Als Folge eines flüchtigen Seitensprungs der Mutter kam Manuela Ritz 1969 im sächsischen Mügeln zunächst zur Welt und dann ins Kinderheim. Dort weckte sie in ihrem Andersein wiederum die Aufmerksamkeit und Liebe der Frau, die sie heute als ihre Mutter betrachtet. Trotz aller Anpassungsversuche kann Manuela Ritz ihr Schwarzsein nicht abschütteln. Sie macht die Erfahrung, dass selbst die Menschen, die ihr wohl wollen, nur schwer von ihrem Erscheinungsbild abstrahieren können. Doch statt in die Resignation geht Manuela Ritz in die Offensive: Sie beschäftigt sich mit ihrer Familiengeschichte und dem Rassismus in Deutschland ? um die Themen für sich klar zu bekommen und weil sie bemerkt, dass sie als Betroffene wirkungsvoll den Alltagsrassismus in die Gesellschaft zurückspiegeln kann, um ihn zu bekämpfen.
Schlaglichthaft und eindeutig
Wie all dies passierte, wie sie es erlebte und was sie bewegt, beschreibt Manuela Ritz jetzt in ihrem ersten Buch ?Die Farbe meiner Haut?. Wie sich in Ritz? Leben Persönliches und Politik verweben, so ist es auch in diesem Buch, das als Autobiographie beginnt, aber auch Sachbuchzüge besitzt. Ritz? Schilderungen sind lebendig, eindrucksvoll und bisweilen schmerzhaft. Ihr Stil ist, gerade im biographischen Teil, schlaglichthaft und doch sehr eindeutig. Ritz? berichtet von ihren persönlichen Erfahrungen, versteht sie aber auch als beispielhaft für schwarzes Leben in Deutschland, wenn man geliebt wird, weil man ?so anders? ist oder gehasst, wenn Klischees wie Sportlich- und Schnelligkeit übertragen werden, wenn ?zu empfindlich? geschimpft wird, wenn die Autorin kulturelle Normen hinterfragt, seien es rassistische Kinderspiele oder Rollenzuschreibungen in TV-Drehbüchern.
Unerträgliche Stetigkeit der Ressentiments
Eindrucksvoll dokumentiert Ritz die unerträgliche Stetigkeit rassistischer Ressentiments in verschiedensten Formen. Während der Montagsdemonstrationen 1989 wird ihr gesagt, sie dürfe nicht ?Wir sind das Volk? rufen, das wäre ja nicht ihres. Später wird ihr, als sie in einem Antidiskriminierungsbüro arbeitet, gesagt, Rassismus wäre jetzt nur gerade so ein Modethema ? wie bitter für jemand mit kontinuierlichen, lebenslangen Rassismuserfahrungen.
Aufbruch zur Gegenwehr
Manuela Ritz beschreibt allerdings auch, wie sie andere schwarze Deutsche kennenlernen, die nach ihrem Platz in der deutschen Gesellschaft suchen und wie sie im gemeinsamen Gespräch immer mehr herausfinden, wo rassistische Mechanismen anzugreifen sind, um mehr Selbstverständlichkeit und Gerechtigkeit möglich zu machen. Sie lernt, Masken abzulegen und Rassismus zu thematisieren. Sie experimentiert, wie sie ihre Kinder auf den Rassismus der Gesellschaft vorbereiten kann, und entschließt sich schließlich, selbst als Anti-Rassismus-Trainerin und Theater- und Drehbuchautorin dagegen anzugehen. Auch wenn das neue Verletzungen beinhaltet. Inzwischen hat Ritz auch eigene Theorien, was die Probleme der deutschen Gesellschaft mit Menschenfeindlichkeiten angeht, die sie ebenfalls im Buch erläutert.
Aufruf, aufmerksamer durch die Welt zu gehen
?Die Farbe meiner Haut? bearbeitet harten Stoff in unterhaltsamem Ton, macht betroffen an der einen und irritiert an der anderen Stelle. Es gelingt der Autorin, die Leser und Leserinnen wach zu machen für ein Thema, dass auch Wohlmeinende oft in großen Zügen als erledigt ansehen wollen. Ritz zeigt eindrucksvoll, wie sich der Rassismus aber immer wieder Bann bricht, selbst wenn er eingedämmt scheint ? aber sie sieht das nicht resignativ, sondern als Aufruf, noch aufmerksamer durch die Welt zu gehen.
Manuela Ritz
Die Farbe meiner Haut. Ein Anti-Rassismus-Trainerin erzählt.
Herder-Verlag, Freiburg-Basel-Wien 2009
179 Seiten
14,95 Euro