In der dritten Auflage liegt die Material- und Methodensammlung für die gewerkschaftliche und außerschulische Bildungsarbeit gegen Rassismus inzwischen vor ? vor fünf Jahren wurde sie erstmals veröffentlicht. Selbstkritisch fragte damals die fast zwanzigköpfige Gruppe der Autorinnen und Autoren, ob es Sinn mache, noch eine Handreichung, noch einen Appell gegen Rassismus auf den Markt zu bringen? Die Antwort darf heute getrost bejaht werden, zeigt sich doch der Bedarf deutlich an den rasch vergriffenen Auflagen wie an der Anzahl der Zugriffe auf die Internetversion des Readers. Und dass, obwohl sich die Liste von pädagogischen Handreichungen, Seminarkonzepten und online-Netzwerken gegen Rassismus ständig erweitert.
Rassismus: mehr als ein individuelles Phänomen
Was also macht die Qualität des „Bausteins zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit? aus? Hier ist vor allem der positionierte Ansatz des Autorenteams zu nennen, Rassismus als gesellschaftliches Verhältnis zu definieren. Rassismus wird hier nicht als individuelles Phänomen von mehr oder minder gefestigten rassistischen Einstellungen analysiert, die es durch Bildung im aufklärerischen Sinne zu beeinflussen und zu verändern gilt. Vielmehr ist der Ansatz der Materialsammlung, Rassismus als einen Faktor zu definieren, der durch Ein- und Ausschluss soziale Verhältnisse hierarchisch strukturiert und somit den sozialen Standort jedes Einzelnen mitbestimmt. Diese Analyse ist zwangsläufig mit weitreichenden Konsequenzen für die Bildungsarbeit verbunden.
Soziale Prozesse verstehen
Vor diesem Hintergrund wurde ein Bildungskonzept entwickelt, das im Kern auf das Erkennen und Verstehen von sozialen Prozessen setzt, die eigene Rolle darin kritisch reflektiert und damit die Handlungsfähigkeit des Einzelnen bestärkt, das heißt Rassismus wahrzunehmen und dagegen einzutreten – an jedem Ort, in jeder Situation.
Statt gesonderter Rassismus-Seminare fordert das Bildungsteam, die Funktionsweise von Rassismus grundsätzlich in alle Seminare der politischen und beruflichen Bildung zu integrieren. Umgesetzt in die Praxis wird unterschieden zwischen einer phasenorientierten Seminarplanung, die Rassismus unabhängig vom Thema in sämtlichen Phasen mit einbezieht und einer themenorientierten Planung, die über eine vertiefende Auseinandersetzung anhand konkreter Themenkomplexe verläuft.
Eine Vielfalt von Methoden und Themen
Dementsprechend ist die Materialsammlung, die in Form einer praktischen Blattsammlung angelegt ist, strukturiert: Nach dem einführenden Teil A, der „Idee, Hintergrund und Konzept? aufschlussreich und fachlich fundiert erläutert, widmet sich Teil B des Readers in fünf Kapiteln vom Einstieg bis zur Auswertung den verschiedenen Seminarphasen, die dem didaktischen Prinzip der politischen Bildung „Orientierung ? Analyse ? Handlung bzw. Urteilsbildung? folgen. Darüber hinaus sind im sechsten Kapitel klassische Methoden zur Meinungsbildung, Diskussionsstrukturierung, zu Warming Up- und Feedback-Runden zusammengestellt.
Teil C stellt zehn Themenkomplexe vor, die vertiefende Zugänge rund um das Kernthema Rassismus präsentieren. Vier Themenblöcke beziehen sich direkt auf Ausgrenzungsmechanismen (?Von Vorurteilen und anderen Urteilen?, Diskriminierung) und Rassismus („Rassismus als gesellschaftliches Verhältnis?, Rassismus und Sprache?). Vier weitere stellen gesellschaftspolitische Themen ins Zentrum („Sicherheit und Gewalt?, „Rechte Bildwelten?, „Migration?, „Weltarbeit und Wirtschaftswelt?), die sich jeweils mit der Frage nach der Verteilung von Chancen und Rechten auseinandersetzen.
Bildung soll Spass machen
Aufgrund der Praxiserfahrungen mit dem Baustein kamen in der überarbeiteten zweiten Auflage (2003) die Themen „Nationalismus? und „Antisemitismus entgegengetreten? hinzu, um das Verständnis von nicht-rassistischer Bildungsarbeit zu erweitern.
Insbesondere in Bezug auf die Materialsammlung und die Entwicklung von Methoden gegen Antisemitismus, hat das Bildungsteam rund um den Baustein Pionierarbeit geleistet, da bis dato für die gewerkschaftliche und außerschulische Bildungsarbeit kaum Konzepte vorlagen und immer noch dünn gesät sind.
Ein weiteres Qualitätsmerkmal des Bausteins stellt das ebenso umfangreiche wie vielfältige Repertoire an eigens entwickelten und gesammelten Methoden dar. Sie sind prozess-, erfahrungs- und handlungsorientiert ausgerichtet. Gearbeitet wird mit Rollenspielen, Nachspielen von Gruppenprozessen, Diskussionswettbewerben und Argumentationstrainings. Ebenso finden sich gestalterische Elemente, wie Zeichnen, Basteln, Theaterspielen sowie Aktivitäten zur Analyse von Fotos, Texten, Comics und Sprache. Die Methoden vermitteln einen weiteren ausdrücklich formulierten Grundsatz des Bausteins: Bildung soll Spaß machen! m
Standardwerk mit sperrigem Titel
Der Baustein ist insgesamt gut strukturiert, auch wenn sich die Teilung zwischen Phasen- und Themenorientierung erst nach intensiverem Studium erklärt. Jedes der Kapitel beginnt mit einer Planungshilfe, die Ziel, Inhalt und Methoden knapp und prägnant erläutert, dann folgen Hintergrundmaterial und Methoden, die schlüssig und praxisnah präsentiert werden. Was den Leserinnen und Lesern versagt wird, ist die Erklärung des recht holperig klingenden Titels ?nicht-rassistische Bildungsarbeit?; offensichtlich ein Kompromiss, um nicht „Anti-? zu sein. Dennoch darf getrost nach fünf Jahren Baustein konstatiert werden, dass ein umfangreiches Nachschlage- und mittlerweile Standardwerk vorgelegt wurde.
DGB- Bildungswerk Thüringen e.V. (Hg.): Baustein zur nicht-rassistischen Bildungsarbeit. Erfurt 2003 2., durchgesehene Auflage 2005, 450 S.
Morgen lesen Sie an dieser Stelle eine Besprechung des Fortbildungsangebots für Lehrer und Pädagogen vom Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC e.V.).
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