Bei der Landtagswahl in Sachsen am 31.08.2014 manifestierte sich der Eindruck, dass Sachsen eines der rechtesten Bundesländer Deutschlands ist: Die CDU gewann mit 39,4 Prozent die Mehrheit der Wählerstimmen, doch etlichen Sächsinnen und Sachsen ist diese offenbar nicht mehr rechts genug: 9,7 Prozent wählten die eurokritisch-rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD), die NPD erhielt 4,95 Prozent der Stimmen. Damit verpasste sie wegen rund 800 fehlender Stimmen äußerst knapp den Wiedereinzug in den Sächsischen Landtag, dem sie seit 2004 angehörte. Zwei weitere Rechtsaußen-Parteien, „Pro Deutschland“ und die „DSU“, erhielten je nur 0,2 Prozent der Stimmen und sind somit bedeutungslos.
Was bedeutet das Scheitern für die NPD?
Die NPD verliert ihre Fraktion im Sächsischen Landtag – und damit eine wichtige finanzielle Versorgungsquelle für die gesamte Partei: Rund 1,4 Millionen Euro flossen pro Legislaturperiode an die NPD. Die Angehörigen der Fraktion stehen nun auf der Straße: Das sind der farblose Landeschef Holger Syzmanski (der nach dieser Niederlage dieses Amt wohl auch bald los ist), der Sebnitzer Arzt Johannes Müller, der Bankkaufmann Alexander Delle, der Kaufmann und kurzzeitige NPD-Sachsen-Chef Mario Löffler, der frühere Chef-Ideologe der NPD, Jürgen Gansel und die Ex-Sprecherin des „Rings Nationaler Frauen“, Gitta Schüßler. Dazu kommt ein Mitarbeiterstab, der laut Medienberichten rund 40 Anhänger*innen umfasst hat. Seitdem es der NPD 2004 – erstmals seit 1968 – wieder gelungen war, in einen Landtag einzuziehen, war sächsische NPD-Fraktion nicht nur eine Finanzquelle, sondern auch eine parteipolitische Schulungsstation der Bundes-NPD. Aktuell verbleibt der NPD nun nur noch die Landtags-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern, aus allen anderen Landesparlamenten ist sie wieder hinausgewählt worden. Außerdem hat sie mit dem ehemaligen NPD-Chef Udo Voigt einen Abgeordneten im Europaparlament.
Wo sind die NPD-Wähler*innen hin?
Die NPD erhielt bei der Landtagswahl 4,95 Prozent oder 81.060 Stimmen – damit fehlten ihre rund 800 Stimmen für die überlebensnotwendigen 5 Prozent. Sie hat damit 0,7 Prozentpunkte gegenüber der letzten Landtagwahl 2009 verloren, was rund 20.000 Stimmen entspricht – damals hatten über 100.000 Sachsen ihr Kreuz bei der NPD gemacht. Laut „Infratest Dimap“ hat sie – wie schon zuvor vermutet, nicht wenige – rund 13.000 – frühere Anhänger*innen an die AfD verloren. Vielleicht noch bitterer: 10.000 Menschen, die 2009 noch die NPD gewählt hatten, gingen 2014 gar nicht mehr zur Wahl. Jeden 10. Anhänger hat die NPD Sachsen also offensichtlich verloren – ob durch parteiinterne Querelen wie den unwürdigen Abgang des ehemaligen NPD-Shootingsstars Holger Apfel, die schlechte Politik oder die Einsicht, doch keine Menschenfeinde unterstützen zu wollen, muss die Zukunft noch zeigen. Verstimmt postet die NPD Sachsen auf Facebook: “ Das wird sich für Sachsen bitter rächen, das ohne eine NPD im Landtag nun endgültig zur Einwanderungszone für jedermann gemacht wird. Ohne Druck von rechts, ohne den Druck der NPD-Landtagsfraktion, wird es in Sachsen in zehn Jahren Überfremdungszustände wie im Westen geben.“ Mario Löffler kommentiert resigniert: „Leider war offenbar auch ein Großteil unserer Anhänger nicht willens oder in der Lage gestern wählen zu gehen, sodaß am Ende für den Wiedereinzug der einzig heimattreuen Partei sachsenweit 800 Stimmen (!) fehlten.“
Warum gibt es trotzdem weiter Grund zur Sorge?
Die NPD hat weiterhin Hochburgen in Sachsen, in denen ihre Kader vor Ort etabliert und als engagierte Lokalpolitiker anerkannt sind. Das belegen beispielsweise die Wahlergebnisse in Reinhardtsdorf-Schöna (16,1 %), im Kurort Rathen (13,5 %) und in Sebnitz (15,2 %), wo die NPD immer wieder hohe Zustimmung erzielt. So bleibt den Rechtsextremen eine verlässliche Struktur, um lokale Belange für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. „Sachsen hat nach wie vor ein Problem am rechten Rand, das jetzt nicht kleingeredet werden darf. Der Misserfolg der NPD ändert nichts daran, dass es in Sachsen nach wie vor Hochburgen des Rechtsextremismus gibt. Parteiunabhängige Strukturen wie Kameradschaften sorgen täglich für ein Klima der Angst, auch die Zahl der Übergriffe bleibt auf einem konstant hohen Niveau“, sagt Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung.
Ihre besten Ergebnisse nach Wahlkreisen erzielte die NPD übrigens in Bautzen (10,9 Prozent) , wo NPD-Aktivisten massiv Stimmung gegen ein Flüchtlingsheim macht und in der Sächsischen Schweiz (bis zu 9,9 Prozent). Wenig beliebt ist die rechtsextreme Partei dagegen in den großen sächsischen Städten Leipzig und Dresden (2,0 bis 2,8 Prozent). Wo die NPD stark ist, ist oftmals übrigens auch die AfD gern gewählt worden.
Denn das ist das zweite bedenkliche Ergebnis der sächsischen Wahl: Die „Alternative für Deutschland“ erhielt 9,7 Prozent (159.547 Stimmen), und dies nach einem in Sachsen aktiv am rechtsäußeren Rand fischenden Wahlkampf, in dem neben Europakritik auch eine harte Zuwanderungspolitik, Law-and-Order-Argumentationen, fundamentalchristliche Einstellungen und Hetze gegen Gender-Gerechtigkeit propagiert wurde – und damit auch nicht gerade eine weltoffene, sozial verantwortungsvolle und menschenrechtlich orientierte Politik. Die AfD hat nun 14 Mandate im Dresdner Parlament. Völlig überraschend ist das Ergebnis übrigens nicht: Schon bei der Europawahl im Mai 2014 erreichte die AfD in Sachsen 10,1 Prozent der Stimmen.
Wahlbetrug?!
Das knappe Ergebnis der NPD beflügelt selbstredend die Fantasien der rechtsextremen Anhänger*innen, eine Verschwörung habe sie von den beliebten staatlichen Fördertöpfen abgeschnitten. Der Fantasie, wie ein solcher Betrug von statten ging, sind dabei selbstredend keine Grenzen gesetzt. Hier einige Beispiele, die NPD-Freund*innen auf Facebook posteten:
„Das Ergebnis steht schon fest“
Bananenrepublik, BRD-Gmbh…
„als ich zum wiederholten male besuch des staatsschutzes bekam…“
„Sowas ist in der EDV ein Klacks“
„dann plötzlich die Seite mit den Stimmenzahlen für lange Zeit nicht erreichbar (Seitenfehler-Meldung!)“
Schön auch diese Interpretation: Der Tausch
Die NPD Sachsen hatte entsprechende Vermutungen sicherheitshalber auch schon vor der Wahl geschürt:
Nun möchte die Bundes-NPD eine Neuauszählung der Stimmen „mit allen juristischen Mitteln“ erzwingen. „Es wäre nicht das erste Mal, dass in der BRD eine rechte Partei nach anderslautenden Hochrechnungen durch Wahlfälschung und Auszählungsfehler auf knapp unter fünf Prozent gedrückt wird“, schreibt die NPD verstimmt. Anfechten dürften sie die Wahl unter Angabe, wo sie einen Verstoß vermuten. Binnen von zwei Monaten muss der Antrag dann geprüft werden.
Ein NPD-Wähler hatte jedenfalls noch einen Vorschlag, der uns sehr gut gefallen hat – auch, weil er Initiativen gegen Neonazis die Arbeit erleichtert:
Und wer jetzt denkt: Wer möchte schon offen in einem Sozialen Netzwerk posten, dass er eine rechtsextreme Partei gewählt hat: Auf der Facebook-Seite der NPD-Sachsen wurde diese Idee schon umgesetzt:
Allerdings nur von 27 Wähler*innen. Sollte die NPD mal drüber nachdenken.