Dieser Text ist ein Auszug aus der neuen Broschüre „Gaming und Rechtsextremismus“ des Projektes „Good Gaming – Well played Democracy“ der Forschungsgruppe Modellprojekte (FGM) und der Amadeu Antonio Stiftung. Die Broschüre entstand in Kooperation mit der Landeszentrale für Politische Bildung Niedersachsen. Sie beschäftigt sich mit Videospielen als Kulturgut, aber auch mit menschenfeindlichen Praktiken und rechtsextremer Einflussnahme.
Nutzt die extreme Rechte Videospiele, um ihre Inhalte zu verbreiten?
Der allergrößte Teil der Gamer:innen lehnt eine menschenverachtende Ideologie ab, ist aber bisweilen gleichgültig, still oder eingeschüchtert. Die extreme Rechte stellt in Gaming-Communitys eine Minderheit dar, die jedoch sehr laut und auch bedrohlich in Kommentarspalten und in Diskussionen auf sich aufmerksam macht. Gaming-Communitys und Plattformen werden genutzt, um rassistische Einstellungen, Verschwörungsmythen und Desinformationen zu teilen – bisweilen auch als angeblicher „schwarzer Humor“ verpackt. Ziel ist, rechtsextremes Denken als selbstverständlich zu präsentieren und damit zu verbreiten. Auf diesen Plattformen müssen die Urheber_innen bisher tendenziell wenig Konsequenzen fürchten. Doch die extreme Rechte nutzt den bisher nur in seltenen Fällen professionell moderierten Raum der Gaming-Communitys auch, um neue Mitglieder_innen anzusprechen und die eigene Gruppe zu organisieren. Auf der Vertriebsplattform „Steam“ gibt es beispielsweise nur 26 Moderator_innen bei täglich 47 Mio. Nutzer_innen, welche für Anliegen aller Art zuständig sind. Diese 26 Moderator_innen bestehen zur Hälfte aus ehrenamtlich aktiven Nutzer:in-nen. Sie sind nicht etwa dem deutschen Communityboard auf der Plattform zugeordnet, sondern stellen das weltweite Moderationsteam dar. Auf Steam und auf den meisten anderen Gaming-Plattformen gibt es zwar grobe Regeln für den Umgang miteinander, diese werden aber nicht einheitlich und konsequent um- oder durchgesetzt. So werden sowohl Kommentare, die offensichtliche bis strafrechtlich relevante Hassrede beinhalten, als auch Profile, die der extremen Rechten zuzuordnen sind, nur punktuell entfernt.Akteur_innen der sogenannten „Neuen Rechten” haben in der Vergangenheit Gamingplattformen genutzt, um sich zu koordinieren und ihre Hetze zu verbreiten – gestaltet mit Tagesaufgaben und Aufstiegsmöglichkeiten wie in einem Strategiespiel. Punktuell entwickeln rechtsextreme Gamer_innen auch eigene Videospielprojekte. Diese sind teilweise Modifikationen zu bekannten Spielen, in denen dann rassistische Anschläge nachgespielt werden. Ver-mehrt versuchen Akteur_innen der extremen Rechten aktuell, Spieler_innen in ihre Kreise zu locken, indem sie Livestreams von beliebten Videospielen anbieten oder „patriotische Spieleturniere“ austragen. Es ist ratsam, diese Projekte nicht namentlich zu nennen, um ihnen keine Bühne zu bieten.
Warum ist Gaming für die extreme Rechte interessant?
Über Gaming erreicht die extreme Rechte viele Menschen, darunter auch junge Menschen, die noch nicht politisch gefestigt sind und sich experimentell für gesellschaftliche Grenzüberschreitungen interessieren. So kann mit verhältnismäßig wenig Aufwand eine große Zielgruppe erreicht werden. Spiele bieten eine niedrigschwellige Möglichkeit, politische Ideen zu kommunizieren, sich auszutauschen und zu vernetzen. Es werden oft Freundschaften geschlossen, bevor es um die rechtsextremen Ideologien geht. Gern werden Codes oder Symbole genutzt, die wie eine interessante Insiderkommunikation wirken und nicht direkt als rechtsextrem erkannt werden.
Die Gaming-Plattformen reagieren unterschiedlich auf rechtsextreme Inhalte und rechtsextreme Nutzer:innen. In ihren Richtlinien verurteilen sie solches Verhalten in der Regel. Jedoch braucht es geschultes Moderationspersonal, um Richtlinien auch konsequent umzusetzen. Eine strafrechtliche Verfolgung rechtsextremer Inhalte bleibt auf Gaming-Plattformen bisher ebenfalls aus, weil die Strafverfolgungsbehörden nicht an die Nutzerdaten kommen – sei es, weil die Plattformen mit Standorten oft außerhalb von Deutschland nicht kooperieren, oder weil Nutzer:innen ihre Identität bewusst und mit technischer Hilfe verschleiern.
Wie wichtig ist „Humor“, wenn Rechtsextreme ihre Ideen im Gaming verbreiten?
Wie in der restlichen Gesellschaft auch ist nur ein kleiner Teil der Gamer:innen in eindeutig rechtsextremen Gruppen organisiert. Doch auch wenn nur wenige Gamer:innen in direkten Kontakt mit diesen Gruppen kommen, verbreiten sich rechtsextreme Narrative (also diskriminierende und sich ständig wiederholende Stereotype) über diese Gruppen hinaus und finden Anklang bei weiteren Spielenden. Solche Narrative grenzen Minderheiten aus Gaming-Räumen aus, schüren und verbreiten Ängste, enthalten Verschwörungserzählungen oder rufen sogar zum Lesen rechtsextremer Manifeste auf. Oft werden für die Verbreitung der Abwertung vermeintlich ironische Memes, Hashtags oder Benutzer:innen-Namen verwendet. Im Kern geht es dabei meist um Rassismus, Sexismus, antisemitische Verschwörungserzählungen oder Gewaltverherrlichung. Menschenfeindlichkeit in Gaming-Communitys wird häufig als vermeintlicher Sarkasmus oder Ironie getarnt, weil sie so auch in Kreisen Gehör findet, die sich eigentlich nicht als rechtsextrem verstehen. Toxische Narrative und eine menschenverachtende Ideologie werden so normalisiert und damit potenziell anschlussfähig für ein breiteres Publikum. Das vergrößert das Problem, dass die extreme Rechte, auf Gaming-Plattformen und in Spielechats darstellt.
Was kann ich gegen toxisches Verhalten und Diskriminierung auf Videospielplattformen tun?
Um rechtsextreme Erzählungen sichtbar zu machen und ihnen zu widersprechen, braucht es Gegenrede. Die geschieht durch Nutzer:innen, die den problembehafteten Inhalt erkennen, benennen und klar kommunizieren, dass dieser nicht tolerierbar ist und auch nicht toleriert wird. Nur wer aktiv wird, kann zeigen, dass im Gaming kein Platz für diskriminierende Äußerungen ist. Schweigen stärkt die Diskriminierenden, Gegenrede unterstützt die Betroffenen von Rassismus, Antisemitismus und anderen Abwertungsformen – und hilft ein positives Umfeld für ALLE Gamer:innen zu schaffen. Rechtsextreme, die andere abwerten und nicht davon ablassen, aus Chats oder Spielen auszuschließen, ist übrigens keine Zensur oder Diskriminierung: Sie schließen sich durch ihr Verhalten selbst aus. Außerdem haben die meisten Spiele und die geläufigsten Spiele-Plattformen eine Meldefunktion für Hassrede. Durch Meldungen werden Moderator_innen auf toxisches Verhalten aufmerksam gemacht. Moderation funktioniert aber auch präventiv: Mit eigenen Guidelines lässt sich beispielsweise auf dem eigenen Discord-Server eine Netiquette formulieren, die sich gegen jegliche Form von GMF stellt und so schon im digitalen Hausrecht eine klare Haltung transportiert.
In Fällen, in denen strafrechtlich relevante Hassrede fällt (also explizite Gewaltandrohungen, Abbilden von verfassungsfeindlicher Symbolik oder das Leugnen des Holocausts), kann auch eine Anzeige bei den Online-Wachen der Polizei erstattet werden – mit einem Screenshot, in dem sowohl der Sachverhalt als auch die entsprechenden Profile und ein möglicher Zeitstempel erkennbar sind.
- Übersicht zu Onlinewachen: https://online-strafanzeige.de/
Hilfe für betroffene digitaler Gewalt: https://hateaid.org
Ist es sinnvoll, rechtsextreme Inhalte//Hasskommentare//toxisches Verhalten in Videospielen zu ignorieren?
Nein, Schweigen wird als Zustimmung interpretiert – von den Angreifern wie den Angegriffenen. Gegenrede ist immer sinnvoll – ob es nur ein paar Worte sind oder eine längere Argumentation. Unwidersprochener Hass lässt die Betroffenen allein und suggeriert eine schweigende Akzeptanz.
Zudem führt das Ignorieren solcher Inhalte zu sogenanntem Silencing. Die Betroffenen trauen sich nicht mehr, etwas zu sagen, oder werden aus dem jeweiligen Spiel oder von der Plattform gedrängt. Zum Bei-spiel haben sexistische Sprüche dazu geführt, dass Frauen sich häufig nicht mehr trauen, den Voicechat zu benutzen, da sie aufgrund ihrer Stimme als weiblich erkannt werden und sich anschließend Sexismus ausgesetzt sehen. Einen inklusiven Raum zu schaffen ist jedoch ebenso die Aufgabe der Hersteller:innen, Community-Manager:innen, Plattformen und der Gesetzgebung. Diese müssen sich ihrer Verantwortung bewusster werden und sollten von Spieler_innen darauf aufmerksam gemacht werden, dass sich die Nutzer:innen eine inklusive und möglichst diskriminierungsarme Umgebung wünschen.
Die Broschüre „Gaming und Rechtsextremismus“ des Projektes „Good Gaming – Well played Democracy“ der Amadeu Antonio Stiftung und der Landeszentrale für Politische Bildung Niedersachsen kann hier heruntergeladen oder als Printversion bestellt werden:
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