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Endlich Mehr saftige Strafen für Hate-Speech im Internet

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Screenshot Twitter: Lutz Bachmann bezeichnet Asylbewerber als "Viehzeug" "Dreckspack" und "Gelumpe" (Quelle: Screenshot )

Erst Anfang dieses Monats hat der Europarat vor Zunahme von Hassrede im Internet gewarnt. Aus dem Jahresbericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) geht hervor, dass das Medium Internet Rassismus und Intoleranz befördert. Das sieht nicht nur der Europarat so, sondern auch Netzaktivist_innen und Monitoringstellen. Sie beobachten das Geschehen im Netz und sorgen dafür, dass strafrechtlich relevante Fälle bei der Polizei angezeigt werden.

Ein prominentes Beispiel für so einen Fall ist die Anzeige gegen „Kagida“-Organisator Michael Viehmann. Dieser hatte im letzten Jahr auf seiner Facebook-Seite das Bild eines toten, verschütteten Kleinkindes gepostet und antisemitisch kommentiert. Die Staatsanwaltschaft Kassel wirft Viehmann deshalb Volksverhetzung nach§ 130 des Strafgesetzbuches vor, da sein Eintrag geeignet sei, „zur Aufstachelung zum Hass gegen eine religiöse Gruppe den öffentlichen Frieden zu stören“.  Laut Strafbefehl hätte Viehmann eine Geldstrafe von 120 Tagessätze entrichten müssen, die abhängig vom seinem Einkommen berechnet wird. Jedoch hat Viehmann nun Einspruch gegen das Urteil eingelegt. Nun folgt eine Gerichtsverhandlung, wobei das genaue Datum noch nicht bekannt ist.

Ob auch Lutz Bachmann, der Initiator der Pegida-Demonstrationen wegen seiner rassistischen Kommentare auf Facebook angezeigt wird, entscheidet sich erst im Augst, nachdem noch weitere Zeug_innen vernommen worden sind. Er hatte im September letzten Jahres Asylbewerber_innen in Kommentaren auf Facebook als „Dreckspack“, „Gelumpe“ und „Viehzeug“ bezeichnet, weswegen ein Anfangsverdacht auf Volksverhetzung besteht. Dass diese Beleidigungen, die unter Bachmanns vollem Namen mit Foto von ihm veröffentlicht wurden, nicht genügen, um Anzeige zu erstatten, ist verwunderlich. Jedoch ist es im Internet oft nicht leicht, eindeutig nachzuweisen, dass wirklich die besagte Person zum besagten Zeitpunkt von ihrem Computer aus gepostet hat. Dabei bestehen verschiedene Barrieren, wie beispielsweise der Zugang zu Daten von internationalen Unternehmen wie Facebook, zumal Beleidigung in den USA nicht strafrechtlich verfolgt wird.

Zu einer saftigen Geldstrafe über 900€ wurde jüngst auch NPD-Stadtverordneter Pascal Stolle vom Amtsgericht Brandenburg an der Havel verurteilt. Er hatte am 20. April des letzten Jahres zu Adolf Hitlers Geburtstag ein in Kerzenschein getauchtes Bild von diesem auf seiner eigenen Facebook-Seite gepostet und mit dem Slogan „Damals wie heute“ kommentiert, eine populäre Nazi-Parole die eigentlich auf „Hitlerleute“ endet. Für dieses Posting wurde er nach §86a des Strafgesetzbuches wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt. Aufmerksam geworden auf den verfassungswidrigen Post war das  Aktionsbündnis Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, das den Fall dokumentierte und anzeigte. Mittlerweile ist Pascal Stolle gemeinsam mit Maik Eminger, dem Bruder des im Münchener NSU-Prozess angeklagten Andre Eminger, mit dem Aufbau der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ im Land Brandenburg beschäftigt.

Mit einer Geldstrafe kamen die Betreiber der Nazi-Seite Thiazi-Forum im Juni dieses Jahres nicht davon. Sie hatten sich mit Verherrlichung des Holocausts und Verbreitung rechtsextremer Musik der gemeinschaftlich begangenen Volksverhetzung in mehreren Hundert Fällen schuldig gemacht. Mehr als 1000 Musikdateien wurden zum Download bereitgestellt, diese hatte der Richter des Rostocker Landgerichts als „jugendgefährdende Medien“ eingestuft. Drei der Betreiber sind bereits verurteilt, das Urteil des Hauptangeklagten steht noch aus und wird im September erwartet. Eine aus Hessen stammende Frau, die vom Gericht als Rädelsführerin der Gruppe eingestuft wird, wurde zu einer Bewährungsstrafe von 2 Jahren verurteilt, zwei weitere Männer aus Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg wurden zu einem Jahr und acht Monaten und einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Als Administrator_innen der Seite wären alle von ihnen in der Lage gewesen, Kommentare und Inhalte zu löschen oder gar nicht erst zu veröffentlichen.

Dass selbst „Gefällt-mir“ Klicks strafbar sind, zeigt ein weiterer Fall aus dem Landkreis Freyung-Grafenau in Bayern aus dem Januar 2014. Die Angeklagten hatten sich nicht nur aktiv sondern auch passiv der Volksverhetzung  schuldig gemacht. Die beiden Männer hatten ein Posting geliked, in dem dazu aufgerufen wurde, einen dunkelhäutigen Menschen mit dem Auto zu überfahren“. Für beide Täter endete der Prozess mit einer Geldstrafe, der Vorbestrafte Stefan B. musste 60 Tagessätze a 65€ zahlen, schlappe 3900€ – so teuer kann ein Klick sein.

Oft werden Fälle der Volksverhetzung im Internet nur bei Personen des öffentlichen Interesses bekannt, da diese von der Netzgemeinde  besonders unter die Lupe genommen werden. Jedoch ist das Internet voll von Kommentaren und Postings mit menschenfeindlichem Inhalt und da es bisher noch keine „Polizei-Streife“ im Internet gibt, ist es umso wichtiger, dass die Netzgemeinschaft genau hinschaut und strafrechtlich relevante Beiträge bei der Polizei anzeigt. Denn während früher verbale Beleidigungen oft nicht nachgewiesen werden konnten, kann ein Kommentar bei Facebook als Beweismittel dienen. 

 

Aktuelle Beispiele aus dem Juli 2015:

„1100 x cal 7,62 und dann feuer frei – weg mit dem asylantenschmarotzerpack“ – Rausschmiss aus sächsischem Reservistenverband der Bundeswehr (BILD)Nach Brand vor Erstaufnahmelager: „was? vor den Mauern. In den (sic!) Gebäude wäre besser. schlecht gezielt.“ – Job als Führungskraft des Supermarkt-Konzerns Spar in Graz (Österreich) verloren (Kurier.at)“Flammenwerfer währe (sic!) da die bessere Lösung“. (angesichts eines Flüchtlingskindes, dass in einer Wasserfontäne spielt) – Lehrstelle bei Porsche verloren (nachrichten.at)“300 arme Flüchtlinge in Designerklamotten und Smartphones“, „nur gefühlte 10 Prozent echte Flüchtlinge, der Rest reine Schmarotzer und Wirtschaftsflüchtlinge.“ – Job beim DRK verloren (Mopo24)“I hätt nu a Gasflasche und a Handgranate rumliegen für des Gfrast. Lieferung frei Haus.“ – 7.500 Euro Strafe, Volksverhetzung (BR)“Glei weg damit, a 9 mm kost ned viel“ (auch gegen Flüchtlinge) – 3 Monate Haft (Österreich) (heute.at)„Wir sollten die Duschen wieder öffnen und brauchen mehr Ascheplätze.“ – 500 Euro, Volksverhetzung (WZ-NewslineRheinische Post)

Teil 1: Gibt es im Moment mehr Hass?Teil 2: Wo kommt der Hass nur her?Teil 3: Hass-Karten und der Zusammenhang zwischen Netz und ÜbergriffenTeil 4: Hass-Emails und Agieren der NetzwerkeTeil 5: Was können wir konkret gegen den Hass im Internet tun?Teil 6: Immer mehr saftige Strafen für Hate Speech im Internet

Mehr im Internet:

Weitere Fälle, bei denen auf Volksverhetzung im Internet Strafen folgten| Volksverhetzung auf Facebook: Zwei Männer verurteilt| Geldstrafe nach Verherrlichung von Adolf Hitler| Bewährung für Betreiber von Nazi-Seite | Verdacht auf Volksverhetzung: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kagida Organisator | Internet ist kein rechtsfreier Raum 

Was ist im Internet strafbar? Warum ermittelt die Polizei so selten? Anworten im Bericht:| „Hass-Postings“: Kein Fall für die sächsische Polizei?

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NSU Prozess

NSU – Wir müssen über strukturellen Rassismus reden!

Seit Mai 2013 stehen fünf Angeklagte im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München vor Gericht. Was dort allerdings kaum zur Sprache kommt: Der Rassismus bei der Polizei, der lange die Aufklärung verhinderte. In Berlin diskutierten hierzu Liz Fekete vom „Institute of Race Relations“ in London und die Nebenklagevertreterin Antonia von der Behrens bei der Veranstaltung „Why the NSU Case matters – Structural Racism in Europe” in der Humboldt-Universität. Ihr Fazit: Ohne Debatte über strukturellen Rassismus in Deutschland kann die Auseinandersetzung mit dem NSU-Komplex keine Früchte für die Zukunft tragen.

Von Joschka Fröschner

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