Am 13.10.2018 fand im sächsischen Ostritz, an der Grenze zu Polen, das faschistische Kampfsport-Event „Kampf der Nibelungen” (KdN) statt. Die rund 700 Teilnehmer*innen reisten aus verschiedenen Teilen Deutschlands und Europas sowie aus der Ukraine und Russland an. Auffallend war, dass im Vergleich zu Rechtsrock-Veranstaltungen überdurchschnittlich viele Frauen dabei waren.
Kampfsport-Events erfreuen sich großer Beliebtheit in der gewaltaffinen Neonazi-Szene
Kampfsport genießt unter militanten Neonazis eine unverändert hohe Popularität. Die Besucher*innen und Teilnehmer*innen des Turniers in Ostritz verbindet die Vorliebe für brutal ausgetragene Kämpfe in den Bereichen MMA (Mixed Martial Arts), Boxen und K1 (Regelwerk für verschiedene Kampfsportarten). Mindestens eine genauso große Rolle wie der sportliche Aspekt spielt die politische Komponente der Veranstaltung. Auf der Website behaupten die Veranstalter*innen, dass andere MMA-Events sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen würden. Dieses „Problem“ haben Neonazis beim „Kampf der Nibelungen“ schon mal nicht. Hier will man den „Sport nicht als Teil eines faulenden politischen Systems verstehen, sondern diesen als fundamentales Element einer Alternative zu eben jenem etablieren und in die Breite tragen“, heißt es auf der Website weiter.
Mehr noch als in anderen Sportarten kann beim MMA durch den direkten Körperkontakt ein antiquiertes Männlichkeitsbild sowie der dort vorherrschende Körperkult ausgelebt werden. Der KdN dient aber immer öfter auch als Plattform zur Rekrutierung und für eine internationale Vernetzung der extremen Rechten.
Der Veranstaltungsort: Das Hotel „Neisseblick“ in Ostritz
Veranstaltungsort war das Gelände des Hotels „Neisseblick“, direkt an der polnischen Grenze. Im April fand hier bereits das „Schild und Schwert“-Festival (SS-Festival) von NPD-Mann Thorsten Heise statt, auf dem den rechtsextremen Teilnehmer*innen bereits Kämpfe des KdN geboten wurden. Eigentümer des Hotels ist das ehemalige NPD-Mitglied Hans-Peter Fischer, der auch als „Herbergsvater der NPD“ bezeichnet wird.
Hans-Peter Fischer
Szene-Externe sowie Journalist*innen waren unerwünscht, man wollte unter sich bleiben. Und so war das gesamte Gelände gut abgeschirmt vor neugierigen Blicken. Die angefahrenen Besucher*innen wurden schnell durch die Schleusen am Eingang des Hotels geleitet und konnten auf dem Gelände parken. Obwohl die Öffentlichkeit auch am Samstag kaum etwas vom Treiben im Inneren mitbekommen hat, fanden die vorigen KdN-Veranstaltungen noch klandestiner statt. Mit der Veranstaltung in Ostritz haben die KdN-Verantwortlichen erstmals (wenn man das Programm beim SS-Festival nicht dazu rechnet) den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt.
Neonazi-Labels und eine Hooligan-Plattform als Sponsoren des KdN
Die Sponsoren vom „Kampf der Nibelungen“ sind einschlägige Modemarken aus der extrem rechten Kampfsport-Szene: „Greifvogel Wear“ (Gründer ist der Dresdener Neonazi Sebastian Raack), „Sport Frei“ (die rechte Hooligan-Marke von Henrik Ostendorf, der Bruder des „Kategorie C“-Sängers), „Black Legion“ und „Pride France“ (gegründet vom umtriebigen französischen Neonazi Tomasz Skatulsky in Lyon). Als neuer Unterstützer ist die Plattform „GruppaOF“ hinzugekommen. Über soziale Netzwerke hält „GruppaOF“ die Hooligan-Szene täglich mit aktuelle Fotos, Videos und Insiderinformation zu europäischen Hooligan-Kämpfen auf dem Laufenden.
Die russische Kampfsport-Marke „White Rex“ von Denis Nikitin
Erstmals war die russische neonazistische Kampfsport-Marke „White Rex“ offiziell Mitveranstalter des Events. Gegründet durch Denis Nikitin, ist es mittlerweile ein Netzwerk international organisierter Neonazis, die sich durch Kraft- und Kampfsport, körperliche und geistige Ertüchtigung für den Nahkampf, beziehungsweise den von Neonazis oft beschworenen „Heiligen Rassenkrieg“ vorbereiten. Marken-Gründer Nikitin leitete außerdem einige Seminare in Deutschland und in der Schweiz, deren Teilnehmer*innen in lokalen, extrem rechten Organisationen und Parteien verankert sind. Nikitin will mit seiner Marke Kampf- und Kraftsport, kombiniert mit einer gesunden Lebensführung, in der europäischen Neonazi-Szene etablieren, damit diese wehrhafter wird. Auf dem Blog „Runter von der Matte“ heißt es, „White Rex“ gelte als Stichwortgeber in der neonazistischen Kampfsport-Szene.
Links: Label von „White Rex“
Der Veranstalter: Alexander Deptolla
Anmelder der geschlossenen Veranstaltung war der neonazi Alexander Deptolla. Er gilt als der Hauptverantwortliche des KdN. Deptolla ist nicht nur eine Führungsperson der rechten Szene in Dortmund, sondern auch eng an die „Hammerskins“ – insbesondere Malte Redeker– angebunden. Er soll unter anderem der Führungsebene des inzwischen verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“ angehört haben.
Alexander Deptolla
Ordnerdienst von einem umtriebigen „Combat 18“-Aktivisten
Neben Deptolla waren weitere Neonazis aus dem Ruhrgebiet in die Organisation der Veranstaltung eingebunden. Im Ordnerdienst war unter anderem der Neonazi Robin Schmiemann eingesetzt. Schmiemann ist Teil des neonazistischen paramilitärischen Netzwerkes von „Combat 18“. Nach Recherchen von „Exif“ reist Schmiemann als Art Manager von „Combat 18“ durch Europa. Während eines Raubüberfalls auf einen Supermarkt 2007 hätte er einen 60-jährigen migrantischen Kunden mit Schüssen in Brust und Bein um ein Haar getötet. Schmiemann wurde damals zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Eine Brieffreundschaft zur verurteilten NSU-Terroristin Beate Zschäpe zeugt von einer tiefen Vertrautheit der beiden.
Robin Schmiemann mit Tattoo eines Truppenabzeichens der SS-Division „Dirlewanger“. Heute auch Erkennungszeichen von Thorsten Heises „Arischer Bruderschaft“.
Unter den Besuchern: Sven Kahlin, der Mörder des Dortmunder Punks „Schmuddel“
Unter den rechtsextremen Besucher*innen des Events war auch Sven Kahlin. Am 28. März 2005 erstach Kahlin in Dortmund den 17-jährigen Punk Thomas Schulz, genannt „Schmuddel“. Nach fünf Jahren Gefängnis wurde er vorzeitig entlassen. 2013 folgte für den gewalttätigen Neonazi die nächste Gefängnisstrafe, weil er 2011 auf zwei migrantische Jugendliche losgegangen war und einen niedergeschlagen hatte.
Am Samstag beim «Kampf der Nibelungen» in #Ostritz war auch der verurteilte Totschläger Sven Kahlin anwesend. 2005 erstach er mit mehreren Messerstichen den Punker Thomas »Schmuddel« Schulz in Dortmund. #NoNazis Bild: @pixelarchiv1 pic.twitter.com/4ezcuaBneo
— Exif-Recherche (@ExifRecherche) 15. Oktober 2018
KdN-Teamfights beim nächsten SS-Festival in Ostritz
Im Rahmen der zweiten Auflage des „Schild und Schwert“-Festivals am 2. und 3. November in Ostritz ist abermals ein Turnier des KdN angekündigt. Erstmals in Deutschland sollen an diesem Wochenende sogenannte „Teamfights“ ausgetragen werden. MMA-Kämpfe bei denen mehrere Personen pro Team gleichzeitig im Ring stehen und gegeneinander kämpfen.
Etwas ungewöhnlich war, dass am Samstag parallel zum KdN zwei weitere MMA-Events in Sachsen stattgefunden haben, beide in Plauen. Beide Sportveranstaltungen gelten als rechtsoffen: Die Veranstalter haben keine Berührungsängste zu offen rechtsextremen Kämpfern und Teilnehmer*innen.
Auch NPD-Politiker mit Auschwitz-Tatoo auf dem Rücken war in Ostritz: Marcel Zech, Mitglied der rechtsextremen Gruppe „Barnimer Freundschaft 25“
“Ihr Konzept ist nicht gänzlich aufgegangen”
Lange Jahre galten beinahe ausschließlich konspirativ organisierte Rechtsrock-Konzerte als Schwerpunkt der rechten Erlebniswelt. Heute zählen auch eigene Kampfsportveranstaltungen zum Repertoire der rechtsextremen Szene. Der KdN spricht vor allem die Gewaltaffinität der Szene an, dient aber immer öfter auch als Plattform für eine internationale Vernetzung der extremen Rechten. Außerdem müssen wir annehmen, dass die Neonazi-Szene sich mit derartigen Veranstaltungen an kampfsportbegeisterten Nachwuchs wenden möchte.
Hooligan-Experte Robert Claus merkt jedoch an, dass es dem KdN nicht gelungen ist, größere Massen der rechtsextremen Hooligan-Szenen anzusprechen: „Bereits im Vorjahr konnte der KdN über 600 Besucher*innen nach Kirchhundem im Sauerland ziehen. Jetzt, nach ihrem Umzug nach Sachsen, ihrem Gang in die Öffentlichkeit und im Zuge ihrer Professionalisierung, wuchsen sie nur um knapp 100 Besucher*innen. Für mich bedeutet das: Ihr Konzept ist nicht gänzlich aufgegangen.“
Dennoch verdienen die Aktivitäten in diesem Bereich besondere Aufmerksamkeit. Ähnlich wie beim Rechtsrock besteht hier das Risiko, dass die Veranstaltungen durch ihren verschworenen Charakter der stetigen Verfestigung der völkisch-faschistischen Ideologie dienen können. Außerdem liegt eine ganz konkrete Gefahr in kampfsporterprobten Neonazi-Aktivist*innen, wenn diese ihre „gewöhnlichen“ politischen Aktivitäten auf die Straße tragen.
„Friedenslauf“ auf dem Marktplatz
Nur wenige Meter entfernt zeigten große Teile der demokratischen Ostritzer Zivilgesellschaft den Neonazis jedoch, dass sie in ihrer Kleinstadt nicht willkommen sind. Von 10 bis 16 Uhr fand auf dem Marktplatz ein Friedenslauf statt. Viele der Läufer*innen trugen Trikots mit dem Satz „Ich laufe für Nazi-Aussteigerprogramme“. Für jede Runde auf dem Ostritzer Marktplatz bekamen die Läufer*innen einen Euro, der auf ein Spendenkonto eingezahlt wird. Der Erlös fließt in Neonazi-Aussteigerprogramme und die Finanzierung des zweiten Ostritzer Friedensfestes am 2. bis 4. November, einer Gegenveranstaltung zum parallel stattfindenden zweiten Auflage vom „Schild und Schwert“-Festivals in der Kommune.