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Grüne Tarnfarbe Rechtsextremismus unter dem Deckmantel des Umweltschutzes

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Deutscher Wald (Quelle: Wikimedia Commons(CC-Lizenz))

Biologische Landwirtschaft, nachhaltige Produktionsweisen, Anti-Atomkraft-Proteste und Demonstrationen gegen Gentechnik: Es ist traditionell eher das linke Spektrum, in dem solche Themen verortet werden. Doch mehr und mehr entdecken die NPD und andere rechtsextreme Gruppen diese Komplexe für sich, können sie sich doch sicher sein, damit in die Mitte der Gesellschaft zu zielen. Mit dem braunen Anstrich für die klassisch grünen Themen geht aber auch eine inhaltliche Vereinnahmung einher: Rechtsextreme infiltrieren die Argumente für den Naturschutz mit ihrer rassistischen Ideologie.

„Deutsche Kulturlandschaften“

Das macht etwa die Broschüre „Naturschutz gegen Rechtsextremismus“ der rheinland-pfälzischen Landeszentrale für Umweltaufklärung deutlich: In ihr setzt sich der Historiker Nils Franke eingangs intensiv mit der NPD-Parole „Deutsche Landschaften sind Kulturlandschaften“ auseinander. Ein auf den ersten Blick unverfänglicher und mit dem Begriff der „Kultur“ positiv wertender Satz. Erst bei genauerem Hinsehen offenbart sich die rassistische Konnotation: Denn die positive Wertung bezieht sich eben nur auf deutsche Landschaften. Auch ist der Begriff der „Landschaft“ äußerst ungenau: Was wird damit eigentlich genau gemeint und welche deutschen Landschaften sind hier geografisch angesprochen? Franke weist darauf hin, dass der Begriff der „Kulturlandschaft“ wissenschaftlich objektiv nichts anderes meint als einen „Raum, den der Mensch prägt“ – in Abgrenzung zur Wildnis, die vom Menschen unberührt bleibt. Dann aber haben natürlich auch andere Länder Kulturlandschaften. Und diese Kulturlandschaften bzw. kulturellen Werte können ebenso offensichtlich nicht verglichen werden. So bleibt nur, in dem NPD-Zitat „Deutsche Landschaften sind Kulturlandschaften“ wieder die rechtsextreme Ideologie zu entdecken, die Parole meint laut Franke „andere Gesellschaften herabzuwürdigen, ja ihnen die Kulturfähigkeit insgesamt abzusprechen“.

Der Begriff der „deutschen Landschaft“ war schon während des Dritten Reichs zentral für die Nationalsozialisten. Damals planten führende Naturschützer eben solche in Osteuropa. Aus Sicht der Nazis zeigten die Osteuropäer aufgrund ihrer „rassischen Minderwertigkeit“ auch „kulturelles Unvermögen“ und vernachlässigten deswegen ihre Landschaften. Durch die Eroberung des Ostens sei der vermeintlich überlegene „deutsche Mensch“ in der Lage, eine gepflegte „deutsche“ Kulturlandschaft herzustellen.

Umweltschutz und Heimatschutz

Ein weiterer zentraler Begriff der rechtsextremen Umweltbewegung ist der „Heimatschutz“, der etwa in dem NPD-Slogan „Umweltschutz ist Heimatschutz“ aufgegriffen wird. Heimat ist dabei jedoch nicht als konkrete Stadt oder ähnliches gemeint, sondern versteht in der rechtsextremen Ideologie eine rassisch begründete Abstammungsgemeinschaft und den von ihr besiedelten Raum – mit anderen Worten „Blut und Boden“. Während das Blut für die Abstammung steht, meint Boden den germanischen Raum. Laut Historiker Franke ist die Argumentationslinie, dass die Germanen den anderen Völkern überlegen gewesen seien, da sie seit Jahrhunderten der harten germanischen Landschaft ausgesetzt waren. Die Eigenschaften, die sie sich dadurch erworben hätten, hätten sie genetisch weitergegeben – womit der Zirkel zur Abstammung bzw. dem „Blut“ geschlossen wird.

Diese beiden Beispiele zeigen bereits, wie die Rechtsextremen versuchen, Kernaussagen ihrer Ideologie unter dem Mantel der Ökologie zu transportieren und sich mit grünen Inhalten zu profilieren – und das sehr geschickt. Die gleiche Strategie zeigt sich etwa beim nationalistischen Ökomagazin „Umwelt & Aktiv„. Auf den ersten Blick ein ganz normales Umweltheft mit Themen wie Biosprit oder Gentechnik. Doch spätestens Artikel über germanische Mythen oder Heimatschutz, in denen man erfährt, dass das deutsche Volk aussterbe, wenn es sich mit Menschen anderer ethnischer Herkunft fortpflanze, machen die rassistische Stoßrichtung deutlich.

Braune Biobauern

Zum gleichen Themenkomplex gehören auch die sich häufenden Fälle brauner Biobauern: So wurde in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder über rechtsextreme Landwirte berichtet, die ihre Produkte zum Teil unter anerkannten Bio-Siegeln verkaufen. Das Problem: So unterstützen Verbraucherinnen und Verbraucher, ohne es zu wissen oder es zu wollen, mit ihrem Kauf Nazi-Bauern. Darauf geht etwa der Sammelband „Braune Ökologen“ der Heinrich-Böll-Stiftung ein. In ihm werden allein in der Region Güstrow-Teterow zwischen Rostock und Neubrandenburg rund 60 rechtsextreme Biobauern gezählt. Neben Mecklenburg-Vorpommern gibt es vor allem in Sachsen und Bayern Bauern mit rechtsextremer Gesinnung-

Verbraucherinnen und Verbrauchern bleibt laut Böll-Stiftung nur, sich möglichst genau über die Erzeuger der gekauften Produkte zu informieren. Im Zuge der Problematik kommen nun allerdings auch die entsprechenden Verbände langsam in Bewegung. So arbeiten die großen Vereinigungen Demeter, Ecovin, Naturland, Bioland, Ecoland und Biopark laut einer Umfrage der Agentur AFP alle an einer Satzungsänderung, um rechtsextreme Mitglieder ausschließen zu können – oder können das bereits aufgrund der aktuellen Satzung. Auch der Dachverband Bund Ökologische Landwirtschaft (BÖLW) schreibt in einer Resolution vom Juni dieses Jahres, dass er alles in seiner Macht Stehende tun werde, um rechtsextreme Unternehmer aus den eigenen Reihen konsequent auszuschließen. Das ist allerdings gar nicht so einfach. Damit ein Betrieb ausgeschlossen werden kann, muss der Bauer sich laut BÖWL zum Beispiel öffentlich menschenverachtend äußern und dabei Bezug auf seine Verbandsmitgliedschaft nehmen. Bislang ist das, so der BÖWL, noch nicht vorgekommen. Einfacher ist es da, Nazi-Landwirte erst gar nicht in die großen Vereinigungen aufzunehmen – tatsächlich wollen diese jetzt verstärkt versuchen, Beitrittswillige daraufhin zu prüfen, ob sie rassistisches Gedankengut vertreten.

Rechtsextreme Siedlungen

Das Problem der braunen Biobauern führt zu einem noch umfassenderen Komplex: dem der rechtsextremen Siedlungen. So entstehen vor allem in Mecklenburg-Vorpommern seit den 1990er Jahren ganze Siedlungen rechtsextremer „Ökos“. Im Raum Güstrow und Teterow leben zum Beispiel Landwirte, die die Tradition der Artamanen wiederbeleben wollen – einer völkischen Bauernbewegung aus den zwanziger Jahren, die eine Blut-und-Boden-Ideologie verfolgte.

Mit der Zeit ist ein gut organisiertes Netzwerk entstanden: Man hilft sich einander beim Zuzug, es gibt Handwerkskooperativen, Fahrgemeinschaften und private Kinderbetreuungen. Eigene Zimmerleute und Maurer packen beim Umbau alter Höfe an, um die Sanierungskosten gering zu halten. So soll mittel- und langfristig ein autarkes nationales Wirtschaftsnetzwerk geschaffen werden, in dem natürlich die eigenen Anhänger beschäftigt werden. Dabei schotten sich die Siedler beileibe nicht ab: Vielmehr bringen sie sich meist aktiv ins Dorfleben ein, engagieren sich in den örtlichen Schulen und Kindergärten. Und sie produzieren und vertreiben natürlich die eigenen Bioprodukte.

Der grüne Weichzeichner

Einmal mehr zeigt sich hier die Unterwanderungsstrategie der Rechtsextremen, lautlos in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen und als Alltag wahrgenommen zu werden. Ökologische Themen wirken da zum einen als Weichzeichner, der Anschlussmöglichkeiten schafft. Zum anderen werden sie als Deckmantel benutzt, um der rassistische Ideologie einen grünen Tarnanstrich zu verpassen.

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