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„Die Linkspartei ist eine Barriere für NPD-Erfolge“

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Herr Butterwegge, Rechtsextremisten geben sich seit einiger Zeit gern anti-kapitalistisch und greifen ?die soziale Frage? im Wahlkampf auf. Woher kommt diese ideologische und strategische Neuausrichtung?

Natürlich muss sich die extreme Rechte ? genauso wie alle anderen politischen Strömungen ? auf die Globalisierung einstellen. Dieser Prozess verändert die ökonomischen, politischen und sozialen Bedingungen im Land, und dass Neonazis jetzt Parolen wie ?Nur national ist sozial? skandieren, ist eine logische Folge. Damit wollen sie Menschen ansprechen, die bei der Umstrukturierung der Gesellschaft nach dem Marktmodell auf der Verliererseite stehen. ?Arbeit und soziale Gerechtigkeit für alle Deutschen? lautet ein weiterer Slogan, der scheinbar die Interessen von sozial Benachteiligten aufnimmt und ihre Misere auf die Migranten schiebt. Dabei verbindet die NPD ihren traditionellen Rassismus geschickt mit der Thematisierung sozialer Missstände. Das ist in der Tat eine neue Qualität der rechtsextremen Agitation und Propaganda.

Gilt das für die gesamte rechtsextreme Szene?

Nein, es gibt zwei unterschiedliche Strömungen im heutigen Rechtsextremismus. Die NPD richtet sich eher traditionell aus: Sie gibt sich ?nationalrevolutionär?, antikapitalistisch und globalisierungsfeindlich, vertritt also einen völkischen Pseudosozialismus. Daneben gibt es aber auch die so genannte Neue Rechte, die sich eher am neoliberalen Mainstream orientiert. Im Sinne des Marktradikalismus steht sie für das, was ich ?Standortnationalismus? nenne, und will vor allem die Investitionsbedingungen für Unternehmen verbessern, während Sozialleistungen für Bedürftige gekürzt oder gestrichen werden sollen. Das Resultat solcher Bestrebungen wäre nur ein deutschnational aufgeladener Turbokapitalismus.
Man muss zwischen den beiden Linien im Rechtsextremismus deutlich unterscheiden, obwohl sie getrennt marschieren und vereint schlagen. Vertreter der einen sprechen die Gewinner der neoliberalen Modernisierung an, Vertreter der anderen die Verlierer. Die soziale Polarisierung in Arm und Reich kommt ihnen dabei natürlich zu Gute. Denn wenn die Abstiegsängste in der Mitte einer Gesellschaft zunehmen, ist das ein besonders günstiger Nährboden für den Rechtsextremismus.

In den neuen Bundesländern kann die NPD auf wichtige Wahlerfolge zurückblicken. In Westdeutschland konnte sie jedoch bisher kaum Fuß fassen. Woran liegt das?

Im Westen ist es der NPD weder gelungen, sich organisatorisch stark genug zu verankern, noch im Wahlkampf wichtige Themen zu besetzen. Die politischen Auseinandersetzungen werden derzeit durch Forderungen nach mehr sozialer Gerechtigkeit bestimmt. Diese Debatten sind aber sehr stark gewerkschaftlich besetzt und außerdem geprägt durch das Aufkommen der im Westen neuen Partei DIE LINKE. Das dürfte ein Hemmnis für die NPD sein. Die Linkspartei konterkariert die NPD-Forderungen und ist damit sogar im Bundestag vertreten. Im Westen werden soziale Fragen offensichtlich mit der Linken identifiziert, und das macht es für die NPD ziemlich schwer, diese Themen mit dem Stichwort ?national? zu versehen. Wäre die LINKE im Osten nicht so stark, würde die NPD dort wahrscheinlich noch erheblich mehr Stimmen bekommen. Insofern wirkt die LINKE als Barriere für größere NPD-Erfolge.

Worin unterscheidet sich die Globalisierungskritik der Linken und der NPD?

Die LINKE und die NPD kann man in keiner Weise gleichsetzen, wie das von manchen Extremismus- und Populismustheoretikern getan wird. Es gibt einen entscheidenden Unterschied: Die NPD ist nicht wie Attac oder die LINKE globalisierungskritisch, sondern antiglobalistisch. Das ist etwas völlig anderes. Attac und die Linke sind nicht gegen die Globalisierung an sich, sondern gegen eine neoliberal gestaltete, unsoziale Globalisierung, die Gewinner und Verlierern hervorbringt. Rechtsextremisten hingegen sind grundsätzlich gegen eine Öffnung von Grenzen, gegen das Zusammenwachsen der Welt und den interkulturellen Austausch. In ihr Weltbild passt Globalisierung überhaupt nicht hinein, weil sie sich national abschotten und nach ethnischen Kriterien separieren wollen. Ein rassistisches, nationalistisches Konzept steht im grundsätzlichen Widerspruch zur Globalisierung. Aber an der Oberfläche, in einer NPD-Parole wie ?Global ist unsozial?, ist der Unterschied zur Globalisierungskritik der Linken natürlich kaum zu erkennen.

Früher hat die NPD auf ein biederes Image geachtet. Mittlerweile gibt es eine offene Zusammenarbeit mit der militanten ?Kameradschafts?-Szene. Radikalisiert sich die Partei?

Hier verhält sich die NPD ambivalent: Auf der einen Seite gibt es eine deutliche Radikalisierung, zum Beispiel durch die ?Autonomen Nationalisten? und die gewaltbereite ?Kameradschafts?-Szene, deren sich die NPD als Ordner bei ihren Demonstrationen bedient. Auf der anderen Seite gibt es den Versuch, bürgerlich-bieder und seriös aufzutreten. Das gilt insbesondere für die NPD-Vertreter in den Parlamenten. Es ist daher ein widersprüchliches Bild, das die NPD derzeit abgibt. Deshalb ist die Frage, wie man die NPD mit Erfolg bekämpfen kann und ob ein neues Verbotsverfahren nützt, auch so heftig umstritten.

Warum ist der NPD die gewalttätige Szene so wichtig?

Die NPD sucht alle Spektren des Rechtsextremismus zu bündeln, von der neonazistischen ?Kameradschafts?-Szene bis zu bürgerlich-nationalkonservativen Kreisen. Die militanten ?Kameradschaften? spielen in der NPD-Strategie eine sehr wichtige Rolle: Aufgrund ihrer Mobilisierungsfähigkeit sind sie für den erklärten ?Kampf um die Straße? unersetzlich. Für den gleichzeitig proklamierten ?Kampf um die Parlamente? kann es aber durchaus schädlich sein, dass man so breite Bündnisse schließt. Denn bei vielen potenziellen Wählern kommen die Gewaltexzesse des ?Kameradschafts?-Flügels nicht gut an. Für die NPD ist das ein schwieriger politischer Spagat: Einerseits kann man auf solche jungen Männer, die fast jede Woche irgendwo Aufmärsche organisieren, schwerlich verzichten. Andererseits sind diese Leute, die an die SA-Horden der 1930er-Jahre erinnern, für manche Sympathisanten, die sich als ?deutschnational? oder ?nationalkonservativ? verstehen, eher abschreckend.

Das Interview führte Johannes Radke

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