Es wäre nicht nur die größte Zuwendung an eine Partei in der Geschichte der Bundesrepublik. Für die AfD geht es um eine regelrechte Lebensversicherung im Fall eines Verbotsverfahrens. Eine Rettungsleine im Wert von schätzungsweise zehn bis 14 Millionen Euro, geerbt von einem obskuren Klospülungserfinder aus Niedersachsen, den der Focus „Toilettenmillionär“ nennt. Zum Vermögen gehören ein Schatz aus Goldbarren und Silbermünzen, Immobilien – und ein stillgelegter Porsche. Allein das Gold soll aktuell einen Wert von mehr als zehn Millionen Euro haben.
Das Vermögen, eigentlich der Partei schon 2018 hinterlassen, war zuletzt Ende Juli 2023 beim Magdeburger Parteitag wieder Thema. AfD-Rechnungsprüfer Eberhard Brett berichtete, dass Profis die Echtheit des Schatzes stichprobenartig überprüft und die Goldbarren gezählt hätten. „Das Auszählen war nicht einfach“, sagte er und zeigte ein vermeintliches Foto davon: Sechs größtenteils grauhaarige Männer in einem Tresorraum, die über Stapeln von Goldbarren und -Münzen auf einem Tisch beugen. „Sie sehen hier im Bild. Es waren sechs Leute dabei. Und es war ständig mit Videos überwacht. Da geht keine Büroklammer verloren“. Das Problem: Einer der Männer hat sechs Finger an der Hand. Im Nachhinein musste ein Parteisprecher betonen, dass es sich um eine fiktive Darstellung handelte, die mit künstlicher Intelligenz erstellt wurde.
Zumindest das Gold soll aber laut AfD echt sein, auch wenn die Echtheitsprüfung der großen Barren noch aussteht. Und über dessen Wichtigkeit für ihre Zukunft sprechen Parteifunktionäre inzwischen ganz offen: „Das Erbe würde uns die Möglichkeit geben, mindestens zwei, drei Jahre den Gesamtbetrieb am Laufen zu haben, bis wir die gegen uns erhobenen Vorwürfe widerlegt haben“, so Carsten Hütter, Schatzmeister der rechtsradikalen Partei, gegenüber der NZZ über ein eventuelles Verbotsverfahren. In Hütters Garage ist übrigens der Porsche zwischengeparkt. Ein Ex-Parteimitglied beschuldigte ihm deshalb Untreue und zeigte ihn an. Die Staatsanwaltschaft Dresden sah allerdings keinen Anfangsverdacht: Hütter habe nur „wertsteigernde Reparaturen zur Erlangung eines höheren Verkaufserlöses“ vornehmen wollen, so ihr Fazit.
Die AfD beobachtet auch nervös die laufenden Verhandlungen in Karlsruhe: Dort wird seit Juli 2023 geprüft, ob die NPD auch ohne Verbot von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen werden kann. Auf dem Magdeburger Parteitag empfiehl Rechnungsprüfer Brett, die „Goldbestände für den Fall des künftigen Ausbleibens staatlicher Teilfinanzierungen unangetastet [zu] lassen“. Doch während seiner wenig charismatischen Präsentation musste er gleich zweimal an sein unaufmerksames Parteipublikum appellieren: „Hören Sie doch bitte zu, es gibt Interessanteres als Prüfungsberichte, aber glauben Sie mir, es ist für uns als Partei von zentraler Bedeutung“.
Es geht für die AfD also womöglich ums Ganze. Doch jetzt müssen die Rechtsradikalen um den Goldschatz bangen. Denn seit Juni ficht eine Angehörige des Verstorbenen den Erbschein an. Es ist die neuste Wende in einem kuriosen Fall, der bereits fünf Jahre zurückgeht. Ein Fall von Verschwörungswahn und Suizid, von verlorenen Cousinen und wirren Testamenten.
Der „Toilettenmillionär“ heißt eigentlich Reiner Strangfeld, 1938er Jahrgang, ein Ingenieur, der unter anderem eine Toilettendruckspülung für die Firma DAL, heute Grohe, erfunden hat. Mehr als 100 patentierte Entwicklungen gehen auf sein Konto zurück. Strangfeld soll in seinen späteren Jahren ein Einzelgänger gewesen sein, er lebte relativ bescheiden, in einer Eigentumswohnung im niedersächsischen Bückeburg. Es war in dieser Wohnung, in einem alten Wandschrank und hinter Kellerfliesen, dass er 61 Kilobarren aus purem Gold sowie Hunderte Gold- und Silbermünzen versteckt hatte. Hinzu kommt ein noch größerer Goldschatz in Schließfächern in Luxemburg.
Am 3. Juli 2018 nahm sich Reiner Strangfeld das Leben. Er fuhr in den frühen Morgenstunden in einem verbeulten Kleinwagen auf eine Wiese bei seiner Heimatstadt und verbrannte sich. Er hinterließ keine Kinder, sein Zwillingsbruder und die Eltern waren schon gestorben. In seinem letzten Testament stand eine einzige Alleinerbin – die AfD. Es war aber bereits das Vierte, das er in den Wochen vor seinem Tod verfasste. AfD-Mitglied war er nicht. Zunächst wollte er sein Vermögen der „rechtesten Partei“ geben und nannte in krakeliger Handschrift lediglich eine Szene-Kanzlei, die Rechtsextreme und Neonazis vertritt, wie der Spiegel berichtet. Erst im Februar 2020 wurde die Zuwendung an die rechtsradikale Partei öffentlich. Seitdem 2018 ist der Wert von Gold um rund 60 Prozent gestiegen.
Auf seinen labilen Zustand gab es mehrere Hinweise. Schon zwei Tage nach seinem Tod schrieb der zuständige Rechtspfleger des Nachlassgerichts in Bückeburg: „Hier ist bekannt, dass bei dem Erblasser eine attestierte Persönlichkeitsstörung bestand. Dies könnte möglicherweise auf eine fehlende Testierfähigkeit hinweisen.“ In der Familie seien seine psychischen Probleme bekannt, berichtet ein Cousin gegenüber dem Spiegel. Er fühlte sich in den letzten Monaten seines Lebens offenbar verfolgt, schrieb im Testament oder in einem Brief an eine Behörde von „akuter Lebensgefahr“ oder einem „Mordversuch“ gegen ihn. Er verlangte Polizeischutz.
Bereits 1999 hieß es in einem psychiatrischen Gutachten: Strangfeld sei „hochgradig denkgestört“ und „nicht in der Lage zu einer adäquaten Realitätskontrolle“. Er litt demnach an einer Psychose, hatte eine „paranoide narzisstische Persönlichkeitsstörung“ sowie „aggressive Durchbrüche mit Wahnerleben und Größenfantasien“. Zweimal wurde er zwangsweise in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Und er wandte sich zunehmend Verschwörungsfantasien zu, Antisemitismus und Rassismus inklusive. Ein Arzt beschimpfte er laut Gutachten als „Ausländersau“, „Juden und Türkensäue“ seien für ihn minderwertige Menschen. Auch der Focus berichtet, dass er sich gegenüber Kolleg*innen rassistisch geäußert habe.
Doch das Nachlassgericht erklärte das Testament für gültig und die Rechtsradikalen bekamen das Gold – erbschaftssteuerfrei sogar, weil Parteien davon befreit sind.
Mittlerweile hat aber womöglich nicht nur die AfD einen Anspruch auf den Goldschatz. Ein Bericht des Spiegel im Januar 2023 über Hinweise auf eine psychische Störung des Erfinders veranlasste eine Erbenermittlungsfirma aus Berlin mit der Aussicht auf Provision, zum Fall zu recherchieren. Sie fand insgesamt 133 Verwandte, 14 von ihnen potenziell erbberechtigt.
Im Juni 2023 hat eine Großcousine des Erfinders einen Antrag beim Nachlassgericht in Bückeburg eingereicht: Sie will, dass der Erbschein „wegen materieller Unrichtigkeit“ eingezogen wird. Begründet wird der Schritt mit Zweifel an der Testierfähigkeit ihres Verwandten. Der Antrag wird derzeit noch geprüft. Sollten die vier Testamente aus Mai 2018 für nichtig erklärt werden und die AfD das Erbe wieder zurückgeben müssen, soll es unter den Angehörigen aufgeteilt werden.
Es sei denn: ein fünftes Testament, 1992 geschrieben, das im Schließfach in Luxemburg gefunden wurde, wird für gültig erklärt. Damals schrieb Strangfeld, dass im Falle seines Todes keine gesetzliche Erbfolge eintrete, er schließe auch alle „Nebenlinien von Vater und Mutter“ aus. Stattdessen soll sein Vermögen „der legalen, deutschen Rechtspartei zufließt, die sich am vehementesten gegen multikulturelle Einflüsse und am deutlichsten für Deutsche in Deutschland einsetzt“. Man kann nur darüber spekulieren, wen er damals meinte.
In der Zwischenzeit wittert die AfD eine Verschwörung: Schatzmeister Carsten Hütter sieht politische Motive am Werk und sagte der NZZ, es habe sich ein Unterstützernetzwerk gegründet, das der AfD das Erbe wieder nehmen wolle. Genauer will er auf Nachfrage nicht werden, so die Zeitung. Gleichzeitig sagt er, ihm bereite das keine Schlaflosigkeit, das Testament sei rechtskräftig und gültig. Auch wenn selbst er nicht bestreiten will, dass Strangfeld episodenweise psychische Probleme hatte.