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Gegen eine Kultur des Wegschauens im Fußball

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NgN: Was beobachten Sie in den Stadien? Wie treten Neonazis und Nazi-Hooligans dort auf?

Wir haben unterschiedliche Erscheinungsformen von Rechtsextremismus im Fußball, Zum einen gibt es die rechtsextremistischen Strömungen in den unterschiedlichen Fangruppen, die sich dann durch rassistische oder antisemitische Sprechchöre und Transparente in den Stadien äußern. Wir haben aber auch einen etwas diffizileren, schleichenden Rechtsextremismus, insbesondere in den unteren Spielklassen. Hier versuchen rechtsextreme Personen in den Vereinen Fuß zu fassen, sie also ein Stück weit zu unterwandern. Ich glaube, dass es für die beiden Erscheinungsformen unterschiedliche Herangehensweisen geben muss.

NgN: Und wo sehen Sie das größte Gefahrenpotenzial ? in den höheren Ligen oder bei den Amateuren? Im Osten oder im Westen?

Spahn: Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung gibt es regionale Unterschiede. Meiner Ansicht nach ist es überall da, wo Rechtsextremismus offen zu Tage tritt, wesentlich einfacher darauf zu reagieren. Weil er sich dann meistens in einer plumpen, leicht wahrnehmbaren Form äußert. Problematischer ist es, wenn tatsächlich bestimmte politische Strömungen und Parteien gezielt und durch strategische Vorüberlegungen versuchen, in Vereinen Fuß zu fassen. Also, wenn beispielsweise Aktivisten aus dem Spektrum der Autonomen Nationalisten als Übungsleiter, als Trainer, als Betreuer in einen Verein gehen, um über drei oder vier Jahre dort ganz einfach einen guten Job zu machen. Und dann nach und nach ihre politische Grundhaltung dort zu verankern versuchen. Das ist das größere Problem. Denn zunächst einmal ist es für einen Verein relativ schwierig, wenn jemand noch nicht öffentlich in politisch rechtsextremen Organisationen aufgefallen ist, das frühzeitig zu erkennen. Da muss man den Vereinen auch etwas unter die Arme greifen. Denn viele kleinere Vereine sind damit schon ein wenig überfordert.

NgN: Die DFB Task Force zu Rassismus im Fußball ist aufgelöst. Stattdessen gibt es jetzt Arbeitsgruppen in den einzelnen Bereichen. Welche Projekte sind daraus entstanden?

Wir haben zwei Pilotprojekte auf den Weg gebracht. Derzeit arbeiten wir exemplarisch mit Vereinen aus drei unterschiedlichen Ligen: Hannover 96 als Bundesligaverein, Union Berlin aus der Regionalliga und TuSpo Saarn aus Mülheim an der Ruhr als Amateurligaverein.

Wir wollen Vereine stark machen, ihnen Hilfestellung geben, um Courage zu zeigen, gegen rassistische und rechtsextreme Erscheinungsformen auch vorzugehen. Das geht los bei ganz banalen Geschichten wie Änderungen in einer Satzung oder die Formulierung eines Leitbilds. Aber auch, durch Schulungsmaßnahmen die Themen überhaupt präsent zu machen. Und natürlich , wenn es Vorfälle gibt, nicht wegzuschauen, sondern diese offen anzusprechen.

NgN: Und wie wollen Sie die breite Fläche der Vereine erreichen?

Seit eineinhalb Jahren finanzieren wir zusammen mit dem Bundesfamilienministerium ein Projekt bei der Deutschen Sportjugend namens ?Am Ball bleiben?. Das Projekt hat mit Unterstützung des ?Bündnises für Demokratie und Toleranz? eine Regionaltour geplant, die 2007 in Halle an der Saale begonnen hat. Zwei Tage lang sind dort Amateurvereine zu einem Seminar zusammengekommen und haben ihre Probleme mit Spezialisten und Experten für rechtsextreme Jugendkulturen, Lifestyle und Musik diskutiert. Da sind dann genau die Fachleute, die sich gemeinsam mit den Leuten aus den jeweiligen Vereinen das Problem angucken und eine gemeinsame Lösung zu finden. Das Feedback in Halle war sehr gut, weil es eben ein Projekt ist, das die Basis wirklich erreicht. Deshalb haben wir uns jetzt entschlossen, die Regionaltour auf fünf weitere Landesverbände flächendeckend und nicht nur im Osten Deutschlands auszudehnen. Gerade warten wir dazu auf Rückmeldungen.

NgN: Gab es denn in der letzten Zeit Vereine, die sich mit der Bitte an den DFB gewandt haben, ihnen zu helfen? Weil beispielsweise Aktivisten der extremen Rechten einen Trainerposten übernommen haben?

Das hat es gegeben. Wir nehmen dann direkt mit den Vereinen Kontakt auf und suchen gemeinsame Lösungsansätze. Das geht bis hin zur rechtlichen Unterstützung, wenn tatsächlich ein Vereinsausschluss betrieben wird. Wir unterstützen, damit die Vereine hier nicht alleine stehen. Aber noch wichtiger ist es in einer derartigen Situation, den jeweiligen Verein als Ganzes zu unterstützen, beispielsweise damit Entscheidungen kommuniziert werden und transparent für alle sind.

NgN: Der DFB hat ja einen neuen Katalog von Strafen für Vereine erarbeitet, bei denen es zu rechten, antisemitischen oder rassistischen Vorfällen kommt. Was sind die wichtigsten Punkte?

Es gibt klare Vorgaben der Fifa und UEFA, wie bei rassistischen und antisemitischen Vorfällen zu reagieren ist. Je nachdem in welcher Spielklasse der Vorfall aufgetreten ist, ist das entsprechende Sportgericht zuständig. Es muss dann der Einzelfall betrachtet werden. Dann wird das dafür zuständige Sportgericht zusammentreten und im Rahmen dieser Vorgaben ein Urteil sprechen: von Geldstrafen bis hin zum Punktabzug, wie aktuell beim Oberligaduell zwischen dem Halleschen FC und der Zweiten Mannschaft von Carl Zeiss Jena, als von Fans des Halleschen FC ?Juden Jena? Sprechchöre kamen.

NgN: Beim Halleschen FC ist zum zweiten Mal innerhalb von 18 Monaten zu einem rechtsextremen Vorfall gekommen. Der Verein hat in beiden Fällen den Kopf in den Sand gesteckt und diejenigen, die das Problem öffentlich gemacht haben, zu Sündenböcken gestempelt. Das wirkt recht unbelehrbar.

Ich verrate sicherlich kein Geheimnis, dass wir mit der Reaktion des Vereins nicht zufrieden sind. Insbesondere auch die Äußerungen, die auf der Website zu finden waren, die eigentlich mehr Kritik am DFB und an der Sportgerichtsbarkeit geübt haben als das wirkliche Problem zu erkennen. Wir haben mit dem Leiter des Fanprojekts in Halle und einem Mitglied des Vorstands gesprochen, außerdem ist das ganze Thema bei der Präsidiumssitzung des Norddeutschen Fußballverbands gewesen. Natürlich kann ein Vereinsvorstand behaupten, man hätte nichts gehört. Da macht man es sich sehr, sehr einfach. Aber zumindest im Nachgang muss man sich klar positionieren. Und das hat in diesem Fall wirklich gefehlt.

NgN: Was halten Sie denn wirklich für wirksam in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus im Fußball?

Ich glaube, dass es auch hier eine gesunde Mischung zwischen Prävention und Repression geben muss. Ein Schwerpunkt muss auf präventiver Arbeit liegen. Oft haben wir eine Kultur des Wegschauens. Nach dem Motto, bei uns gibt es die Probleme nicht. Und wenn wir sie haben, sind es immer nur Einzelfälle. Dazu gehört aber auch, dass es jemanden geben muss, bei dem ein Verein oder ein Team Hilfe erhält, um die Leute mit Informationen und Handlungsalternativen auszustatten. Parallel dazu, und das gehört genauso dazu, muss natürlich die Sportgerichtsbarkeit einschreiten, wenn Vereine eben unbelehrbar sind. Im präventiven Bereich, der Sozial- und Fanarbeit, müssen wir über einen langfristigeren Zeitraum von drei bis fünf Jahren reden.

NgN: Eine letzte Frage: Was erhofft sich der DFB von der Aktion Netz-gegen-Nazis.de?

Wir wollen helfen ein Netzwerk aufzubauen, um sich auszutauschen: Wo gibt es in anderen gesellschaftlichen Bereichen ähnliche Probleme? Wie ist man dort damit umgegangen? Kann man unter Umständen auch zusammen mit anderen gegen Rechtsextremismus vor Ort vorgehen? Das ist sicherlich ein wesentlicher Schritt, um nachhaltig das ganze Problem in die Öffentlichkeit zu bringen, um Leute zu erreichen, die Hilfe brauchen und ihnen zu helfen, relativ problemlos an die erforderlichen Informationen zu kommen.

Das Interview führte Heike Kleffner

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