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War Dresden am 13. Februar 2014 nazifrei? Natürlich war das die Stadt nicht komplett – aber es fühlte sich so an. Denn so entspannt hat man die sächsische Hauptstadt am 13. Februar lange nicht gesehen. Erzeugte am Anfang die massive Polizeipräsenz ein latent beklemmendes Gefühl, wie Besucher*innen es aus Dresden am 13. Februar kennt, zeigte sich bald, dass das Fehlen der Nazis diesmal zur Entspannung aller Bürger*innen führte. Der „Täterspuren“-Rundgang des Aktionsbündnisses „Dresden Nazifrei“ lief mit 3.200 Menschen durch die Innenstadt und erinnerte an die Gräuel der Nazizeit, unter prominenter Beteiligung etwa von „Die Prinzen“-Sänger Sebastian Krumbiegel und Pfarrer Lothar König. Die Stimmung unter den antifaschistischen Demonstrierenden, unter denen von Schüler*innen bis zu Rentner*innen alle vertreten waren, war ruhig und entspannt. Daran änderte sich auch nichts grundsätzlich, als sich eine Spontandemonstration bildete, die die Polizei grundlos so nervös machte, dass sie die neue Demo kurzzeitig stoppte. Allerdings ließ sich dieser Konflikt für Dresdner Verhältnisse äußerst schnell beilegen, so dass es schon bald weiterging: Einem ausgelassenen Ende auf der Prager Straße entgegen.
Auch ein Wechsel der Veranstaltung durch die Innenstadt war diesmal problemlos und ohne Polizeisperren möglich. Rathaus startete Dresdens Bürgermeisterin Helma Orosz (CDU) mit prominenter politischer Unterstützung unter anderem von Ministerpräsident Stanislav Tillich (CDU) und dem sächsischen Innenminister Markus Ulbig (CDU) die Menschenkette. Hier gab es Blechbläser*innen, die den Nazis den Marsch bliesen – eine lustige und klanglich sehr schöne Idee. Orosz erinnerte in ihrer Rede mehr an die Verbrechen der Nazis als an Dresdner Opfer und rief zum Kampf gegen den aktuellen Rechtsextremismus auf, was wohl auch dem Geist der meisten anwesenden Menschen – viele Familien mit Kindern, bürgerliche junge und ältere Erwachsene – entsprach. Die Teilnehmer*innen der Menschenkette um die Dresdner Innenstadt mussten diesmal streckenweise etwas mehr die Arme ausbreiten als in Vorjahren, aber sie wurde geschlossen und gab wie immer ein eindrucksvolles Bild ab. Eine Antifa-Spontanaktion, die ihren Unmut gegen das Gedenken an Täter als Opfer zum Ausdruck brachte, verlief ungestört und wurde betrachtet und bedacht. Hinterher gingen viele Menschen in die Frauenkirche zum „stillen Gedanken“ oder stellten mit derselben Idee Kerzen auf dem Neumarkt auf. Dies geschah allerdings auch kommentiert, war doch ein Sammelpunkt für die Engagierten von „Dresden Nazifrei“ mit guter Musik gleich nebenan. Schön auch Mitglieder der „Partei“, die mit ihren „Gedenken gedenken“-Plakaten auch einen guten Punkt setzten. Die Polizei bilanzierte am Ende des Tages: Keine einzige Festnahme. Auch das ist ein Ausdruck der Entspannung, wenn die Nazis fehlen – größtenteils jedenfalls.
Waren da Nazis?
Nachdem am 12. Februar ja bereits 500 Neonazis ein Marsch durch die Innenstadt ermöglicht worden war, hatten die Anmelder der rechtsextremen Gedenkkundgebung diese abgesagt und dazu aufgerufen, sich unter die bürgerlichen Gedenkveranstaltungen zu mischen. Wenig überraschend waren so Nazis auf dem offiziellen Gedenken der Stadt auf dem Heidefriedhof dabei – diesmal mit 50 Nazis allerdings relativ viele. Ausgesprochen vereinzelt waren den Tag über auch rechtsextreme Grüppchen in der Stadt unterwegs, wie immer wieder einmal engagierte Gegendemonstrant*innen auf Twitter vermeldeten oder dokumentierten. Es blieb aber ruhig. Einzig dem oder den Betreuern des rechtsextremen Twitter-Accounts des „Gedenkmarsches“ gelang offenbar noch ein kleiner Coup: Es wurde fleißig gepostet, wie auch sie Kerzen aufstellten, ein unleserliches Plakat am Altmarkt aufhingen (allerdings erst nach der Menschenkette und nur kurz) – und einer präsentierte stolz ein Foto mit Bürgermeisterin Helma Orosz, Arm in Arm, die er offenbar zum Schnappschuss überrumpelt hatte. Ein Bild von negativer Symbolkraft, für das man Orosz allerdings wirklich keinen Vorwurf machen kann, da der junge Mann keine rechte Symbolik trug und kein bekannter Kader zu sein scheint.
Sorgte für Aufregung bei Twitter: Schnappschuss der Oberbürgermeisterin mit einem angeblichen Nazis. Screenshot Twitter.
Statt in Dresden liefen dafür 50 rechtsextreme Anhänger*innen der Partei „Die Rechte“ am Brandenburger Tor in Berlin auf, wo sie im Regen standen, von der Polizei und 300 Gegendemonstrant*innen an Aktionen gehindert wurden und nach wenigen Minuten ihre Kundgebung auflösten. Rechtsextreme Twitter-Accounts sprechen von (und zeigen) auch Rechtsextreme, die Plakate hochhielten, aus Hildesheim. Auch in Waren haben sich 50 Neonazis auf der Straße sehen lassen (Nordkurier). So feiern sich die Rechtsextremen als „unblockierbar“ – in Wirklichkeit verschwinden sie damit aber am 13. Februar in der Bedeutungslosigkeit und sind erfreulich marginalisiert. Dies ist ein Erfolg der vielen Menschen, die in den vergangenen Jahren die Neonazis in Dresden blockiert haben. Als Wehrmutstropfen bleibt der Vorabend, an dem 500 Neonazis mit Fackeln durch Dresden gelaufen sind: Hier müssen sich Stadt und Polizei fragen lassen, warum sie ihre Informationen der Zivilgesellschaft vorenthalten und damit größere Proteste und Blockaden verhindert haben. Es bleibt abzuwarten, ob diese Verlagerung eine Strategie ist, die in den nächsten Jahren noch zu Problemen führen wird. Dresden kann man jedenfalls nur raten, den 13. Februar auch in Zukunft als Aktionstag gegen Rechtsextremismus beizubehalten, statt zum „Gedenken“ zurückzukehren. Den Umgang mit Rechtsextremen in der Stadt kann Dresden diesmal leider schon im Juni wieder üben: Am 07. Juni findet dort erstmals der bisher im Norden beheimatete rechtsextreme „Tag der deutschen Zukunft“ statt.
Mehr auf netz-gegen-nazis.de:
| Twitter-Ticker zu Dresden 2014
| So waren die vergangenen Jahre in Dresden
Mehr im Internet:
| Der 13. Februar in Dresden (kurzer Bericht und Fotos bei Woschod.de)