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Echzell Festival gegen Rechts soll über gefährliche Aktivitäten der ortsansässigen Neonazis aufklären

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Im hessischen Echzell macht die Zivilgesellschaft am Samstag lautstark darauf aufmerksam, dass sie ein Rechtsextremismus-Problem in ihrem Ort sieht ? und das nicht hinnehmen will. Das Bündnis ?Grätsche gegen Rechtsaußen? veranstaltet in Echzell ein Festival gegen Rechtsextremismus und versucht damit, über die rechtsextremen Aktivitäten im Ort aufzuklären. Unterstützt wird das Festival von der Sportjugend Hessen, dem hessischen Beratungsnetzwerk und vielen lokale Vereine.

Viele Aktivitäten beleuchten ein großes Problem

Gegen 15 Uhr beginnt das Festival mit einem Fußballturnier und endet mit Live-Musik von ?Hartmann? und ?Fräulein Wunder? und anschließender Disko. Erwartet werden rund 800 Leute: ?Wir haben erhalten immer mehr Zusagen?, so Manfred Linss von ?Grätsche gegen Rechtsaußen?. Neben den sportlichen und musikalischen Angeboten, können die Besucher ihr Wissen über Rechtsextremismus testen. An vielen Informationsständen werden darüber hinaus Hilfe und Tipps im Umgang mit Rechtsextremen angeboten. Weiteres Highlight ist eine Fotoausstellung mit dem Titel ?Gemeinsam gegen Rechtsaußen?. Diese wird unterstützt von Prominenten wie Martin Stöck und Cherry Gehring von Pur, Alex Auer, Xavier Naidoo und Leon Taylor, Hessens Vertreter beim Bundesvision Songcontest 2010. Das Festival steht unter der Schirmherrschaft des Bürgermeisters Dieter Müller und ist gedacht für Familien, Kinder und Jugendliche, die sich gegen Rechtsextremismus wehren wollen. ?Ziel ist es, alle Bürger und insbesondere Jugendliche zum Hinschauen auf die rechtsextremen Umtriebe in der Wetterau und den angrenzenden Landkreisen zu bewegen?, so die Bürgerinitiative in ihrer Ankündigung.
Alle Künstler auf dem Festival spielen übrigens ohne Gage. Die Erlöse des Festivals sollen der Bürgerinitiative zugute kommen. Und die hat alle Hände voll zu tun.

Aggressive Rechtsextreme, die wenig fürchten

Die Arbeit gegen Rechtsextremismus in Echzell ist ein Aufgabenfeld mit großem Umfang. In den letzten Wochen war der Ort in den Medien, weil eine Gruppe Neonazis einen 58 Jahre alten Mann von einer Leiter heruntergestoßen hatte und diesem, während sie auf ihn einschlugen, die Hose auszog. Der Mann konnte sich halbnackt in sein Haus flüchten. Er erlitt bei dem Angriff eine Wunde am Kopf und mehrere Schürfwunden am Rücken. Besonders perfide ist, dass der Vorfall gefilmt wurde und als eine Art ?Warnung? an die Bürgerinitiative bei Youtube hochgeladen wurde. In fehlerhaftem Deutsch steht unter dem Video: ?jetzt kann sich das ganze ort mal ein bild machen was die so zusagene bürgerinitiative für ein haufen ist und was die für einen müll von sich geben?.

Abgespielt hat sich der Übergriff vor dem Haus von Patrick W., einer der Hauptfiguren der Echzeller Neonazi-Szene. Laut der ?Neuen Rheinischen Zeitung? prallt W. gerne damit, dass er als Jugendlicher einen Migranten mit einem Messer niedergestochen hat und nennt sich daher der ?Schlitzer?. W. versammelt um sich eine Gruppe namens ?Old Brothers?. Zum harten Kern sollen rund 15 Personen und zum Umfeld der Gruppe rund 30 Personen zählen. Das Zeichen der Gruppe ist ein Totenkopf, welcher stark an das Symbol der Waffen-SS erinnert.

Ein Strippenzieher scharrt die Jugend um sich

Der nach eigenen Angaben hoch verschuldete Neonazi, besitzt laut Recherchen aus dem Ort mehrere Geschäfte. Zum einen gehöre ihm ein Tattoo-Studio, an welches ein Versandhandel angegliedert ist. Zum Angebot des Shops gehören vor allem T-Shirts mit rechtsextremen Aufdrucken, wie ?C18? (Combat 18), ?Arische Kämpfer? oder ?Hunting Season? (mit zusätzlichem Aufdruck, wie Schwarze von Weißen niedergeschossen werden). Außerdem sollen W. noch ein Taxi-Unternehmen und eine Hundezucht gehören.

Besonders gefährlich: Patrick W. versucht aktiv, die lokale Jugend für seine Ideologie zu gewinnen. Dafür bietet sich W. als eine Art Sozialarbeiter an. Auf der Seite des sozialen Netzwerks ?wer-kennt-wen? wirbt die Gruppe ?Old Brothers? um interessierte Jugendliche, indem sie verspricht, dass sich die Mitglieder umeinander kümmern und aufeinander aufpassen.

?Brausekammer?-Partys…

Gerne soll er laut Recherchen lokaler Akteure die Jugendlichen zu Partys in seinem Haus einladen ? unter anderem zu sogenannten ?Brausekammer?-Partys, wie die Neue Rheinische Zeitung berichtet. Diese fänden in einem unscheinbaren Raum im hinteren Teil seines Hofes statt. Der etwa 45 Quadratmeter große Raum sei mit einer kargen Innenausstattung eingerichtet: kleines Drahtglasfenster, einige Tische, gemauerte Bänke mit hölzerner Sitzfläche, ?Table-Dance-Stange? und eine Theke. Über der Bar sei eine Rohrleitung mit Brauseköpfen montiert. Als Party-Highlight lasse W. aus einer Nebelmaschine Nebel durch die Brauseköpfe in den Partyraum. Dieser vermeintliche ?Partygag? soll eine Vergasung darstellen und verhöhnt so die Ängste und Leiden der KZ-Opfer.

… und immer wieder Gewalt

Wie machtlos die Echzeller Anwohner sich gegenüber diesem schrecklichen Treiben fühlen, zeigt ein weiterer Übergriff der Neonazis im November 2009. Als eine Gruppe laut pöbelnd und schreiend von dem Hof von Patrick W. durch die angrenzenden Straßen läuft, beschwert sich eine Frau und bittet die Störer um Ruhe. Daraufhin beschimpfte die Gruppe die Frau und telefonierte laut vor ihrem Haus. Der vermeintliche Gesprächspartner wurde gebeten, doch Benzin mitzubringen, da ein Haus angezündet werden muss, so berichtet die Neue Rheinische Zeitung. Die Anwohnerin rief daraufhin die Polizei. Als diese kommt, wird sie von dem pöbelnden Mob beschimpft. Die Polizei forderte die Anwohnerin nur auf, vom Fenster weg zu gehen und nicht mehr zu provozieren, dann verschwindet sie wieder.

Daraufhin eskaliert die Situation. Die Neonazis verschaffen sich Zutritt zu dem Hof und verprügeln den Ehemann. Den Vorwurf, dass die Polizei bei Vorfällen mit Neonazis nicht hart genug eingreift, musste sie sich schon oft anhören. So auch im anfangs geschilderten Fall mit dem 58-jährigen Mann, der von einer Leiter gestoßen wurde. Laut Echo Online stand die Polizei wohl gegenüber vom Haus und griff viel zu spät in das Geschehen ein. Diesen Vorwurf wies die Polizei zurück. Ein Polizeisprecher betonte, dass ein Beamter eingeschritten sei, während ein Zweiter im Innenhof des Gebäudes wartete und ein Praktikant direkt neben dem Geschehen stand, dieser habe nur leider keine Eingriffsbefugnis gehabt.

Kein Wunder also, dass sich die oft allein gelassen fühlen, die sich gegen die Neonazis im Ort zur Wehr setzen. Im gegen dieses Ohnmachtsgefühl anzugehen, wurde November 2009 die von der Gemeinde unterstützte Bürgerinitiative ?Grätsche gegen Rechtsaußen? gegründet. Das Bündnis informiert über die Situation im Ort und steht im regen Austausch mit anderen Initiativen, mit Medien und mit Entscheidungsträgern der Gemeinde. So wurde im Juni 2010 gemeinsam mit der Gemeinde eine Resolution gegen Rechtsextremismus verabschiedet.
?Wir verstehen das Festival als Auftakt für viele weitere Veranstaltungen und Aktionen gegen Rechtsextremismus?, so Manfred Linss. Demnächst soll auch ein gemeinnütziger Verein gegründet werden. ?Dadurch wird unsere Arbeit besser organisiert. Wir können viel leichter neue Unterstützer und Spender gewinnen.? Manfred Linss betont weiter, dass die Arbeit der Engagierten im Ort vor allem auf Spenden basiert und diese auch weiterhin notwendig sind, um gegen die lokalen Neonazis aktiv zu werden. Das Festival am Samstag ist ein weiterer Versuch, den rechtsextremen Aktivitäten im Ort etwas entgegenzusetzen.

Mehr dazu im Netz:

| BI „Grätsche gegen Rechtsaußen“

| Festival in Echzell

| Thementag auf YouFM ?Rechtsextremismus in Hessen?

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