Zur interaktiven Karte geht es hier.
Neun Mal pfeifen Kugeln durch die Nacht. Neun Mal treffen die Schüsse aus der Druckluftwaffe vor ein paar Tagen die Flüchtlingsunterkunft in Hofheim. Verletzt aber wird bei dem Angriff keiner der 53 Flüchtlinge, die sich zu diesem Zeitpunkt in den Containern aufhalten.
Der Vorfall aus Hessen ist keine Ausnahme. Obwohl die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung für die Aufnahme von Asylbewerbern vielerorts groß ist, nimmt die Zahl der Angriffe auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte zu. Spätestens seit dem Brandanschlag von Tröglitz in Sachsen-Anhalt stellt sich die Frage, wie sicher die Menschen, die aus ihren Ländern geflohen sind, in Deutschland wirklich leben können.
Die „Welt“ hat nun versucht, einen möglichst genauen Überblick über die Vorfälle zu geben. Die interaktive Karte zeigt, wo es in Deutschland seit Anfang 2014 Brandanschläge, Sachbeschädigungen, Körperverletzungen oder Demonstrationen gegen Flüchtlinge gab. Grundlage dafür sind die aktuellen Zahlen der Amadeu Antonio Stiftung, die in einer Chronik laufend Berichte aus Zeitungsartikeln und Meldungen von lokalen Initiativen zusammenfasst.
Ost-West-Gefälle bei der Gewalt
Die Analyse zeigt, dass der Anschläge alles andere als Einzelfälle ist. Mit zuletzt deutlich steigenden Flüchtlingszahlen nehmen auch die Übergriffe auf Ausländer in vielen Regionen zu. Asylbewerber werden in der Bundesrepublik nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt. Die Höhe der Steuereinnahmen und die Bevölkerungszahl entscheidet darüber, welches Bundesland wie viele Bewerber aufnimmt.
In fast jedem Bundesland gibt es mittlerweile Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und Hetze gegen Ausländer. Setzt man dabei die Anzahl der Vorfälle mit der Einwohnerzahl in Relation, fällt ein Ost-West-Gefälle auf: Auch wenn beispielsweise insgesamt die Zahl der Übergriffe auf Heime in den westdeutschen Ländern größer ist, so ist Gewalt gegen Asylbewerber in Ostdeutschland relativ gesehen besonders verbreitet. Vor allem in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Sachsen wurden Übergriffe registriert. Der Freistaat, in dem im vergangenen Jahr gewählt wurde, verzeichnete dabei überproportional viele Vorfälle.
Offizielle Angaben der Ermittlungsbehörden bestätigen den Trend, der sich aus den Angaben der Amadeu Antonio Stiftung ableiten lässt. Allein im Jahr 2014 wurden mehr als 150 Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gezählt. Und nach Angaben des Bundesinnenministeriums hat die Zahl zuletzt weiter zugenommen.
Private Sicherheitsdienste bewachen die Heime
Angesichts der insgesamt zunehmenden Übergriffe stellt sich unter anderem die Frage, wie sicher Flüchtlinge mittlerweile in Deutschland sind. Der Landrat des Burgenlandkreises, Götz Ulrich (CDU), hat erklärt, er sei nicht sicher, dass die Flüchtlinge in Tröglitz wirklich sicher sein werden. Dafür könne er nicht garantieren. Unionsfraktionschef Volker Kauder warnte dagegen in der ARD: Die Sicherheit müsse gewährleistet sein. „Es darf nicht die Botschaft sein aus Tröglitz, dass sich Flüchtlinge in unserem Land nicht mehr sicher fühlen können“, sagte der CDU-Politiker.
Eine Umfrage in mehreren Bundesländer zeigt, dass sich die Sicherheitsbehörden der besonderen Gefahr für Flüchtlingsunterkünfte bewusst sind. Das Innenministerium in Rheinland-Pfalz erklärt dazu: „Flüchtlingsunterkünfte oder Asylbewerberheime unterliegen grundsätzlich einer abstrakten Gefährdung.“ Die Aufgabenteilung beim Schutz sieht so aus, dass die Länder vor allem für die zentralen Aufnahmeeinrichtungen verantwortlich sind. Die Kommunen oder private Betreiber wiederum kümmern sich um die Unterkünfte, wo die Flüchtlinge anschließend unterkommen.
In Niedersachsen zum Beispiel werden die zentralen Standorte in Bramsche, Braunschweig und Osnabrück laut Innenministerium durch private Sicherheitsdienste rund um die Uhr bewacht. Vielerorts ist der Einsatz von solchen Wachdiensten die Regel. Im Grenzdurchgangslager im niedersächsischen Friedland, wo etwa Flüchtlinge aus Syrien ankommen, gibt es rund um die Uhr einen Feuerlösch- und Bewachungsdienst. Bei Bedarf werden die rund 300 Asyleinrichtungen im Land besonders geschützt – das ist derzeit aber nicht der Fall.
Auch in Bayern richtet sich der Schutz der Asylbewerberheime nach der möglichen Bedrohungslage. In Sachsen wird vor der Eröffnung einer neuen Unterkunft mit der jeweiligen Polizeidienststelle ein Sicherheitskonzept erstellt, in das der Einsatz von Wachleuten, Meldewege bei Angriffen oder bauliche und technische Sicherheitsmaßnahmen einfließen.
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Dieser Text wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Welt Online. Erstveröffentlicht am 15.04.2015.