Früher galt das Dogma, die NPD nicht durch einen Verbotsantrag aufzuwerten, solange der Wähler sie immer wieder eindeutig an der 5-Prozent-Klausel scheitern ließ. Nun befindet sich die NPD in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen in den Landtagen – und in Brandenburg droht dies.
Ein Verbot der NPD würde natürlich nicht die politische Auseinandersetzung mit dem Gedankengut ihrer Anhänger erübrigen, bei der es den demokratischen Parteien bisher allerdings noch nicht einmal gelungen ist, dem Nationalismus der Rechtsextremisten einen gemeinsam praktizierten Patriotismus entgegenzuhalten. Doch die mit dem Status als zugelassene Partei verbundenen finanziellen Zuwendungen und die Landtagspräsenz der NPD fördern die Verbreitung eines für mich offensichtlich an die Tradition der NSDAP anknüpfenden Gedankenguts, durch das die Grundlage unserer Zivilisation, nämlich die Gleichwertigkeit aller Menschen, geleugnet wird.
Zwar war man sich auf der Innenministerkonferenz im April in Bad Saarow einig, dass die radikalste und mitgliederstärkste rechtsextreme Partei verfassungsfeindlich ist, doch besteht gleichwohl Dissens, ob ein neuer Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht gestellt werden sollte. Die Gegner argumentieren vor allem mit der Gefahr eines erneuten Scheiterns, der nur durch das Abschalten von V-Leuten begegnet werden könne, was man aber nicht wolle: »Wir müssen wissen, was die Feinde der Freiheit vorhaben, um die Freiheit vor den Extremisten zu beschützen« ? so der hessische Innenminister Volker Bouffier.
Die drei der sieben (!) Verfassungsrichter, deren Votum vor fünf Jahren zum Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens geführt hat, haben jedoch als Voraussetzung für den Erfolg eines erneuten Verfahrens keineswegs das Abschalten aller in der NPD tätigen V-Leute gefordert, sondern nur das derjenigen, die in den Vorständen der Partei auf Bundes- und Landesebene agieren.
Das erste NPD-Verbotsverfahren hat also ergeben, dass in den Vorständen der NPD V-Leute tätig waren ? und offenbar sind sie es immer noch, denn sonst müsste ein erneuter Verbotsantrag nicht gescheut werden. Die Verfassungsschützer in Bund und Ländern scheinen sich einig zu sein, dass diese hochrangig platzierten V-Leute auch nicht abgezogen werden sollten und haben damit das Gehör der Mehrheit der ihnen übergeordneten Innenminister gefunden.
„Wer sagt, dass die V-Leute in der NPD tatsächlich dem Staat dienen?“
Ich halte dies für einen Fehler. Spätestens seit dem ersten Verbotsverfahren weiß die NPD, dass sich in ihren Führungsgremien V-Leute des Verfassungsschutzes befinden. Vielleicht hat sie nun gar kein Interesse mehr daran, diese zu enttarnen und aus der Parteiführung auszuschließen, weil dies ein neues und diesmal erfolgreiches Verbotsverfahren zur Folge haben würde.
Wäre es aber nicht auch möglich, dass die angeblichen V-Leute des Verfassungsschutzes tatsächlich der NPD dienen und die Verfassungsschützer mit gezielten Fehlinformationen füttern? Dieser Verdacht ist keineswegs abwegig, denn V-Leute sind zwielichtige Grenzgänger, auf die im Kampf gegen den Extremismus zwar nicht verzichtet werden kann, derer man sich aber sparsam bedienen sollte, weil bei ihnen stets mit einer Grenzüberschreitung ins feindliche Lager oder aber damit gerechnet werden muss, dass sie sich in der Rolle eines Agent Provocateur gefallen.
So oder so tragen die in den Führungsgremien der NPD tätigen V-Leute zur Stabilisierung dieser Partei bei und beteiligen sich damit an der Verbreitung von verfassungsfeindlichem Gedankengut in unserer Gesellschaft, wofür die Verfassungsschützer eine Mitverantwortung trifft, auch wenn sie Schlimmeres verhindern wollen. Dies ist aber ebenso unakzeptabel, wie die vor geraumer Zeit von mir angeprangerte Praxis, Schriften mit volksverhetzendem Inhalt von V-Leuten in der rechtsextremistischen Szene verteilen zu lassen, um die Hintermänner des Vertriebssystems aufzudecken.
Es ist also höchste Zeit, dass jedenfalls in den Führungsgremien der verfassungsfeindlichen NPD keine V-Leute des Verfassungsschutzes mehr tätig sind. Dann ist mir auch um die Erfolgsaussichten eines neuen NPD-Verbotsverfahrens nicht bange, dessen Inhibieren die Präsidentin des Zentralrats der Juden wie folgt kommentiert hat: »Als Überlebende der Shoa habe ich nicht einen Funken Verständnis dafür!«
Dr. Erardo C. Rautenberg ist Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg und Mitglied der SPD.
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Beide Texte erschienen in der Deutschen Richterzeitung 6/2008 – Wir danken Verlag und Autoren für die Genehmigung zum Nachdruck