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Expansion Unzensuriert gibt es jetzt auch in Deutschland

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HC Strache teilt immer wieder "unzensuriert.at"-Artikel mit seinen fast 600.000 Facebook-Fans. Hier ist er bei einem Wahlkampfauftritt zu sehen. (Quelle: Flickr / _dChris / CC BY-NC 2.0)

 

 

“20 Asylwerber traten in Hungerstreik: Sie fordern 2.000 Euro netto Taschengeld.“ Das ist der Titel eines Artikels auf “unzensuriert.at”, der im Jahr 2015 insgesamt 134.026 mal geteilt, geliked oder kommentiert wurde. Damit ist der Text auf dem dritten Platz der Jahresbestenliste von 10.000 Flies“ gelandet, einem Portal, dass Interaktionen in deutschsprachigen sozialen Medien misst und veröffentlicht. Mit dem Wahrheitsgehalt des Artikels hat das nichts zu tun:  Mimikama –  eine Seite, die virale Falschmeldungen enttarnt–  erklärt, dass die Geflüchteten lediglich ankündigten,  in den Hungerstreik zu treten zu wollen, und das nicht für “Taschengeld”, sondern nur, um das Asylverfahren zu beschleunigen.  Ein tatsächlicher Streik fand nie statt. Auch die Kärntner Polizei dementierte die Behauptungen.

 

Screenshot aus einem „unzensuriert.at“-Artikel von 2012. Chefredakteur ist hier noch Martin Höferl (FPÖ).

 

Schon im Januar 2015, also nach den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln, waren zehn der 50 weitverbreitetsten österreichischen Artikel von “unzensuriert”. Im Social-Media-Ranking österreichischer Facebookseiten liegt die Seite mit fast 54.000 Fans zur Zeit auf Platz 181. Posts werden aber immer wieder FPÖ-Politikern geteilt und dadurch immer weiterverbreitet. Ganz oben mit dabei ist der FPÖ-Vorsitzende HC Strache. Strache hat seit Anfang 2016 mehr als 230 Mal Artikel von “unzensuriert” verlinkt und damit an seine zur Zeit fast 587.000 Facebook-Fans verteilt. Laut “Similarweb”, einer Seite mit deren Hilfe Zugriffszahlen abgerufen werden können, hat “unzensuriert” momentan monatlich etwa 640.000 Besucher. Bemerkenswert dabei: Mehr als die Hälfte des Traffics kommt aus Deutschland.

 

Seit dem 30. März 2017 hat unzensuriert.at jetzt allerdings auch einen deutschen Ableger, “unzensuriert.de“. Die Einträge im Impressum der beiden Seiten sind dabei gleich: Verantwortlich ist die “1848 Medienvielfalt Verlags GmbH“.  Die Website unzensuriert.at geht auf Martin Graf zurück, FPÖ-Politiker und ehemaliger Nationalratspräsident, der seine Rundbriefe auf der Seite veröffentlichte. Wer heute in der Redaktion der Seite sitzt, ist nicht klar. Der Geschäftsführer der “1848 Medienvielfalts Verlags GmbH“ ist laut seiner eigenen Website und eines Eintrags auf der Website der “Wirtschaftskammer Österreichs“  Walter Asperl, der ehemalige Büroleiter von Graf. In Medienberichten taucht auch immer wieder der Name Alexander Höferl auf, der ansonsten das FPÖ-Kommunikationsbüro leitet. In einem Artikel auf unzensuriert.at vom 02. Mai 2012 wird Höferl als Chefredakteur bezeichnet.

 

Screenshot von den Wirtschaftskammern Österreich

 

Bei der “Wirtschaftskammer Österreichs“ taucht Höferl neben Asperl als stellvertretender Obmann des Vereins “Unzensuriert – Verein zur Förderung der Medienvielfalt“  auf.  Der Verein hält demnach 51% der Anteile der GmbH. Die restlichen 49% gehören dem “Ares Verlag” aus Graz.

 

Deutsch-Österreichische Freundschaft

 

Der “Ares Verlag” wird von Wolfgang Dvorak-Stocker betrieben. Dvorak-Stocker ist kein Unbekannter in rechtsextremen Zirkeln. In den 1990er Jahren war er an “Zur Zeit“ beteiligt, einer als “deutschnational“ eingestuften österreichischen Wochenzeitung.  Bis heute gibt er die “Neue Ordnung“ heraus, eine vierteljährlich erscheinende Zeitschrift, die das “Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes” (DÖW) als rechstextrem einstuft. In dritter Generation leitet Dvorak-Stocker den “Leopold Stocker Verlag“, der 1919 von seinem Großvater gegründet wurde. “Agraringenieur Stocker druckte Fachliteratur für Landwirtschaft, Antisemitismus und Nationalsozialismus“, beschreibt die “Zeit“ das Verlagsprogramm. Später übernahm Leopold Stockers Tochter Ilse die Zügel und veröffentlichte unter anderem die Werke des Holocaustleugners David Irving in Österreich. Nachdem Wolfgang Dvorak-Stocker die Familiengeschäfte übernahm, lagerte er das politische Programm aus und gründete 2004 den “Ares Verlag”. Hier erscheint heute zum Beispiel “Österreich im Feuer – Tragödie der Tapferkeit  1939-1945“, “Gigantische Visionen“ über die geplante Monumentalarchitektur des Nationalsozialismus, “Kinder brauchen Mütter“ oder “Der AIDS-Mythos“.

Dvorak-Stockers Aktivitäten sind aber nicht auf Österreich beschränkt. Auf der Website der Zeitschrift “Sezession“, die von Götz Kubitscheks Institut für Staatspolitik herausgegeben wird, wurde er bis zum Relaunch der Website als Redaktionsmitglied gelistet und gilt als Mitherausgeber. In der gedruckten Ausgabe wird er ebenfalls im Impressum geführt. Und auch auf der Website von “Ein Prozent für unser Land“, einer neurechten Bürgerinitiative mit Verbindungen zur AfD, Pegida und Jürgen Elsässers “Compact-Magazin”, veröffentlicht Dvorak-Stocker.

Für Judith Götz von “Stoppt die Rechten“, einem Projekt der Grünen Bildungswerkstatt in Wien, ist die Zusammenarbeit zwischen “unzensuriert” und dem Verlag nur folgerichtig: “Der ‘Ares Verlag’ macht keinen Hehl aus seinen rechtsextremen Autor_innen. Es ist kein Zufall, dass der Verlag auch als Herausgeber fungiert: ‘Unzensuriert.at’ ist ein Hetzportal mit teilweise rechtsextremen Inhalten. Auch dass die Jahrbücher von ‘unzensuriert’ im Verlagsprogramm von ‘Ares’ erscheinen und darüber vertrieben werden, deutet auf eine Verzahnung der Player hin.”

 

FPÖ-nah oder Parteiorgan?

 

Schon die Rezensionen der Facebookseite der deutschen “unzensuriert”-Version geben einen Einblick in die Köpfe dahinter:

 

.@winter_jakob Und die ersten Rezensionen stammen selbstverständlich von FPÖ-Funktionären – der Geschäftsführer von unzensuriert gibt sich selbst 5 Punkte pic.twitter.com/et2fQ2HZgw

— Ingrid Brodnig (@brodnig) 3. April 2017

 

Die Nähe zur FPÖ ist schwer abzustreiten. Bernhard Weidinger vom DÖW erklärt die Entstehungsgeschichte der Website: “Die FPÖ fühlt sich von den Mainstream-Medien unfair behandelt und hat deshalb begonnen, eigene, ‘alternative’ Informationskanäle aufzubauen. ‘Unzensuriert.at’ war dabei das erste, formal parteiunabhängige Projekt in diese Richtung.“

 

Alles blöd. Außer Rechtspopulismus

 

Die politische Ausrichtung des Portals ist dementsprechend. Im November 2016 haben die Journalist_innen Ingrid Brodnig und Jakob Winter die Inhalte genauer analysiert. 124 Artikel wurden ausgewertet. Das Ergebnis war, dass immer wieder negativ über Geflüchtete, Migrant_innen, Muslim_innen, die EU, Linke, Medien  oder sogenannte Eliten berichtet wurde. Positiv fielen den “unzensuriert”-Autor_innen im Untersuchungszeitraum nur Donald Trump und Russland auf.

Grundsätzlich ist die Berichterstattung zu großen Teilen negativ. Der Untergang Österreichs, Deutschlands und des christlichen Abendlandes scheint nie weit weg zu sein: Ein Blick auf die Startseite von unzensuriert offenbart, dass Geld angeblich lediglich für Geflüchtete ausgegeben wird , dass Migrant_innen angeblich bei der Wohnungssuche in Wien begünstigt werden, dass Geflüchtete bedrohen, vergewaltigen und überfallen und zu allem Überfluss auch noch das Bargeld kurz vor der Abschaffung steht.

Genauso sieht es auf der deutschen Seite aus. Viele der Artikel erscheinen offenbar ohnehin in beiden Ländern. Der “taz“ sagte Geschäftsführer Asperl, dass beide Seiten von “rund 25 ehrenamtlichen Mitarbeitern“ betreut werden. Positiv betrachtet diese Redaktion nur Rechtspopulistisches. Zum Beispiel eine “Kunstaktion“ der AfD, bei der ein Bus, in Anspielung auf das Kunstwerk “Monument“ von Manaf Halbouni, an einem Mittwochmorgen für 30 Minuten vor die Dresdner Frauenkirche gestellt wurde. “FPÖ-Inhalte und FPÖ-Politiker_innen werden gepusht und etwas ähnliches will man wahrscheinlich auch für die AfD in Deutschland erreichen”, so Judith Götz von “Stoppt die Rechten“.

Wird in Zukunft die AfD die einzige Partei in Deutschland sein, die keine negativen Schlagzeilen auf “unzensuriert.de” zu befürchten haben wird? Bei der Analyse von Brodnig und Winter stellt sich heraus, dass in Österreich lediglich positiv über die FPÖ berichtet wurde. Von 124 analysierten Artikeln wurden in 12% die Partei positiv hervorgehoben, negativ wurde nicht berichtet.  Im Vergleich dazu wurde in 15% der Artikeln negativ über die SPÖ geschrieben und auch alle anderen Parteien wurden ausschließlich negativ erwähnt. Ausnahmen gibt es nur, wenn auf Vorschläge der Rechtspopulisten eingegangen wird. Bernhard Weidinger von der DÖW sieht ebenfalls eine klare Nähe: “Die FPÖ wird sehr stark bevorzugt. Auch in Texten, in denen Parteien nicht explizit genannt werden, ist eine klare Parteinahme für ihre Positionen feststellbar. Bei Unzensuriert geht es darum, die Agenda und Rahmungen der FPÖ zu vertreten. In Deutschland werden es dann vermutlich jene der AfD sein.“

Titelbild: Flickr / _dChris / CC BY-NC 2.0

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