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Gerade eröffnet, schon attackiert Angriff auf Demokratieladen in Kahla

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Eingeworfene Scheibe des Demokratieladens in Kahla (Quelle: Mobile Beratung in Thüringen (MOBIT) )

Ein faustgroßes Loch in der Fensterscheibe, auf dem Gehweg die Kreideparolen „Meinungsfreiheit statt eurer ‚Zivilcourage'“ und „Freiheit für Wolle“ (gemeint ist der inhaftierte mutmaßliche NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben). Erst am 16. April war der Demokratieladen im Rahmen des bundesweiten Aktionstages „Wir für Demokratie – Tag und Nacht für Toleranz“ in Kahla von der thüringischen Sozialministerin Heike Taubert (SPD) eröffnet worden, um nur einen Tag später Ziel eines Angriffs zu werden: Unbekannte schmissen die Scheiben ein und hinterließen besagte Botschaften.

Der Demokratieladen in der Margaretenstraße ist eine Initiative der Kahlaer Zivilgesellschaft zur Förderung eines demokratischen Klimas in der Sadt – ein Projekt, dass der rechtsextremen Szene vor Ort wohl ein Dorn im Auge ist. So urteilte die Mobile Beratung in Thüringen (MOBIT), die Täter müssten in der lokalen extrem rechten Szene vermutet werden. Tatsächlich wurden kurze Zeit später zwei Tatverdächtige festgenommen, von denen einer derzeit auf Bewährung wegen politisch motivierter Sachbeschädigung ist, wie eine Polizeisprecherin am Freitag mitteilte. In seiner Wohnung fanden die Ermittler eine Sturmhaube, eine Gotcha- und eine Softairwaffe sowie rechtes Propagandamaterial. Bei dem anderen Verdächtigen fand die Polizei eine Steinschleuder, die bei dem Angriff als Tatwerkzeug gedient haben könnte. Mittlerweile sind die beiden 22- und 19-Jährigen wieder auf freiem Fuß – gegen sie wird nun wegen politisch motivierter Sachbeschädigung ermittelt.

Massive Einschüchterungsversuche

Die Attacke auf den Demokratieladen ist beileibe nicht der erste Vorfall in Kahla. Bereits in der Nacht zum 26. März 2013 waren die Scheiben des sozial engagierten Vereins „Täglich-Brot-Insel“ ebenfalls in Kahla zerstört worden. Seitdem bekannt wurde, dass hier am 15. Juni der „Thüringentag der Nationalen Jugend“ stattfinden soll, häufen sich die Einschüchterungsversuche aus der örtlichen rechtsextremen Szene. Auch die „Täglich-Brot-Insel“ unterstützt derzeit das zivilgesellschaftliche Engagement gegen den “ Thüringentag“.

Kreideslogan vor dem Demokratieladen (Bildquelle: MOBIT)

Dementsprechend stellt Stefan Heerdegen von MOBIT fest: „Die Neonazi-Szene rund um das Freie Netz Kahla versucht, im Vorfeld des extrem rechten Großereignisses ‚Thüringentag der nationalen Jugend‘ Gegenaktivitäten zu stören und somit Engagierte einzuschüchtern.“ Man versuche, für die Bürgerinnen und Bürger in Kahla eine öffentlich wahrnehmbare Drohkulisse zu erzeugen, um die Beteiligung an den Protesten zu unterbinden. Nicht nur die Zivilgesellschaft sei aufgerufen, den demokratisch engagierten Aktiven in Kahla zur Seite zu stehen. Ebenso sei weitere öffentliche Unterstützung von Landespolitik und Polizei gegen die rechten Einschüchterungsversuche nötig. Diese Versuche zeigten sich nicht zuletzt auch beim Aktionstag am 16. April 2013: Auf dem nahegelegenen Kahlaer Marktplatz unternahmen immer wieder Angehörige und Sympathisanten der örtlichen extrem rechten Szene Versuche, Präsenz auf dem Markt zu zeigen, um Anwesende einzuschüchtern.

Der „Thüringentag der nationalen Jugend“

Der „Thüringentag der nationalen Jugend“ findet seit 2002 jährlich in einer anderen Stadt des Bundeslandes statt, eine Musik-Veranstaltung von NPD, Neonazi-Netzwerken und Sympathisanten. Miterfinder des „Festivals“ ist Ralf Wohlleben, der wegen seiner mutmaßlichen Unterstützung des NSU ab Anfang Mai vor Gericht steht. 300 Neonazis werden am Platz „Auf dem Gries“, dem Veranstaltungsort, erwartet, 2012 waren es in Meiningen etwa 250 Neonazis gewesen, unter ihnen der NPD-Vorsitzende Holger Apfel. Im Jahr zuvor waren etwa 800 Neonazis nach Sondershausen gereist.

Über die Charakteristik des Thüringentages informiert das Bildungswerk Blitz: „Es handelt sich um eine der ersten Veranstaltungsformen, die rechtsextreme Propaganda, Kameradschaftstreffen, NPD-Parteiarbeit mit jugendkulturell orientierten Angeboten wie Konzert, Ständen (rechtsextremer Versandhandel) und Festivalcharakter verbindet, zunehmend auch mit familienorientierten Aktivitäten.“ Unter dem Mantel der Bürgerlichkeit agitiere vor allem die NPD im so genannten „vorpolitischen Raum“. Bei der Veranstaltung mit Festival-Charakter gehe es vor allem darum, „rechten Lifestyle“ hoffähig machen und somit hauptsächlich Jugendliche, junge Erwachsene und Familien mit rechtsextremen Parolen zu erreichen.

Kahla: Ein Schwerpunkt der Neonazi-Szene

Laut der Landesregierung gehören zu den Verantwortlichen des diesjährigen Thüringentages auch drei Namen, die aus der neonazistischen Kameradschaftsszene von Saalfeld bzw. Kahla bekannt sind. Dies geht aus einer Antwort hervor, die die Linken-Abgeordnete Katharina König auf eine Kleine Anfrage hin erhielt. Die Abgeordnete machte bereits mehrfach auf die Neonazi-Szene in Kahla aufmerksam und warnte vor deren jüngsten Entwicklung. „Kahla ist in den letzten zwei bis drei Jahren zu einem neuen Schwerpunkt der Neonazi-Szene geworden. Mehrere Anhänger des ‚Braunen Haus Jena‘ – inklusive dessen Besitzer – sind nach dem langjährigen Widerstand in Jena in die Kleinstadt gezogen“, stellt König fest.

Bezogen auf den geplanten Thüringentag betonte die Abgeordnete den Zusammenhang zum NSU-Unterstützerkreis: „Der Anmelder des Neonazi-‚Thüringentages‘ 2013 organisierte im Frühling 2012 ein Solidaritätskonzert für den inhaftierten NSU-Unterstützer Wohlleben in Saalfeld.“ Hinzu käme, dass der geplante Versammlungsleiter eine Facebook-Kampagne und Spendensammlungen für Wohlleben initiiert habe, während der stellvertretende Versammlungsleiter führend bei der Neonazi-Gruppierung „Freies Netz Kahla“ sei.

„Seien Sie couragiert“

Vor diesem Hintergrund, aber auch mit Blick auf den Angriff auf den Demokratieladen ist das zivilgesellschaftliche Engagement gegen den Thüringentag umso wichtiger. Und dieser Widerstand formiert sich bereits: So fanden schon mehrere Netzwerktreffen statt, eine Initiative mit dem Namen „BürgerInnen für Zivilcourage in Kahla“ hat sich gegründet. Ihr gehören Vereine, Verbände, politische Vertreterinnen und Vertreter sowie regionale Netzwerke gegen Rechts an. Auf der Facebook-Seite der Initiative heißt es: “ Wir wollen jeden Einzelnen in Kahla ermutigen, nicht weg zusehen wenn im Umfeld rechtsextreme Haltungen deutlich werden. Seien Sie couragiert : widersprechen Sie den einfachen Parolen und menschenverachtenden Vorurteilen.“

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