„Operation Elbsandstein scheucht Szene auf“, titelte die Sächsische Zeitung am 26. Juni 2000, „Polizei reibt größte Skinhead-Truppe Sachsens auf?. Seit Mai 1999 hatte die Sonderkommission „Elbsandstein“ des Landeskriminalamts gegen Mitglieder der Neonazi-Organisation Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) ermittelt. Ein Jahr später wurden dann bei Durchsuchungen von rund 50 Wohnungen im Landkreis Sächsische Schweiz unter anderem Sprengstoff, Teile von Gewehren, Schlagringe, Patronen, Hitlers „Mein Kampf“ sowie ein Truppenhandbuch der Bundeswehr sichergestellt.
Die rechtsextreme Organisation SSS, gegründet 1997 unter anderem von den später verurteilten Thomas Sattelberg und Thomas Rackow, zeichnete sich durch straffe Organisation mit Untergruppen wie „Pirna-Südvorstadt“, „Oberes Elbtal“ und einer Aufbauorganisation für den Nachwuchs (SSS/AO) aus. Am 5. April 2001 wurde die Organisation vom damaligen sächsischen Innenminister Klaus Hardraht (CDU) als kriminelle Vereinigung (§129 StGB) verboten.
Neonazi-Kameradschaft als kriminelle Vereinigung
Die Dresdner Staatsanwaltschaft ermittelte gegen 82 ihrer Mitglieder u. a. wegen Bildung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, schwerem Landfriedensbruchs, Nötigung und Körperverletzung. Erstmals wurde hier mit dem Paragrafen 129 StGB gegen eine Neonazi-Kameradschaft vorgegangen. „Die Organisation Skinheads Sächsische Schweiz war gegründet worden, um die Region frei von Linken und Kiffern zu machen“, sagte der ermittelnde Oberstaatsanwalt Jürgen Schär aus Dresden. „Das heißt systematisch wurde nach Sammlung von Daten durch Gewalttaten gegen Andersdenkende und Andersseiende vorgegangen.“
Auch Rädelsführer Rackow hatte Computer-Dateien angelegt und Informationen gesammelt über vermeintlich politisch Andersdenkende. „Die Sammlung dient dazu, bestimmte Personen festzulegen, gegen welche Aktionen durchgeführt werden. Dies sind zum Beispiel Telefonterror, fingierte Warenbestellungen bei Versandhäusern, Farbschmierereien, Werfen von Farbbeuteln und körperliche Misshandlungen?, hieß es dazu in der Verbotsverfügung des sächsischen Innenministeriums gegen die Skinhead-Organisation.
Gruppenangriffe als Markenzeichen
Über Jahre hinweg hatte die SSS die Region tyrannisiert, immer wieder alternative und nicht-rechte Jugendliche überfallen und brutal zusammengeschlagen, teils mit bis zu 50 vermummten Angreifern. Solche Attacken seien „ein Markenzeichen der SSS?, so Oberstaatsanwalt Schär. Außerdem war die Organisation mit Schießübungen, Aufmärschen, Skinhead-Konzerten, Sonnwendfeiern und so genannte „Feldschlachten? in Erscheinung getreten.
Von 2001 bis 2004 wurde mehr als 40 SSS-Mitgliedern vor dem Dresdner Landgericht der Prozess gemacht. Alle Angeklagten erhielten Freiheitsstrafen oder Jugendstrafen auf Bewährung. Im Dezember 2004 schlug die Dresdner Staatsanwaltschaft erneut zu, ließ Wohn- und Geschäftsräume in Sachsen und Bayern durchsuchen. Oberstaatsanwalt Schär ist davon überzeugt, dass der harte Kern der SSS im Untergrund weiter aktiv ist. „Es hat Anhaltspunkte gegeben, dass 25 Beschuldigte eine Nachfolgeorganisation der SSS aufrechterhielten.? Regelmäßig donnerstags habe es Treffen gegeben, u. a. an abgelegenen Bauernhöfen, in Privatwohnungen oder an Tankstellen.
Heue sind zahlreiche Ex-SSS-Mitglieder in der NPD fest verankert. Als die Polizei etwa Thomas Rackow seinen Computer abnahm, sorgte der mittlerweile verstorbene Uwe Leichsenring, einst NPD-Kreisgeschäftsführer in der Sächsischen Schweiz und Parlamentarische Geschäftsführer der NPD-Fraktion im Dresdner Landtag, rasch für Ersatz. Leichsenring, der 2006 bei einem Autounfall ums Leben kam, hat sich mehrfach positiv über SSS-Mitglieder geäußert: „Ich würde ehemalige SSS-Mitglieder jederzeit als Babysitter engagieren für meine eigenen Kinder.?
SSS-Leute hatten für Leichsenring in Wahlkämpfen Plakate geklebt und bei NPD-Veranstaltungen als Saalschutz fungiert. Kurz vor seinem Tod holte Leichsenring Thomas Sattelberg, der zuvor bei der Arbeiterwohlfahrt in Pirna als Jugend-Sozialarbeiter gearbeitet hatte, ins eigene Fahrschul-Unternehmen. Der SSS-Gründer sollte ebenfalls Fahrlehrer werden.
Schulterschluss zwischen Aktivisten der SSS und der NPD
Zur NPD-Strategie gehöre eine Öffnung gegenüber der gewaltbereiten rechtsextremen Kameradschaftsszene, mit der die Partei inzwischen personell eng verwoben sei, bestätigt Olaf Vahrenhold vom Sächsischen Verfassungsschutz. Es sei das Ziel der sächsischen NPD, in diesem Bereich „möglichst enge Verbindungen zu schaffen?. Ein Beispiel dafür ist Thomas Rackow. Der SSS-Gründer war u.a. Kreisgeschäftsführer der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN). Seit 2005 arbeitet er im Sächsischen Landtag für die NPD-Fraktion, derzeit als „persönlicher Referent“ der NPD-Abgeordneten Johannes Müller und René Despang.
Thomas Sattelberg trat im August 2007 eine 32-monatige Freiheitsstrafe an ? wegen Fortführung der kriminellen Vereinigung. Fünf weitere Männer hat die Dresdner Staatsanwaltschaft deswegen angeklagt, darunter Martin Schaffrath, Lars Hein und Thomas Rackow. Im Juni diesen Jahres kandidierte das Trio – allerdings erfolglos – auf der Liste der rechtsextremen NPD um Kreistagsmandate in der Sächsischen Schweiz.
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