Das Interview führte Simone Rafael.
Am 13. Februar 2010 jährt sich die Bombardierung Dresdens zum 65. Mal. Tausende Neonazis wollen durch die Stadt marschieren – was ihnen auch just vom Gericht erlaubt wurde. Dagegen gibt es verschiedene Arten von Protest: Die Stadt plant eine symbolische Menschenkette, das Bündnis „Dresden Nazifrei“ will die Demonstration blockieren. Und dann gibt es noch ein „Friedensgebet“, organisiert von der der sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft »Kirche für Demokratie gegen Rechtsextremismus« und der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, unterstützt durch die Superintendentur Dresden-Mitte, die Amadeu Antonio Stiftung sowie das Kulturbüro Sachsen.
Friedemann Bringt ist Fachreferent des Kulturbüros Sachsen.
Warum ein Friedensgebet gegen Neonazis?
Praktisch wollen wir in Sicht- und Hörweite der Neonazis unseren Protest ausdrücken. Eine religiöse Veranstaltung genießt besonderen Grundrechtsschutz und darf sich als einzige Veranstaltung an diesem Tag sicher durch die Stadt bewegen.
Inhaltlich ist die Idee, dass es notwendig ist, dass die Kirchen und ihre Mitglieder für Demokratie aktiv werden – wie sie 1989 in der DDR auch für Demokratie und Menschenrechte aktiv wurde. In Anlehnung an die Friedensgebete 1989 soll unser Friedensgebet ebenso Friedlichkeit ausstrahlen, Gewalt verhindern. Dies möchten wir aber in Sicht- und Hörweite des Nazi-Aufmarsches tun, damit der Protest für die Neonazis sichtbar wird – eine Menschenkette, die weg ist, reicht nicht.
Wie ist denn die aktuelle Lage: Wo ist das Friedensgebet geplant? Werden die Nazis etwas davon mitkriegen?
Die Stadt wünscht sich alle Veranstaltungen feinsäuberlich getrennt: Die Nazis sollten eine Kundgebung in der Neustadt abhalten, die Menschenkette, die Kundgebungen von „Dresden Nazifrei“ und das Friedensgebet finden auf der anderen Elbseite statt. Jetzt ist allerdings die Junge Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO), die Anmelder des Naziaufmarsches sind, mit ihrer Klage durchgekommen, das Verwaltungsgericht hat das Verbot der Stadt gekippt und den Rechtsextremen ihre ursprüngliche Demonstrationsroute mit Start am Hauptbahnhof erlaubt. Dann wird das Friedensgebet Protest in Sicht- und Hörweite erreichen können. Wir hoffen, an positive Erfahrungen aus der Vergangenheit anknüpfen zu können: So war es etwa in Wunsiedel und Jena möglich, den Rechtsextremen mit friedlichem Protest und Blockaden den Spaß am Demonstrieren zu verleiden.
Wie wird das Friedensgebet ablaufen? Was erwartet Besucher?
Es ist eine religiöse Veranstaltung mit Gebeten, Liedern, kleinen Ansprachen von Vertretern der Kirchen und der jüdischen Gemeinde – darauf müssen sich Besucher einlassen. Das Friedensgebet steht allen, auch nichtreligiösen, Menschen offen, die friedlich und ohne Parteipolitik demonstrieren wollen. Wir starten am Postplatz und enden am Rathaus, bei der Menschenkette der Stadt, in die sich die Besucher dann einreihen können.
Wird es inhaltlichen Protest geben?
Natürlich, auf Transparenten, in den Gebeten und Liedern. Begleitet wird das Friedensgebet von der Sächsischen Posaunenmission, die den Protest durch Lautstärke unterstreichen kann, und die Sambagruppe Escola Popular, die zu unsere Beweglichkeit und unserem Rhythmus beitragen wird. In Redebeiträgen und Gebetsanliegen werden wir auch die Brücke schlagen zur Erinnerung an die Zeit zwischen 1933 und 1945, als Dresden keine unschuldige Kunst- und Kulturstadt war, sondern Teil des NS-Systems. Wir gedenken den Meschen, die von den Nazis in Dresden ermordet und aus Dresden deportiert wurden – denn das gehört auch zu der Geschichte des 13. Februar!
Warum sollten nichtreligiöse Menschen sich vom Angebot des Friedensgebetes angesprochen fühlen?
Es ist eine Aktionsform, den eigenen Protest gegen den Naziaufmarsch kundzutun auf einer politischen und nachdenklichen Veranstaltung, die dem Jahrestag gerecht wird. Das Friedensgebet wendet sich ausdrücklich auch an Familien mit Kindern oder ältere Menschen, denen eine Menschenkette allein vielleicht nicht reicht – auch wenn es später die Möglichkeit geben wird, sich dort einzureihen.
Am 13. Februar in Dresden: Erinnern & Handeln
Friedensgebet für alle Menschen guten Willens
Auftakt: 11.30 Uhr Postplatz in Dresden-Zentrum
Abschluss: 13:00 Uhr Menschenkette am Rathaus
Mehr Informationen hierzu im Anhang, s.u.
Mehr Informationen:
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