Youtube statt Tagesschau
Für viele Jugendliche sind YouTube und Facebook die Topadressen, wenn sie sich über Nachrichten aus aller Welt informieren wollen. Kein Wunder also, dass es auf YouTube auch etliche Kanäle gibt, die Nachrichten den Wünschen der jungen Zuschauer_innen entsprechend präsentieren, unterhaltsam und locker moderiert. Der bekannteste Kanal in Deutschland ist der von „LeFloid“, der eigentlich Florian Mundt heißt, mit über drei Millionen Abonnent_innen. Im Juli 2015 interviewte er sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Auch rechte Gruppen haben das Potenzial von YouTube erkannt. Neben dem Youtube-Auftritt der „Identitären Bewegung Deutschland“ gibt es gleich mehrere Kanäle, die dem neurechten Spektrum zugeordnet werden können und die als vermeintliche Nachrichten- und Lifestyle-Blogs auftreten. Da gibt es zum Beispiel den Videoblog „Laut Gedacht“ von Philip Thaler und Alex Malenki. In einem Text auf der Webseite der „Ein-Prozent“-Bewegung, die den Kanal finanziert, werden Gründe und Absichten offengelegt: „Sowohl das Fernsehen als auch weite Teile der Medienlandschaft – selbst auf offenen Portalen wie Youtube – sind links dominiert. Das soll sich mit diesem explizit an die Jugend gerichteten Format nun ändern.“ Die Videos sollen spontan und echt wirken und richten sich gezielt an Jugendliche, die für die eigene Sache gewonnen werden sollen.
„Laut Gedacht“ von „Ein-Prozent“-Bewegung finanziert
Die Betreiber von „Laut Gedacht“ sind keine Unbekannten. Philip Thaler und Alex Malenki sind beide im Raum Halle/Leipzig aktiv und der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ zuzuordnen, die in Halle vor allem von der Gruppierung „Kontrakultur Halle“ getragen wird. Beide machen aus ihrer politischen Einstellung kein Geheimnis und tragen sie im Internet und auf der Straße offen zur Schau. Alex Malenki war zum Beispiel im Dezember 2016 beim erfolglosen Blockadeversuch vor der CDU-Parteizentrale in Berlin dabei. Philip Thaler ist Mitglied einer Burschenschaft in Halle und war ebenfalls an der Blockade beteiligt.
Die Videos von „Laut Gedacht“ sind aufwendig produziert. Vom Einspieler über die Logos bis zum Outfit der beiden wirkt alles einheitlich abgestimmt und professionell bearbeitet. Das passt zur Medienstrategie der „Identitären Bewegung (IB)“. Denn auch wenn die bundesweiten Aktionen mit IB-Label spontan wirken, belegt ein jüngst geleaktes internes Strategiepapier, wie strukturiert und organisiert die Auftritte sind. Alle Aktionen werden mit einer „nationalen Leitung“ abgestimmt. Ziel ist, die „Identitäre Bewegung“ als politische Bewegung darzustellen und nicht als Projekt gut organisierter Einzelgruppen. (http://blog.zeit.de/stoerungsmelder)
Die beiden Macher von „Laut Gedacht“: Philip Thaler und Alex Malenki (Screenshot 24.04.2017)
Die Videos, die seit September 2016 in wöchentlichem Rhythmus erscheinen und insgesamt über 400.000 Besucher erreicht haben, werden in einem eigens für die Show eingerichteten Studio aufgenommen. Finanziell unterstützt werden die “Laut gedacht”-Macher von der „Ein-Prozent“-Bewegung, einer Art NGO für rechtsextreme Aktivitäten, die nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr 166.000 Euro in rechte Projekte gesteckt hat (vgl. btn). Thaler und Malenki geben sich hip und modern, tragen Holzfällerhemden, trinken Mate und übernehmen Kleidermarken, die ansonsten in der linken Szene beliebt sind. Dadurch sind sie nicht sofort als Rechtsextreme zu erkennen, sondern versuchen ihre politische Einstellung als vermeintliche akzeptablen Lifestyle zu vermitteln.
Inhaltlich greift der Kanal einzelne Themenfelder aus den Nachrichten heraus. In der Episode „Free Deniz“ diskutieren die beiden Protagonisten zum Einstieg die Frage, ob ein indischer Elefant, der in einem deutschen Zoo wohnt, dann zu einem deutschen Elefant wird. Diese Überlegung übertragen sie auf die Zugehörigkeit von Menschen zu Völkern. Gehört jeder zum Volk, der in Deutschland wohnt? Ihre Antwort darauf ist klar: Wer in Deutschland lebt, gehört dadurch nicht zum deutschen Volk. Dabei begründen sie die Zugehörigkeit zum Volk nicht über die Staatsangehörigkeit, sondern über eine völkische Definition. Sie betrachten Abstammung und Nationalität als unveränderbar und biologisch begründet. Die Übertragung biologischer Thesen auf Gesellschaft führt in der Ideologie der „Neuen Rechten“ zum Ethnopluralismus. Dabei wird davon ausgegangen, dass Kultur an Herkunft und Abstammung gebunden und unveränderbar ist. Damit begründen sie ein Vorherrschaftsrecht aufgrund ihrer Herkunft.
Den in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel bezeichnen sie im weiteren Verlauf des Videos als „bärtigen Türken“ und wünschen ihm augenzwinkernd ein „rechtsstaatliches Verfahren“. Deniz Yücel besitzt sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft. In Bezug auf die Inhaftierung gab es Diskussionen um die doppelte Staatsbürgerschaft und die nationale Zugehörigkeit von Deutschen mit türkischen Wurzeln.
Bei den von „Laut Gedacht“ vorgestellten Youtube-Kanälen finden sich viele weitere einschlägige Kanäle, wie der von Martin Sellner, von „Reconquista Germania“, „Alt-Right.com“ oder die „Vulgäre Analyse“, indem antisemitische, rassistische und sexistische Inhalte verbreitet werden.
Früher NPD, jetzt „Identitäre Bewegung“
Ein weiterer Kanal ist „IDENTIT:ÄRA“, der von Tony Gerber betrieben wird und dessen Videos von 500 bis 5.000 Menschen angesehen werden. Tony Gerber trat zur Stadtratswahl 2009 in Zwickau für die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) an. Derzeit ist Gerber bei der „Identitären Bewegung“ aktiv und tritt, wie Martin Sellner, auch, im Video „Zukunft für Europa“ des YouTube-Kanals der „Identitären Bewegung Deutschlands“ auf. Auch er präsentiert sich im einheitlichen „Corporate Design“ der „Identitären Bewegung“. Die Schriftzüge, Wortwahl und das Logo des schwarzen griechischen Buchstabens Lambda auf gelbem Hintergrund entsprechen den sonstigen Auftritten der Gruppe. In seinen Videos interviewt er Aktivist_innen der und stellt Aktionen vor. Zudem gibt es ein Video mit dem Titel „Wehr Dich-Format, Übung und Drill“, indem Gerber mit zwei Mitstreitern Kampftechniken und Trainingsmethoden vorstellt.
Rechte Videobotschaften aus Wien
Mit einer Reichweite von über 15.000 Abonnent_innen (Stand 19.04.2017) ist der Kanal von Martin Sellner einer der meistbesuchten der Szene. Sellner ist führender Akteur der „Identitären Bewegung Wien“ und eines der populärsten Gesichter der Bewegung. . In Deutschland trat er als Redner bei „Pegida“ und bei Veranstaltungen von Götz Kubitscheks „Institut für Staatspolitik“ in Erscheinung. Laut seiner Kanalbeschreibung arbeitet Sellner auf Youtube „am Abbau des multikulturellen Meinungsdogmas“. Sellner erstellt dafür Podcasts über den Vordenker der „Neuen Rechten“, Alain de Benoist, oder über den bei neurechten beliebten Philosophen Martin Heidegger. Ein weiterer Teil seiner Videos befasst sich mit der Presse. In Videos mit den Titeln „Spiegel TV lügt“, „ORF=Fakenews“, „Danke ARD! „, „WDR ‘Das Braune Netz’ Hetze“, diskreditiert er alle kritischen Nachrichten über die „Identitäre Bewegung“ als voreingenommene Berichterstattung. Außerdem bewirbt sich Sellner in seinen Videos gerne selbst. So kann man ihn bei Auftritten bei PEGIDA in Dresden sehen und auch seine App „Patriot Peer“ wird angepriesen. (unser Bericht zur App)
Sprache macht Gesellschaft
Die Videos haben das Ziel, rechtsextreme Inhalte unter Jugendlichen zu verbreiten. Die Akteure geben sich dafür gemäßigt und nahbar. Die Botschaften, die sie transportieren, stehen jedoch im krassen Widerspruch zu ihrem harmlosen Auftreten. Hinter der Medienstrategie steht das Konzept kultureller Hegemonie. Die „Neue Rechte“ versucht,über Sprache und Kultur Rassismus und völkisches Denken in der Gesellschaft gängig zu machen. Politischer Einfluss soll dabei nicht über Parlamente, sondern direkt auf die Gesellschaft ausgeübt werden. Deswegen inszenieren sie sich im „Corporate Design“ als einheitliche Bewegung oder behaupten, Teil einer schweigenden Mehrheit zu sein. Die Abstimmung untereinander wird etwa durch die Projektfinanzierung durch die „Ein-Prozent“-Bewegung deutlich, aber auch durch den Austausch unter den Akteur_innen zum Beispiel bei Treffen im „Institut für Staatspolitik“. In Zeiten, in denen soziale Medien als Informationsquelle gerade für Jugendliche immer wichtiger werden, ist Medienpräsenz und öffentliches Auftreten ein wichtiges Mittel der „Identitären Bewegung“, um ihre Botschaften zu verbreiten.
Titelbild: Flickr / Rego Korosi / CC BY-SA 2.0