Am Donnerstag, den 6. Juni kam es im Rahmen eines Aktionstags des Bundeskriminalamts in 13 Bundeländern zu Razzien gegen Hasspostings im Netz. Den Verdächtigen wird vorgeworfen, strafbare Hasskommentare im Internet gepostet zu haben. In insgesamt 38 Fällen seien unter anderem Wohnungen durchsucht und Verdächtige vernommen worden. Ihnen wird vorgeworfen, öffentlich zu Straftaten aufgerufen, Amtspersonen beleidigt und antisemitische und rassistische Inhalte veröffentlicht zu haben. Unter anderem wurden die Räumlichkeiten der Neonazis um die Splitterpartei „Die Rechte“ in Dortmund-Dorstfeld durchsucht.
Und auch bei dem rechtsextremen Youtuber Nikolai Nerling kam es am Donnerstag offenbar zu einer Hausdurchsuchung – allerdings nicht wegen Hasskommentaren, wie er vor laufender Kamera enttäuscht feststellen muss, sondern wegen Dokumentenfälschung.
„Der Volksleher“: Mobile Verschwörungsideologie für YouTube
Nikolai Nerling startete seine rechtsextreme Laufbahn im Querfront-Umfeld. Hier fiel er früh mit antisemitischen und verschwörungstheoretischen Statements auf, wie: „Die Geschichte des Holocaust ist eine Geschichte voller Lügen“. Lange Zeit arbeitete er in Berlin als Lehrer, bis ihm im Mai 2018 fristlos gekündigt wurde. Seither tingelt er als mobiler Verschwörungstheoretiker durch Deutschland. Immer mit dabei: Kamera und Kameramann damit alles schnell auf YouTube gestellt wird. Seinen YouTube-Kanal nennt er „Der Volkslehrer“. Dort hat er bereits über 70.000 Abonnent*innen.
Die deutsche Schuld und historische Verantwortung, die sich aus dem Holocaust und dem von Nazi-Deutschland geführten Angriffskrieg ergeben, scheinen Nerling nachhaltig umzutreiben. Das zeigt sich vor allem in der Schuldabwehr, NS-Relativierung und Täter-Opfer-Umkehr, die sich in vielen seiner Videos zeigen.
Razzia wegen Dokumentenfälschung
Doch trotz seiner völkischen und neo-nationalistischen Videos ging es bei der Razzia am Donnerstag nicht um volksverhetzende Inhalte im Netz. Es ging um Dokumentenfälschung. In einem Video, dass er am Donnerstag online gestellt hat, liest er in Teilen aus dem Durchsuchungsprotokoll und dem Beschluss vor.
Es geht offenbar um den Presseausweis den Nerling verwendet. Dieser Presseausweis sei schon einmal das Ziel von polizeilichen Ermittlungen wegen Dokumentenfälschung gewesen. Wie ein Sprecher der Polizei Berlin Belltower.News gegenüber mitteilte, haben die Beamt*innen in Berlin am Donnerstag einen Durchsuchungsbeschluss der Staatsanwaltschaft München durchgesetzt. Dort konnten wir jedoch am Freitagnachmittag niemanden mehr erreichen.
Das Geschäft mit falschen Presseausweisen
Ein beglaubigter Presseausweis wird von Journalisten- und Verlagsverbänden ausgestellt. Er soll Journalist*innen ermöglichen, ihrer Arbeit nachzugehen und ist bei der Polizei, bei der Justiz, bei Veranstalter*innen und Unternehmer*innen anerkannt. Dieser Presseausweis wird ausschließlich von den sechs Medienverbänden nach Prüfung der journalistischen Tätigkeit ausgestellt.
Für Sparfüchse oder Sensationshungrige und neuerdings immer mehr Neonazis, gibt es jedoch unseriöse Möglichkeiten an falsche Presseausweise heranzukommen. Daher warnte der Deutsche Journalisten-Verband vor der wachsenden Anzahl so genannter Presseausweise, die von dubiosen Anbietern im Internet beworben werden. Für eine bestimmte Summe kann sich hier jede*r Nicht-Journalist*in einen solchen Ausweis kaufen. Optisch ähneln diese Dokumente dem Original.
Wenn Rechtsextreme einen Presseausweis besitzen
Einer Recherche von Henrik Merker auf Zeit Online zeigte dabei Anfang des Jahres auf, dass zahlreiche Websites existieren, die solche falschen Dokumente anbieten. Einmal davon abgesehen, dass der Besitz solcher Pressedokumente in keiner Weise an journalistische Arbeit oder redaktionelle Ansprüche geknüpft ist, ist es gefährlich, wenn Rechtsextreme im Besitz solcher „Presseausweise“ sind. Unter dem Deckmantel der Pressefreiheit können sie sich so beispielsweise Zutritt zu Veranstaltungen verschaffen, auf denen extrem rechte Personen nicht erwünscht sind und so beispielsweise Informationen über politische Gegner*innen sammeln. Auch auf rechtsextremen Demonstrationen können Neonazis mit angeblichem Presseausweis für Journalist*innen und Gegendemonstrant*innen extrem gefährlich sein. Und auch Nerling treibt sich, getarnt als Journalist, häufig mit seinem „Presseausweis“ auf rechtsextremen Demonstrationen rum, um dort gezielt Gegendemonstrant*innen zu filmen und lange Zeit mit der Kamera auf Journalist*innen zu halten.
Daher warnte der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) bereits Anfang des Jahres davor, dass immer mehr Rechtsextreme diese falschen Dokumente verwenden und fragte „Wann wachen die Innenminister auf?“