?Das war ein gutes Warmlaufen für den 19.2.?, sagt ein Demonstrant am Dresdner Hauptbahnhof, ?die Leute haben gesehen, dass es funktioniert und werden am nächsten Samstag wiederkommen?. Es ist Sonntagnachmittag und auf der anderen Seite des Bahnhofs stehen die Neonazis in der Kälte herum. Sie wollen hier mit ihrem ?Trauermarsch? beginnen. Doch dieser verzögert sich, da die Strecke von mehreren Hundert Menschen blockiert wird. ?Nazis raus!? rufen die Demonstranten auf der anderen Seite des Bahnhofs immer wieder laut zu ihnen herüber. Dazu dröhnen Trillerpfeifen und auch die seit der letzten Fußball-WM unvermeidliche Vuvuzela ist nicht zu überhören. Einige Demonstranten tanzen zu elektronischer Musik, die aus einem Lautsprecherwagen kommt. Als Aktivisten der Initiative ?Dresden Nazifrei!? mit einem Megaphon verkünden, dass sich der Aufmarsch der Neonazis durch Blockaden verzögert, bricht Jubel los. Die Stimmung ist sehr gut, hier am Hauptbahnhof. Und: absolut friedlich. Viele Menschen sind gekommen, um hier in Hör- und Sichtweite der Nazis zu protestieren.
Noch wenige Menschen sind unterwegs
Am Morgen noch sieht es nicht unbedingt danach aus. In der verschneiten Dresdner Innenstadt sieht man nur einige Touristen, die sich die Altstadt mit ihren Sehenswürdigkeiten ansehen und Dresdner, die einen Sonntagsspaziergang machen. Nur am Hauptbahnhof deutet die massive Polizeipräsenz bereits auf die anstehenden Demonstrationen hin. Der dortige Aufmarschplatz der Neonazis ist schon am frühen Morgen weiträumig abgesperrt, Wasserwerfer stehen bereit und selbst Journalisten werden hier sehr peniblen Personenkontrollen unterzogen. Die Polizei meint es offenbar ernst: Sie will wie angekündigt Neonazis und Gegendemonstranten auseinanderhalten. Wohl auch deshalb sind am Hauptbahnhof an diesem Morgen nur wenige Leute unterwegs.
17.000 bei der Menschenkette
Am Mittag ändert sich das Bild, die Altstadt füllt sich. Jetzt strömen zahlreiche Menschen Richtung Dresdner Rathaus. Dort beginnt um 13 Uhr die Menschenkette, die von der Stadt als Zeichen der Erinnerung und des Widerstands gegen die Rechtsextremen organisiert wird. Dicht gedrängt stehen nun junge und alte Menschen vor dem Rathaus und hören den Rednern zu. Hier stehen auch der Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. ?Die Menschenkette ist ein deutliches Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit und gegen Rassismus? sagt der Rektor der TU Dresden, Professor Hans Müller-Steinhagen, am Rednerpult und macht noch einmal klar, dass Neonazis bei dieser Aktion nicht erwünscht sind. Das war notwendig geworden, da Rechtsextreme dazu aufgerufen hatten, teilzunehmen. Und der Zweite Bürgermeister der Stadt Dresden, Detlef Sittel, sagt: ?Auch in diesem Jahr werden wir unser Dresden gemeinsam mit allen, die friedlich und gewaltlos Widerstand leisten wollen, zu schützen wissen – gegen die missbräuchliche Vereinnahmung!?. Als Müller-Steinhagen dann das Zeichen zum Aufbau der Menschenkette gibt, strömen die Menschen los und verteilen sich in der Altstadt. Viele Tragen eine weiße Rose an der Kleidung- das Symbol der Menschenkette. Am Altmarkt werden sie von einem Transparent mit der Aufschrift ?Nicht lang fackeln. Nazi-Aufmärsche verhindern? begrüßt.
Spontandemo zum Hauptbahnhof
Um Punkt 14 Uhr läuten die Glocken der Dresdner Kirchen und die Menschenkette schließt sich. In diesem Moment brechen auf dem Altmarkt kleinere Gruppen von Antifa-Aktivisten aus der Kette aus und rufen ?Nie wieder Deutschland!? und ?Ihr Heuchler?. Dazu schwenken sie US-amerikanische und britische Flaggen. In einer kleinen Spontandemo ziehen sie davon. Nach dem offiziellen der Ende Menschenkette gratulieren sich die Teilnehmer selbst mit einem kurzen Applaus zum Gelingen der Aktion. Die Veranstalter werden später von 17 000 Teilnehmern sprechen. Auf dem Altmarkt versuchen jetzt einige Aktivisten des Bündnisses ?Dresden Nazifrei ? die Menschen dazu zu motivieren, mit ihnen in Richtung Hauptbahnhof zu ziehen. ?Unser Ziel ist es, friedlich in Hör- und Sichtweite der Neonazis zu demonstrieren?, sagen sie. Einige Dresdner winken dankend ab. Andere versammeln sich hinter einem Transparent zu einer Spontandemonstration. ?Nazis? Nein danke!? ist darauf zu lesen. Unter den Demonstranten ist auch Sebastian Krumbiegel von der Gruppe ?Die Prinzen?. Er hatte zu Protesten gegen die Nazi-Aufmärsche am 13. und 19. Februar aufgerufen. Die Demo zieht nun vom Altmarkt Richtung Hauptbahnhof und immer mehr Menschen schließen sich ihr an. Man merkt deutlich, dass die Leute hier große Lust haben, ein weiteres deutliches Zeichen gegen die Neonazis zu setzen. Diesmal aber in deren Hör- und Sichtweite. Die Polizei lässt sie bis zum Hauptbahnhof durch, denn die Stimmung auf der Demo ist absolut friedlich.
Erfolgreicher Protest
Es sind ganz unterschiedliche Menschen, die sich am Nachmittag am Bahnhof versammelt haben: Junge und Alte, Mitglieder von Parteien und Gewerkschaften, Aktivisten aus Anti-Nazi-Initiativen, Studenten und auch ein paar Autonome stehen vor den Polizeiabsperrungen und machen Lärm gegen Nazis. Einige Tragen die Weiße Rose an der Jacke oder an der Mütze. Auch zahlreiche Fans von Dynamo Dresden sind hier, um gegen den rechtsextremen ?Fackelmarsch? zu demonstrieren. Ein paar Schaulustige beobachten das bunte und friedliche Treiben lieber aus der Distanz heraus. Als am späten Nachmittag verkündet wird, dass die Neonazis nun doch marschieren werden, wird dies mit ?Buh!?- Rufen quittiert. Der guten Stimmung unter den Gegendemonstranten tut dies aber keinen Abbruch. Denn sie wissen, dass sie einen Erfolg erzielt haben: Sie konnten in Sicht- und Hörweite der Neonazis demonstrieren. Und deswegen werden wohl auch tatsächlich viele von ihnen am 19.2. wieder in Dresden auf die Straße gehen.
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