Während einige Gamer:innen versuchen, Hassnachrichten und eine negative Game-Attitude auszublenden, gibt es andere, meist nicht von Diskriminierung betroffene Spieler:innen, die die Auswirkungen von toxischer Kommunikation verkennen. „Das ist doch nur ein Spiel, das stört doch keinen“, ist ein Kommentar, der in diesem Zusammenhang öfter fällt. Dass diese Hassinhalte schwerwiegende psychosoziale Folgen für Streamer:innen oder jene Gamer:innen haben, die auch abseits vom Bildschirm mit Ausgrenzung konfrontiert sind, wird dabei ignoriert.
Meldefunktionen im Spiel nutzen
In vielen Online-Spielen wie „Overwatch“ oder „League of Legends“ werden täglich tausende Online-Partien gespielt. Damit das Moderationsteam problematisches Verhalten sanktionieren kann, ist es unabdingbar, dass eine aktive Community diskriminierende Inhalte meldet.
Meldefunktionen auf den Plattformen nutzen
Wie in der Plattformanalyse auf gezeigt, reagiert Steam verhalten auf Meldungen zu rechtsextremem Inhalten. Häufig bleiben Gruppen, Kommentare und Profile, die offen den Nationalsozialismus glorifizieren oder sich rassistischer und anderweitiger diskriminierender Sprache bedienen, unberührt.
Es kann daher hilfreich sein, Hassrede zusätzlich bei den jeweiligen Landesmedienanstalten zu melden. Auf der Seite der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz können zudem rechtsextreme Videospielproduktionen gemeldet werden. Die Bundeszentrale hat die Möglichkeit, eindeutig rechtsextreme Videospiele zu indizieren und so ein Verbreitungs- oder Werbeverbot in Deutschland zu bewirken.
Gegenrede leisten
Neben der Möglichkeit, Diskriminierung zu melden, helfen Gegenrede und Positionierung, um rechtsextreme, rassistische oder sexistische Akteur:innen in ihre Schranken zu weisen. Hierbei ist es besonders wichtig, sich auf die Seite der Betroffenen zu stellen, die in Hasskommentaren angegriffen werden. Toxische oder gar rechtsextreme Akteure durch Gegenrede zu überzeugen, wird in wenigen Fällen gelingen – Unentschlossene zu adressieren, die zum Zuhören und Nachdenken bereit sind, ist vielversprechender.
Ein unterstützender Kommentar zeigt Solidarität und spricht die schweigende Mehrheit an, die der Haltung des Gegenkommentars mehr Bedeutung schenkt als der Hassäußerung. Sie wird bestenfalls dazu motiviert, ebenfalls Stellung zu beziehen für eine demokratische Debattenkultur und gegen politisch motivierte Beleidigung und Abwertung.
Haltung beweisen
Haltung zu zeigen, die eigenen Werte zu vertreten und Zivilcourage zu beweisen, funktioniert auch abseits vom analogen Raum. Seit 2016 findet im Online-Rollenspiel „Guild Wars 2“ jährlich ein zweitägiger Pride March statt. Spieler:innen schließen sich zu einem Demonstrationszug zusammen, um ein Zeichen für die LGBTQI+-Community zu setzen und Spenden für zum Thema arbeitende Non-Profit-Organisationen zu sammeln. Spendenstreams von Gamer:innen haben auf Twitch und Y ouTube nunmehr eine lange Tradition. So unterstützten Streamer:innen und ihre Communitys mit Spendenaktionen Organisationen wie HateAid, Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage, Seebrücke oder die Deutsche Depressionshilfe.
Einige Influencer:innen nehmen ihre Vorbildfunktion jedoch auch abseits von Wohltätigkeitsveranstaltungen wahr und positionieren sich in ihren Videos oder in klassischen Sozialen Medien wie Twitter oder Instagram politisch. Andere dagegen äußern sich unbedacht oder reproduzieren sogar sexistische oder andere Diskriminierungsformen. Wenn Content-Creator:innen zu politischen Themen Stellung beziehen, darf Medienkompetenz (beispielsweise das Erkennen von Desinformation und Verschwörungserzählungen) nicht fehlen. Gleichzeitig braucht es eine aktive Community, die in Live-Chats oder Kommentarsektionen demokratische Standpunkte aufgreift, unterstreicht oder artikuliert. Die Moderation der eigenen Community und die Formulierung einer diskriminierungsfreien Netiquette (d.h. eines digitalen Hausrechts) stützen die Haltung von Influencer:innen und Spieleredaktionen.
Betroffene unterstützen
Neben der Möglichkeit, durch Gegenrede Solidarität mit Betroffenen von Hassrede zu zeigen, können auch abseits von direkten Konfliktsituationen jene präventiv unterstützt werden, die häufig Ziel von Diskriminierung werden. Viele Streamer:innen und andere Medienschaffende positionieren sich im Netz für Diversität und für inklusive Gaming-Communitys. Eine positive Nachricht, ein einfaches „Danke“ sorgt nicht nur für ein besseres Wohlbefinden bei Netzaktivist:innen. Unterstützende Kommentare motivieren auch, sich in eigenen Videoformaten, den Kommentarspalten oder in Sozialen Medien für ein demokratisches Miteinander einzusetzen.
Diversität in der Games-Industrie einfordern
Die meisten großen Spielepublisher und Entwickler:innenstudios verkörpern ein homogenes Bild einer weißen und männlich dominierten Games-Branche. Das macht sich letztlich auch in den Spielecharts bemerkbar, in denen gelungene Repräsentation von Spielfiguren noch selten ist. Auch wenn sich diese Situation schrittweise zu verbessern scheint, liegt es gleichermaßen an Entwickler:innen, Publishern, aber auch an On- und Offline-Redaktionen sowie an den Gamer:innen selbst, auf Veränderungen hinzuwirken.
Gaming etabliert sich mehr und mehr als umfassender Kulturbereich. Hier Angebote abseits von heteronormativen Strukturen anzubieten und marginalisierte Stimmen zu inkludieren, fördert ein vielfältiges Miteinander.
Pädagogische Chancen von Videospielen nutzen
Wenn es um politische Bildung, das Einüben demokratischen Handelns oder Wissensvermittlung geht, denken Politik und Pädagogik noch zu selten an Gaming. Den pädagogischen Mehrwert und die didaktische Abwechslung, die von sogenannten Serious Games (Spielen, die nicht primär oder ausschließlich der Unterhaltung dienen) wie „Loulu“ oder „Hidden Codes“, aber auch von Produktionen wie „Age of Empires“ oder dem „Discovery Modus“ in „Assassin‘s Creed“ ausgehen, sollten Lehrer:innen nicht verkennen. Auch wenn es Ziel dieser Handreichung ist, vor den lauten, toxischen und rechtsextremen Verhaltensweisen im Gaming zu warnen, stellen diese doch deutlich die Minderheit unter den Gamer:innen dar. Wenn daher Begriffe wie Steam oder Discord im Umgang mit Jugendlichen auftauchen, sollten Eltern und Pädagog:innen nicht in Alarmismus verfallen. Einen genauen Blick darauf zu werfen, wie und wo auf den Plattformen interagiert wird, und idealerweise auch selbst Videospiele auszuprobieren, sollte Teil der eigenen Medienkompetenz sein.
Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre:
Amadeu Antonio Stiftung / Good Gaming – Well Played Democracy:
„Unverpixelter Hass. Toxische und rechtsextreme Gaming-Communitys“
Berlin 2022
90 Seiten