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„Erika“-Marsch Soundtrack für Nazis, Anime-Fans und Rechtsaußen-TikTok

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Die schiere Masse des "Erika"- Sounds auf TikTok führt zu einer stetigen Normalisierung und zur Bagatellisierung der Verbrechen der Nazis (Quelle: picture alliance / CFOTO | CFOTO)

Besonders TikTok-User*innen wird dieses Lied vielleicht schon begegnet sein: „Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein – Und das heißt – Erika – Heiß von hunderttausend kleinen – Bienelein – Wird umschwärmt – Erika“. Der Marsch des Komponisten Ferdinand Nielebock, bekannt als Herms Niel, erfreute sich nicht nur als NS-Propaganda-Liedgut in den 1930ern großer Beliebtheit, sondern ist heute ein beliebtes Sound-Meme auf TikTok.

Herms Niel komponierte den Marsch für die Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Niel, Hitlers musikalischer Oberzeremonienmeister, war gleich zu Beginn der nationalsozialistischen Diktatur in die NSDAP eingetreten und brachte es bald zum Kapellmeister beim Reichsarbeitsdienst. Seine Marschlieder, die weitgehend der NS-Propaganda dienten, wurden entsprechend ausgiebig vom NS-Regime gefeiert und verbreitet. Auf den Reichsparteitagen der NSDAP in Nürnberg dirigierte Niel etwa alle Musikzüge.

Soundtrack für Hitlers Vernichtungskrieg

Nielebock lieferte mit Kompositionen wie „Denn wir fahren gegen Engeland“, „Erika“, dem „Panzerkampflied“ oder „Wir stürmen dem Siege entgegen“ den Soundtrack für Hitlers Vernichtungskrieg. Umso problematischer ist es, dass sich das Lied besonders auf TikTok zu einem Sound-Meme entwickelt hat.

Inhaltlich glorifiziert „Erika“ den deutschen Wehrmachtsoldaten und die Soldatenfrau als seine treue Begleiterin. Das Marschlied wird aus der Perspektive eines Soldaten gesungen, der sich nach seiner Liebsten in der Heimat sehnt, während er an der Front kämpfen muss. Es verkörpert so starre Geschlechterkonzepte des seine Heimat verteidigenden starken Mannes und der zu Hause wartenden schönen Frau. Zeilen wie „In der Heimat weint um dich ein Mägdelein“ verorten die Frau in ihrer passiven Rolle an der Heimatfront. Ganz im Einklang mit der nationalsozialistischen Ideologie propagierte das Lied so soldatische Tapferkeit und Opferbereitschaft. Als Lohn wartet aber die Frau, „ein Mägdelein“, das um ihren Geliebten „weint“.

 „Erika“ wird zum TikTok-Trend

Als Internet-Meme geisterte es bereits durch die Foren und Boardkultur seit 2010. Etwa 2021 wurde das Lied schließlich zu einem Sound-Meme im Gaming-Bereich und auf TikTok. Die Videos auf TikTok mögen nicht alle Bezüge zum Zweiten Weltkrieg oder NS-Ideologie haben, aber zahlreiche Videos zeigen eindeutige Symbole und Bilder der Wehrmacht.

Eine beliebte Strategie, um den Nationalsozialismus zu verherrlichen, ist die Inszenierung der Accounts als geschichtsinteressiert. Auf TikTok wurde das Lied etwa mit Bildern tanzender Juden unterlegt. Der antisemitische Kontext wird erst ersichtlich, wenn man den Hintergrund zum Lied kennt, das die musikalische Untermalung des Massenmords an Jüdinnen und Juden war. Dieses Beispiel wurde im Verfassungsschutzbericht 2021 aus Brandenburg erwähnt. Bezeichnend ist, dass die Sounduploads weit über Deutschland hinaus populär zu sein scheinen.

Musikalische Untermalung von Anime-Girls, die auf deutschen Nazipanzern Krieg spielen

Das Lied wird etwa in der japanischen Anime-Serie „Girls und Panzer“ (GuP) verwendet. Die Serie war Teil eines japanisches Franchise und zeigt einen Wettbewerb zwischen Mädchenoberschulen, die Panzerkrieg als Sport betreiben. Eine der Protagonistinnen heißt Erika. Die japanische Anime-Serie „Strike Witches“ verwendet das Lied ebenfalls. Die Serie spielt in einer alternativen Realität während des Zweiten Weltkriegs. Das taktische Ego-Shooter-Spiel „Hell Let Loose“, das ebenfalls die Zeit während des Zweiten Weltkriegs darstellt, spielt „Erika“ immer dann ab, wenn die Achsenmächte (Deutschland, Japan und Italien) eine Runde gewinnen. Sogar Techno-Remix-Versionen des alten NS-Propaganda-Liedes gibt es mittlerweile.

Besonders durch den militärischen Klag des Marsches und der hackigen deutschen Sprache, dürfte vielen User*innen der Bezug zu Nazi-Deutschland recht einfach fallen. Der Sound wird genutzt, um sich positiv auf die NS-Zeit zu beziehen. Die schiere Masse dieses Sounds auf TikTok führt dabei zu einer stetigen Normalisierung und zur Bagatellisierung der Verbrechen der Nazis – ganz nach dem Wunsch von Björn Höcke, nach einer „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad”.

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