der Weimarer Klassik verbunden, die in Teilen für das „neurechte“ Gesellschaftsprojekt vereinnahmt wird. Die unmittelbare Nachbarschaft zum Konzentrationslager Buchenwald gerät im Bericht der Jungen Freiheit auf geschmackloseste Weise zur „dramatischen Kulisse für ein Gipfelgespräch der besonderen Art“: „Wohl und Wehe der Deutschen so dicht vereint“!

Mit Rechten reden – wie man’s nicht macht

Wie spricht man nun mit einem wie Weißmann ohne ihm „auf den Leim zu gehen“? Ein Anfang wäre, Weißmanns Positionen als das zu begreifen, was sie sind: bewusste Versuche, die Grenze zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus zu verwischen. Und sie nicht im Interview mit einer großen Tageszeitung zu deutscher Tradition zu verharmlosen: „Weißmann steht in einer ganz alten deutschen Geistestradition: Das ist ein norddeutscher, deutschnationaler Protestantismus, der Sehnsucht nach Bismarcks Preußen hat.“

Später im Interview bemerkt Augstein: „Reaktionäre Konservative wie Weißmann teilen eine grundsätzliche Überzeugung der Aufklärung nicht: dass alle Menschen frei und gleich geboren sind und gleiche Rechte haben. Diese Haltung ist ihrem Wesen nach extrem, sie lässt sich nicht in die politische Mitte überführen, man kann nur das politische System nach rechts führen.“
Wenn Augstein so viel verstanden hat, wie kann er dann nicht sehen, dass jede Gesprächsrunde mit „neuen“ Rechten genau deren „metapolitisches“ Ansinnen befördert, die eigene Position soweit zu normalisieren, dass die Gesellschaft eben nach rechts rückt?

Applaus von rechts

Spätestens der Applaus aus der ganz falschen Ecke sollte Augstein aber stutzig werden lassen. Publizistisch aufgegriffen wurde das Gespräch zwischen ihm und Weißmann zunächst nur vonseiten der Rechten, zuerst auf den Seiten der Jungen Freiheit. Auf das Tagesspiegel-Interview folgte dann auch ein Beitrag auf sezession.de, in dem Martin Lichtmesz – Stammautor der IfS-Zeitschrift aus dem Umfeld der „Identitären Bewegung“ Österreich – Augstein für seine „überraschend ehrbare“ und „intellektuell saubere“ Haltung lobt. Natürlich habe Augstein Weißmann mit dem Gespräch weiter legitimiert.

Übrigens: Seine eigenen Argumente am politischen Gegner schärfen – auch diesen Anspruch an den Dialog scheint Augstein nicht unbedingt eingelöst zu haben. So spricht er während der Veranstaltung und auch im Interview Wochen später wiederholt von einer „rechten Revolution“, die sich gerade vollziehe. Von einem solchen „Branding“ träumt die „neue“ Rechte des Nachts, versucht man doch dort, das eigene Wirken sowohl in die Tradition der „Konservativen Revolution“ als auch der „Friedlichen Revolution“ von 1989/90 zu stellen. Weiterhin verweist Augstein stolz darauf, wie er Weißmanns Argumente mit der Forderung deutscher Industrieverbände nach der Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte gekontert habe. Wer zwischen erwünschten immigrierten Fachkräften und anderen Migranten unterscheidet, hat bereits ein Argument der Rechten übernommen – und implizit das Grundrecht auf Asyl drangegeben.

So hat das Gespräch auf Schloss Ettersburg herzlich wenig gebracht, außer der „neurechten“ Publizistik Gelegenheit zu geben, vollmundig über „demokratischen Dialog“ zu schwadronieren und sich in einem hübschen Schloss wichtig zu fühlen. Sowohl „neurechtes“ Personal als auch dessen Positionen sind weiter legitimiert und normalisiert worden, und Jakob Augstein widmet sich wieder seiner Passion: obsessiver „Israelkritik”.

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