Schwarz-Weiß-Rot: Die Geschichte der Reichskriegsflagge
Die Entstehungsgeschichte der umstrittenen Flagge beginnt lange vor dem NS-Regime, mit dem sie heute von vielen in Verbindung gebracht wird. Die Farbkombinationen Weiß-Schwarz und Weiß-Rot werden im Preußentum genutzt, zahlreiche Wappen von Hansestädten und anderen deutschsprachigen Regionen greifen die Farben auf. Im Jahr 1866 werden die beiden Farbkombinationen auf einer Flagge zu einer Farbfolge verbunden: Schwarz-Weiß-Rot. Genutzt wird diese Fahne vom Norddeutschen Bund.
Reichsflagge; ab 1867 Flagge des Norddeutschen Bundes, 1892-1919 Nationalflagge des Kaiserreichs und 1933-1935 Nationalflagge des Deutschen Reichs zusätzlich zur Hakenkreuzflagge (vgl. Warum tragen Neonazis schwarz-weiß-rote Flaggen?)
Ein Jahr später wird auch die Flagge der Kriegs- und Handelsmarine neu gestaltet: schwarz-weiß-rot, mit Eisernem Kreuz und Preußischem Adler darauf. Ab 1892 wird diese Flagge zur Kriegsflagge des Deutschen Reiches erhoben.
Version der Reichskriegsflagge von 1903-1919
Nach dem Fall der Monarchie 1918 wird die Flagge weiterhin für verschiedene Zwecke genutzt. Bis zum 31. Dezember 1921 bleibt sie auch in der Weimarer Republik als Kriegsflagge zur See im Gebrauch, obwohl bereits 1919 beschlossen wird, sie wegen der abgebildeten monarchischen Symbole abzuschaffen.
Die neue Flagge der Weimarer Republik soll die Farben Schwarz-Rot-Gold tragen. Schon jetzt sind die alte Fahne und die Farben Schwarz-Weiß-Rot Erkennungszeichen rechter Organisationen und Parteien. Ein „Flaggenstreit“ entfacht: Die Vertreter*innen des abgeschafften monarchischen Systems verspotten die neuen republikanischen Farben als „Schwarz-Rot-Senf“. Sie wollen die Farben der alten Flagge beibehalten. So heißt es beispielsweise auf einem Plakat der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP): „Wählt Schwarz-Weiß-Rot! Das ist Deutschnational!“ Die neue Kriegsflagge wird schließlich ein Kompromiss: In ihr werden die „republikanischen“ Farben (Schwarz-Rot-Gold) mit den „kaiserlichen“ Farben (Schwarz-Weiß-Rot) kombiniert.
1933 entfernen die Nationalsozialisten nach der Machtergreifung das Schwarz-Rot-Gold der Republik wieder und verwenden ausschließlich die Farben des Kaiserreichs. Das Eiserne Kreuz wird etwas abgewandelt und verschoben.
Nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg im Jahr 1935 wird die Hakenkreuzflagge als einzig gültige Nationalflagge für das Deutsche Reich bestimmt. Zwei Monate später wird eine ähnlich aussehende Reichskriegsflagge eingeführt. Sie wird erstmals am Hauptquartier der Wehrmacht in Berlin gehisst. Eingesetzt wird sie bis 1945 auf Schiffen der Kriegsmarine, auf am Boden befindlichen Flugzeugen sowie auf allen Wehrmachtsgebäuden. Außerdem wird sie zum Beispiel genutzt, um die Särge von gefallenen Soldaten zu bedecken oder um Redepulte zu verhüllen.
Die rechtliche Lage
Die von 1935 bis 1945 verwendete Reichskriegsflagge des NS-Regimes ist heute verboten. Versionen der Kriegsflagge aus anderen Epochen ohne Hakenkreuz sind dagegen in der Öffentlichkeit erlaubt. Sie können höchstens polizeilich beschlagnahmt werden, wenn die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet scheint. Konkret heißt das: Wer eine entsprechende Fahne sichtet, kann die Polizei rufen, die die Flagge dann eventuell beschlagnahmt. Strafrechtliche Konsequenzen für das Tragen oder Hissen der Fahne gibt es aber keine.
Statt einer strafrechtlichen stellt sich also eine moralische Frage: Was kann oder soll die Flagge symbolisieren? Worin liegt ihr Wert? Steht sie nicht grundsätzlich für Kriegsbegeisterung und Militarismus? Und erweckt sie nicht unweigerlich zumindest Assoziationen mit dem NS-Regime?
Warum sind die Reichskriegsflaggen bei Neonazis beliebt?
Da das Tragen der Reichskriegsflagge des NS-Regimes heute verboten ist, suchen Rechtsextreme bei ihren Aufmärschen nach Ersatz. Häufig nutzen sie die anderen Versionen der Reichskriegsflagge bei Demonstrationen als legale Alternative.
Bereits in der Weimarer Republik war die alte (heute noch legale) Reichskriegsflagge Symbol von rechtsextremen Parteien und Organisationen. Die paramilitärische Vereinigung „Reichskriegsflagge“ wählte sie beispielsweise für ihren Namen und als Erkennungszeichen. Eines der Mitglieder des Bundes war Heinrich Himmler, die mittelbare politische Leitung hatte im Jahr 1923 Adolf Hitler. Es wundert also nicht, dass auch heute Neonazis die Reichskriegsfahne gerne übernehmen. Die Flagge ist als Symbolen und Erkennungszeichen in der Neonazi-Szene besonders beliebt.
Auch von amtlichen Stellen werden die legalen Versionen der Reichskriegsflagge als Ausdruck einer politischen Gesinnung verstanden. In einem Erlass des brandenburgischen Innenministeriums heißt es zum Beispiel: „Die Reichskriegsflagge ist weiterhin Symbol nationalsozialistischer Anschauungen und/oder von Ausländerfeindlichkeiten. Ihre Verwendung in der Öffentlichkeit stellt eine nachhaltige Beeinträchtigung der Voraussetzungen für ein geordnetes staatsbürgerliches Zusammenleben und damit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung dar.“
Schützen in Düsseldorf: „Eine Traditionsfahne“
Die Schützen aus Düsseldorf, die eine erlaubte Version der Reichskriegsflagge getragen haben, fühlen sich jetzt „zu Unrecht in die rechte Ecke gestellt“. Man sei sich gar nicht bewusst gewesen, dass die Flagge von Rechtsextremen vereinnahmt wäre, sagte der Schützenchef des Stadtteils Heerdt im Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung: „Für uns war das eine Traditionsfahne.“ In Zukunft soll die Fahne nach eigenen Aussagen aber nicht mehr verwendet werden, mit rechtsextremen Gruppierungen wolle man nichts zu tun haben. Auch im Stadtteil Lörick wird in Zukunft wohl auf die Reichskriegsflagge verzichtet. Hier ist die Begründung aber eine andere: Die Flagge sei zu alt und müsse deswegen ersetzt werden – die neue Flagge soll mehr Lokalbezug haben.
Ebenfalls bei Neonazis beliebt, ebenfalls nicht verboten: Die Reichsdienstflagge
Reichsdienstflagge für Reichsbehörden, Version 1933-1935
Eine Übersicht der zahlreichen Spielarten dieser Flaggen gibt Wikipedia.