Das gilt etwa, wenn in der Rechtsaußen „NGO“ „Ein Prozent für Deutschland“ der neurechte Vordenker und Publizist Götz Kubitschek („Institut für Staatspolitik“, „Sezession“) , der Querfront-Publizist und Herausgeber des „Compact“-Magazins, Jürgen Elsässer, der Strafrechtler und AfD-Sympathisant Prof. Karl Albrecht Schachtschneider und der Vorsitzende der Patriotischen Plattform (PP) in der AfD, Dr. Hans-Thomas Tillschneider gemeinsam mit Burschenschaftlern und Aktivisten der „Identitären Bewegung“ aktiv sind (vgl. ngn). Diese Zusammenarbeit funktioniert auch ganz praktisch: Im Dezember 2016 stehen in Berlin nach dem Attentat auf dem Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz auf der Straße, um die Tat zu instrumentalisieren, bevor alle Hintergründe überhaupt klar sind: Die AfD-Politikern Björn Höcke und Alexander Gauland, dazu Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer. Außerdem haben AfD-Funktionäre in verschiedenen Bundesländern Kontakte zu NPD, rechtsextremen Hooligans, rechtsextremen Burschenschaften, flüchtlingsfeindlichen Organisationen und Identitärer Bewegung (vgl. ngn). Der Landesverband Saarland soll deswegen gar aufgelöst werden. Wird er dann aber doch nicht. Auch rechtsextremen Medien wie dem „Zuerst“-Magazin gibt die AfD gern Interviews. Auch der (vor allem noch in Dresden existenten) „Pegida“-Bewegung hat sich die AfD angenähert – auch wenn diese zunehmend rechtsextremer agi(ti)ert. Schon im April lobt AfD-Thüringen-Chef Björn Höcke „Pegida“ als „parlamentarische Vorfeldorganisation in Dresden“, im Mai lädt er „Pegida“-Mitbegründer Siegfried Däbritz ein, in Erfurt auf einer AfD-Demonstration zu sprechen. Auch inhaltlich und sprachlich verliert die AfD diesbezüglich Hemmungen. So etwa, wenn Frauke Petry im Februar einen Schießbefehl auf Geflüchtete an der Grenze befürwortet (was Beatrix von Storch später im Internet gar als Schießbefehl auf Frauen und Kinder bejaht, dann aber als „Mausrutscher“ wieder zurücknimmt) oder der Meinung ist, man müsse einen im Nationalsozialismus geprägten Begriff wie den des „Völkischen“ wieder „positiv besetzen„. Im Oktober sagt sie eine darwinistische Auseinandersetzung zwischen in Europa ansässigen „Transferempfängern“ und dem eingewanderten „Lumpenproletariat der afro-arabischen Welt“ voraus.
Streit gibt es in Baden-Württemberg zwar wegen Antisemitismus, was auch zeitweise die Fraktion spaltet – im Endeffekt werden die Antisemitismus-Befürworter aber wieder in den Schoß der Partei aufgenommen. In Berlin wird ein Kandidat aufgestellt, der zuvor in die islamfeindliche „German Defence League“ zu einer militärischen Organisation gegen Muslime aufbauen wollte. Nichts davon schadet der AfD allerdings im Ansehen bei ihren Wähler_innen – die scheinen all dies akzeptabel zu finden, so lange es eine Partei gibt, in der sich rassistische, islamfeindliche, sexistische und andere menschenfeindliche Abwertungen offen äußern lassen. Auch schlechtes Personal, schlechte parlamentarische Arbeit und massive Streitigkeiten in den Landesverbänden haben keine Auswirkungen auf das Wahlverhalten – was das „Postfaktische“ des Rechtspopulismus ebenfalls unterstreicht. Dagegen muss man es gar als „kontrafaktisch“ feststellen, dass die AfD-Wähler_innen die AfD sogar dann wählen, wenn sich deren Politik gegen die eigenen Interessen richtet – wie es etwa bei Arbeitslosen oder Geringverdiener_innen der Fall ist.
Erfolgreichste politische Taktiken der AfD 2016 sind:
Provokationen um der Pressereaktionen willen – funktioniert praktisch jedes Mal (z.B. während der Fußball-WM, bei der Gauland, von Storch und Petry gegen Nationalspieler mit Migrationshintergrund hetzten; zahlreiche AfD-Tweets nach dem Amoklauf von München und dem Attentat auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin; wenn Frauke Petry fordert, abgelehnte Asylbewerber und illegal Eingereiste sollten auf Inseln außerhalb Europas abgeschoben werden oder dass es zu viele Schwule im Fernsehen gäbe usw.) (vgl. ZEIT) „Underdog“-Image durch das Beharren darauf, etwas „Unterdrücktes“ zu repräsentieren – sei es unterdrückt durch „Political Correctness“, „die da oben“, „Lügenpresse“ usw. -> gemeint ist immer, dass man Abwertungen und Hass gegen Gruppen (z.B. Geflüchtete, Muslime, Frauen, „Gutmenschen“) stärker ausleben möchte, als es bisher gesellschaftlich akzeptiert wäre. behaupten, man spräche „unbequeme Wahrheiten“ aus, die „sonst nirgendwo“ geäußert würden – das stimmt zwar nicht, sichert aber einen Platz in so gut wie jeder Talkshow des Landes.
Rechtspopulismus gewinnt Einfluss
Das neue Selbst- und Sendungsbewusstsein des Rechtspopulismus in Deutschland, dass zunächst durch „Pegida“ und nun durch die Erfolge der AfD befeuert wird, zeigt bereits deutliche Auswirkungen auf das Meinungsklima in Deutschland. Wer versucht, sich für Besonnenheit, für einen differenzierten Umgang mit strittigen Themen, für eine Gleichwertigkeit aller Menschen in Deutschland oder gegen abwertende und spaltende Ideologien wie eben Rechtspopulismus einzusetzen, läuft Gefahr, Opfer von massiven Hasskampagnen zu werden. Wer darauf hinweist, erst Ermittlungsergebnisse abzuwarten, bevor (rassistische) Schlüsse aus Verbrechen gezogen werden, wird zum Befürworter des Terrorismus oder des jeweiligen Verbrechens. Wer sich – etwa als Politiker – gegen Rassist_innen positioniert, wird von diesen als „Antidemokrat“ oder zumindest „antideutsch“ gebrandmarkt, wer sich für die Integration von Geflüchteten einsetzt, wird zum „Linksextremisten“, wer zu Aufmerksamkeit im Umgang mit rechtsextremen und rassistischen Internet-Inhalten anregt, wird zum Zensur-Befürworter, der die Meinungsfreiheit in Deutschland gefährdet. Der Shitstorm, den Werber Gerald Hensel in den letzten Wochen erlebte, nur weil er Firmen dazu aufrief, sich zu überlegen, ob sie wirklich auf rechtspopulistischen Websites werben wollen, war ein erschreckendes in einer ganzen Reihen von Beispielen 2016, wie die – wirklich gut vernetzte – rechtspopulistische Szene viel Kraft entwickeln kann, um einzelne Akteure nach Möglichkeit zu brechen und mundtot zu machen. Wenn rechte Facebook-Kanäle Renate Künast ein falsches Zitat in den Mund legen, dass ihr unterstellt, den Mörder einer Studentin in Freiburg in Schutz genommen zu haben (vgl. Welt), dann bleibt die Empörung in den eigenen Reihen. Wenn allerdings – natürlich unter dem Ruf nach „Meinungsfreiheit“, aber eben nur der eigenen – die Kunden eines ganzen Unternehmens verrückt gemacht werden, Redaktionen belagert und beklagt werden, vermeintliche „Besucher“ die Facebook-Bewertungen lokaler Museen mit Hass überziehen, weil die Geflüchteten freien Eintritt gewähren – dann sollte die demokratische Gesellschaft mit Gelassenheit, Solidarität und pragmatischen Gegenstrategien reagieren. Was sie allerdings noch nicht immer tut. Ein Knackpunkt dabei scheint zu sein: Viele nicht-rechte Menschen erwarten weiterhin nicht, dass es (zumindest formal) gebildete Rassist_innen und Rechtspopulist_innen gibt. Wenn ein Brief ohne Rechtschreibfehler, Bedrohungen oder offen rechtsextreme Codes auskommt, ist die darin enthaltene Ideologie offenbar oft schwer(er) zu erkennen. Vielleicht ist es aber auch Angst, sich zu positionieren, die solidarische und souverän argumentierende Reaktionen manchmal ausbleiben lässt. Daran lässt sich arbeiten für 2017.