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Fußball Der TuS Makkabi Berlin ist der erste jüdische Verein im DFB-Pokal

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Wolfsburgs Jonas Wind kämpft gegen Serkan Tokgöz von TUS Makkabi um den Ball. (Quelle: picture alliance/dpa | SvenSimon | Frank Hoermann)

Der TuS Makkabi Berlin ist der erste jüdische Verein, der an einem Hauptrundenspiel im DFB-Pokal teilnahm. Am 13.08.2023 um 15:30 Uhr wurde das Match zwischen dem Oberligisten TuS Makkabi Berlin und dem Bundesligisten VfL Wolfsburg im Berliner Mommsenstadion angepfiffen. Der TuS Makkabi Berlin hat damit Fußballgeschichte geschrieben. Dennoch erleben Mitglieder des Vereins immer wieder antisemitische Anfeindungen. Michael Koblenz, Vorsitzender für Sport, stand Belltower.News für ein Interview zum Spiel und dem Verein zur Verfügung.

TuS Makkabi Berlin wurde 1970 gegründet und geht auf den 1898 gegründeten Verein Bar Kochba Berlin zurück. Als erster jüdischer Verein Deutschlands hatte Bar Kochba bis 1930 40.000 Mitglieder. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten war es allen jüdischen Sportorganisationen verboten, an offiziellen Wettkämpfen teilzunehmen. Dies und andere Einschränkungen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens stellte den Beginn der systematischen Verfolgung der deutschen Jüdinnen*Juden dar, die in der Shoah endete.

Heute hat der Verein TuS Makkabi Berlin ca. 600 Mitglieder. Neben dem Fußball gehören Basketball, Schwimmen, Schach, Tennis, Tischtennis, rhythmische Sportgymnastik und Volleyball zu den betriebenen Sportarten. Makkabi hat das Ziel, Jüdinnen*Juden und Nicht-Jüdinnen*Juden zusammenzubringen und zum Dialog zu bewegen. Deswegen steht die Mitgliedschaft allen Konfessionen und ethnischen Gruppen offen. Der Dialog wird allerdings nicht überall angenommen: Der Verein und dessen Sportler*innen sehen sich immer wieder mit antisemitischen Anfeindungen konfrontiert.

2021 stellte der jüdische Turn- und Sportverband Makkabi Deutschland, der Dachverband von TuS Makkabi Berlin, eine Studie vor:  „Zwischen Akzeptanz und Anfeindung. Antisemitismuserfahrungen jüdischer Sportvereine“. Sie entstand unter der Leitung von Lasse Müller vom Institut für Sportwissenschaften der Universität Frankfurt.

Die Ergebnisse der Studie sind erschreckend. Von ca. 5.500 Mitgliedern des Dachverbandes Makkabi Deutschland haben 309 an der Befragung teilgenommen. 39 Prozent von ihnen haben bereits einen oder mehrere gegen sie gerichteten antisemitischen Vorfall oder Vorfälle erlebt. Unter den Mitgliedern der Fußballabteilung des Verbands waren es sogar 68 Prozent. 51 Prozent der Befragten gaben an, Zeug*innen von antisemitischen Vorfällen gewesen zu sein.

Neben Beschimpfungen schilderten die Betroffenen auch Bedrohungen wie z.B. „Nach dem Spiel bringen wir euch um, ihr scheiß Juden“.

Von den Teilnehmern der Studie, die selbst von antisemitischen Vorfällen betroffen waren, gab etwa ein Drittel an, einem körperlichen Angriff ausgesetzt gewesen zu sein. Mehrfach wird von Schlägen gegen Spieler*innen und Trainer*innen des TuS Makkabi berichtet. Zum Beispiel: „Der erste körperliche Angriff auf Makkabi, eine Kopfnuss, sorgte dann zu einer Kettenreaktion bis hin zum Würgen unseres Trainers. Daraufhin wurden die Teams auf jeweils ihre Hälfte zurückgewiesen, währenddessen haben wir auf die Polizei gewartet, um dem Übergriff ein Ende zu setzten [sic]“.

Außerdem wurde von gezielten Sachbeschädigungen, wie das Beschmieren von Turnhallen oder Vereinsheimen mit antisemitischen Parolen berichtet.

Doch auch abseits des Platzes kam es wiederholt zu Vorfällen. Ein Makkabi-Mitglied schilderte, aufgrund seiner Vereinsklamotten in einer Bäckerei nicht bedient worden zu sein. Eine weitere Person berichtete: „Bin mit Makkabi Klamotten mein Handy reparieren gegangen. Nachdem ich die Quittung bekommen habe, auf der eigentlich meine Adresse stehen sollte, stand anstatt meiner Adresse ‚Holocauststraße‘“.

Auffällig ist, dass nur ca. ein Drittel der Betroffenen angegeben hat, den Vorfall an den jeweiligen Vereinsvorstand gemeldet zu haben. 26 Prozent gaben an, eine Stelle des organisierten Sports konsultiert zu haben und nur 14 Prozent wendeten sich an eine außersportliche Anlaufstelle, wie z.B. die „Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin“ (RIAS).

Zeitgleich mit der Studie rief Makkabi Deutschland gemeinsam mit dem „Zentralrat der Juden“ das Projekt „Zusammen1“ ins Leben. Bei Seminaren und Workshops sollen jüdische Erfahrungen und Perspektiven für Vereine und Verbände sichtbarer gemacht und Vorurteilen entgegengewirkt werden. Außerdem hat „Zusammen1“ in Zusammenarbeit mit der RIAS eine eigene Meldestelle für antisemitische Vorfälle im Sport eingerichtet.

Das Spiel zwischen TuS Makkabi Berlin und VfL Wolfsburg galt im Vorfeld nicht als potenziell gefährlich. Auf Anfrage von Belltower.News antwortete die Pressestelle der Polizei Berlin, dass keine konkreten Hinweise auf eine Gefahrenlage bestehen würden. Neben dem primären Veranstaltungsschutz durch die Veranstaltungsleitung würde die Polizei mit eigenen Kräften den Schutz der Veranstaltung gewährleisten. Die Einsatzkräfte seien hinsichtlich der Bedeutungsschwere von antisemitischen Straftaten sensibilisiert und würden niedrigschwellig agieren.

Das Spiel wurde am Sonntag unter ausgelassener Stimmung im Stadion bei bestem Wetter angepfiffen. Nach 90 spannenden Minuten, in denen sich die Makkabäer tapfer geschlagen haben, konnte der VfL Wolfsburg das Spiel 0:6 für sich entscheiden. Am darauffolgenden Montag sprachen wir mit Michael Koblenz, dem Vorsitzenden für Sport beim TuS Makkabi Berlin.

Belltower.News: Herr Koblenz, vielen Dank für das Interview. Sind Sie mit dem Ausgang des Spiels zufrieden? Wie ist die Stimmung beim TuS Makkabi Berlin?

Michael Koblenz:  Für unseren Verein, aber auch für die jüdische Gemeinschaft Deutschlands, war das historisch. Da war das Ergebnis tatsächlich nahezu zweitrangig. Wir durften am 13.8.2023 ein Fest feiern. Die Spieler waren unmittelbar nach dem Spiel teilweise ein bisschen geknickt. Wahrscheinlich hatte man sich mehr ausgerechnet, auch wenn wir alle Realisten sind und durchaus verstehen, dass da vier Ligen dazwischenliegen. Nichtsdestotrotz überwog am Abend, mit einem bisschen Abstand, der Stolz, etwas Großes erreicht zu haben.

Das Spiel bekam bereits im Vorfeld große Beachtung in den Medien. Konnte das öffentliche Interesse dazu beitragen, jüdisches Leben in Deutschland zu bewerben und mit Vorurteilen aufzuräumen?

Ihnen darauf eine Antwort zu geben, fällt mir schwer. Zuerst einmal wollen wir jüdisches Leben in Deutschland nicht „bewerben“. Wir suchen keine Anhänger. Wir wären froh, wenn wir ein ganz normaler Bestandteil der deutschen Gesellschaft wären. Darüber hinaus zweifle ich an, dass wir eingefleischte Antisemiten mit positiver Berichterstattung über den TuS Makkabi Berlin bekehrt bekommen.

Seit der Veröffentlichung der Studie „Zwischen Akzeptanz und Anfeindung – Antisemitismuserfahrungen jüdischer Sportvereine in Deutschland“ und Start von „Zusammen1“ sind zwei Jahre vergangen. Hat sich seitdem etwas verändert?

Ich sehe aktuell keine sichtbare positive Entwicklung. Wir sind aktuell im gleichen Maße mit Antisemitismus auf dem Sportplatz konfrontiert wie vorher. Der Vorfall im November 2022 im Spiel gegen Hertha 06 ist das beste Beispiel. Was uns allerdings zufrieden gestimmt hat, sind die vom Sportgericht des DFB verhängten Strafmaßnahmen. Es ist wichtig klare Kante zu zeigen und zu verdeutlichen, dass solche Vorfälle nicht geduldet werden.

Häufig lassen Opfer von antisemitischen Übergriffen davon ab, diese zu melden oder polizeilich anzuzeigen. Woran liegt das und wie groß ist das Dunkelfeld einzuschätzen?

Ich kann mir vorstellen, dass Opfer von antisemitischen Übergriffen von Meldungen bzw. Anzeigen absehen, um keine Gegenreaktionen aufseiten der Täter auszulösen. Da spielt Angst sicherlich eine Rolle. Ich kann allerdings beim besten Willen keine Einschätzung hinsichtlich des Dunkelfelds abgeben. Dazu fehlen mir Informationen.

Ich kann nur über den Sport und unseren Verein sprechen. Wir melden kategorisch jeden antisemitischen Vorfall, dem unsere Sportler zum Opfer fallen.

Laut der Studie ist bei der Fußballsektion von Makkabi das Risiko, von antisemitischen Vorfällen betroffen zu sein, um das 18-fache höher als in anderen Sektionen von Makkabi. Warum passiert das gerade beim Fußball?

Fußball ist halt Mainstream und im Fußball sind alle Gesellschaftsschichten vertreten. Damit ist er  wahrscheinlich ein guter Spiegel der Gesellschaft. Die Tatsache, dass es ein Teamsport ist, bei dem eine gewisse Gruppendynamik ausgelöst wird, spielt da wahrscheinlich auch hinein. Außerdem ist es bei weitem die zahlenmäßig größte Abteilung unseres Vereins. Deswegen ist es naheliegend, dass die Wahrscheinlichkeit eines antisemitischen Vorfalls beim Fußball größer ist als zum Beispiel beim Tischtennis oder beim Schach.

Wer sind die Täter? Aus welchem Umfeld kommen die Anfeindungen vorwiegend?

In unserem speziellen Fall sind wir eher mit Anfeindungen aus dem islamistischen Umfeld konfrontiert.

Gibt es Auffälligkeiten, dass Vorfälle in speziellen Altersgruppen häufiger vorkommen?

Unsere Jugendabteilung und da eher – B- und A-Jugend – sind wohl am häufigsten betroffen.

Welche Erscheinungsformen des Antisemitismus treten am häufigsten auf?

Tatsächlich sehen wir in erster Linie einen Antisemitismus auf dem Sportplatz, der sich auf den Staat Israel bezieht. Hier wird aus Antizionismus sehr schnell Antisemitismus. Anfeindungen auf dem Sportplatz nehmen sehr augenscheinlich zu, wenn sich die Gewaltspirale im Nahen Osten besonders intensiv dreht. Das merken wir dann sehr unmittelbar, wenn wir gegen gewisse Mannschaften mit muslimischen Wurzeln spielen.

TuS Makkabi Berlin hat einen hohen Anteil nicht-jüdischer Mitglieder. Auch diese werden zum Ziel antisemitischer Agitation. Wie gehen sie damit um?

Wir sind stolz auf jeden nicht-jüdischen Spieler, der unser Trikot trägt. Den meisten von ihnen ist bewusst, dass sie sich eventuell angreifbar machen. Es ist die Aufgabe eines Vorstands für die Sicherheit seiner Sportler zu sorgen, soweit es in seiner Macht liegt. Wenn notwendig, stimmen wir uns eng mit der Polizei ab.

Wie geht es jetzt weiter? Was sind die nächsten Ziele des TuS Makkabi Berlin?

Die Mannschaft soll um den Aufstieg in die Regionalliga spielen. Das ist kein leichtes Unterfangen vor dem Hintergrund der starken Konkurrenz in dieser Saison. Für den Verein wünschen wir uns einen deutlichen Ausbau der Fußball-Jugendabteilung, aber auch die Integration neuer Sportarten. Das wäre wichtig.

Vielen Dank für das Interview. Wir drücken die Daumen für den Kampf um den Aufstieg und bei Ihren anderen Vorhaben! 

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