Was passiert in Deutschland im Bezug auf Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF)? Unser monatlicher Überblick, wo Menschenfeindlichkeiten die Gesellschaft beschäftigt haben.
Antisemitismus
Wie sieht strafbarer Antisemitismus in Deutschland aktuell aus? In Berlin wurden im Jahr 2014 von der Polizei 192 Delikte mit antisemitischem Hintergrund registriert. Anders, als es manchmal in der medialen Darstellung scheint, ging ein Großteil der Taten, nämlich 90 Prozent auf das Konto von Rechtsextremen. Konkret waren es 174 Delikte. 15 Delikte wurden Migranten zugeordnet. In 109 Fällen ging es um Volksverhetzung, dazu kommen 24 Sachbeschädigungen, 23 Beleidigungen, 21 Propaganda-Delikte und vier Körperverletzungen. Bei drei der Übergriffen waren die Täter rechtsextrem, in einem Fall waren es arabische Jugendliche, die einen israelischen Unternehmer angriffen (Tagesspiegel). Auch bundesweit bestätigt sich dieser Trend: Von den 1.275 Delikten dieser Art, die 2013 behördlich erfasst wurden, seien 1.218 der politisch motivierten Kriminalität von Rechts zuzuordnen, wie aus der Regierungsantwort auf eine Anfrage der Grünen hervorgeht. 31 der Taten werden Ausländern zugeschrieben, 26 anderen Urhebern (Tagesspiegel, taz). Praktisch zeigen etwa Nazi-Rapper Patrick Killat alias „Villain051“ und die rechten Sängerin Mia Herm alias „Dee Ex“, wie das aussieht: Sie drehten ein antisemitisches Video auf den Stelen des Holocaust-Mahnmals, das in sozialen Netzwerken erschreckend beliebt ist (Berliner Kurier).
Antisemitismus und RechtspopulismusDifferenzen gab es bei der Bewertung rechtspopulistischer Bestrebungen im Bezu auf Antisemitismus: Islamfeinde geben sich gern als Gegener_innen von Antisemitismus aus. Auch die Bundesregierung konnte keinen antisemitischen Bestrebungen bei der „Alternative für Deutschland“ (AfD) oder „Pegida“ feststellen. Grünen-Politiker Volker Beck kommentierte, die Bundesregierung „beweist Chuzpe, wenn sie bei der AfD keinen Antisemitismus sehen kann, obwohl wir immer wieder Fälle haben, in denen AfD-Politiker durch antisemitische Karikaturen oder Aussagen Schlagzeilen machen“. Auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, widersprach der Bundesregierung in diesem Punkt. „Antisemitismus bei Teilen von Pegida und Mitgliedern der AfD mussten wir im Gegensatz zur Bundesregierung in der Vergangenheit sehr wohl feststellen.“ Einige Äußerungen oder Karikaturen auf Facebook seien ja auch öffentlich bekannt geworden, „insofern ist diese Feststellung der Bundesregierung für uns nicht nachvollziehbar“ (Tagesspiegel, taz). Jan-Ulrich Weiß, ehemaliger Kreischef der AfD in der Uckermark, steht aktuell wegen antisemitischer Äußerungen vor Gericht
Angesichts der vielen antisemitischen Übergriffe und Vorfälle weltweit und in Deutschland wird im März in vielen Medien diskutiert: Haben Jüdinnen und Juden wieder Angst in Deutschland? (Eher Nein. Und ein bisschen doch). Wollen sie Deutschland verlassen, so wie viele Jüdinnen und Juden aktuell diskutieren, Frankreich zu verlassen? (Eher nein). Gibt es „Problemviertel“, wo sich Jüdinnen und Juden nicht frei bewegen können? (Da gibt es sehr verschiedene Ansichten zu). Wie erleben junge Jüdinnen und Juden die Situation in deutschen Schulen? (Sie kennen viele antisemitische Vorurteile aus der Praxis, versuchen aber, entspannt damit umzugehen – den Eltern fällt das weniger leicht).
Auf fussball-gegen-nazis.de im März zum Thema Antisemitismus: Vom „Judenklub“ Bayern bis zum „Rattenball“ Leipzig: Struktureller Antisemitismus im Fußball
Rassismus
Deutsche halten sich für theoretisch tolerantEine Emnid-Umfrage zur Willkommenskultur in Deutschland im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zeigt: Die Deutschen selbst halten sich für weltoffen – fordern aber von Zuwanderern: Passt euch gefälligst an.
Sechs von zehn Deutschen finden, Zuwanderer_innen würden hier freundlich empfangen.68 Prozent der Zuwanderer_innen fühlen sich auch willkommen geheißen.In den westdeutschen Bundesländern wächst die Aufgeschlossenheit gegenüber Einwanderern – in den ostdeutschen Bundesländer sieht es gegenteilig aus.82 Prozent der Befragten möchten, dass die Bundesrepublik attraktiver für Zuwanderer_innen wird, zum Beispiel durch Hilfe auf Arbeitsämtern (fänden 82 % gut), leichtere Anerkennung ausländischer Schul- und Berufsabschlüsse ( fänden 76 % gut), leichtere Einbürgerung (fänden 56 % der Befragten gut), dauerhaftes Aufenthaltsrecht Einwanderer_innen (fordern 62 %).Nutzt Einwanderung? Ja, der Witschaft (finden 68 %), ja, sie macht das Leben interessanter (finden 67 %) oder ja, der demographischen Entwicklung (63 %).Macht Einwanderung Probleme? Ja, in der Schule (finden 61 %), als Belastung des Sozialstaates (finden 64 %), durch soziale Spannungen zwischen Einwanderer_innen und Einheimischen.Ostdeutsche sind bezüglich des Nutzens der Einwanderung skeptischer als Westdeutsche.Vier von fünf Deutschen möchten die Kulturen der Einwanderer_innen kennen lernen.97 Prozent der Befragten finden, die Einwanderer_innen müssten sich um ein gutes Zusammmenleben mit Deutschen bemühen.Drei Viertel erwarten, dass sich die Einwanderer_innen an die deutsche Kultur anpassen.Vier von fünf der Befragten forderten mehr soziales Engagment von den Migrant_innen.(Spiegel online)
Mainzer Aktion gegen rassistisches Logo: Wie schwer Alltagsrassismus zu bearbeiten ist
Student_innen engagieren sich sachlich und präzise begründet gegen das rassistische Logo eines Mainzer Dachdeckers – und werden mit einem riesigen, aggressiven Shitstorm im Internet und im Leben bedacht. Nach dem Bericht von netz-gegen-nazis.de findet der Fall aktuell deutschlandweit Resonanz – und sogar in der Washington Post erschien ein Artikel dazu.
Rassistischer Karneval gegen Flüchtlinge in der Sächsischen Schweiz
Schon im Februar-GMF-Bericht befassten wir uns mit Rassismus im Karneval – inzwischen wurde aber aus der Sächischen Schweiz noch eine besondere rassitische Karnevals-Praxis bekannt: In der NPD-Hochburg Reinhardtsdorf-Schöna zogen „Karnevalist_innen“ mit schwarz angemalten Gesichtern und rassistischen Kostümen als „reisefreudige Afrikaner“, „Reisegruppe Aladin“ und „Fünf-Sterne-Asyl-Lounge“ durch den Ort (BILD, Tagesspiegel) – im benachbarten Geising übrigens fand man Ähnliches komisch (BILD). Reinhardtsdorfs Bürgermeister Olaf Ehrlich (parteilos), der auch Präsident des örtlichen Karnevalsvereins ist, musste sich hinterher rechtfertigen, wieso er nicht verhindert hat, dass beim Umzug seines Vereins im Februar Stimmung gegen Asylbewerber gemacht wurde. „Sicherlich war das bitterböser Humor auf Kosten der Asylbewerber. Aber wer will zensieren, was als Satire gerade noch erlaubt ist und was nicht?“, fragt er laut sz-online. Der Sächsische Karnevalsverband sah das allerdings anders und distanzierte sich von dieser rassistischen Praxis auf Kosten von Minderheiten. Auf einer Sondersitzung in Annaberg-Buchholz hieß es, der Reinhardtsdorfer Karnevalsclub hätte seine Aufsichtspflicht als Veranstalter verletzt und gegen die Ethik-Charta des „Bundes Deutscher Karneval“ verstoßen (mdr).
Auf Belltower.news im März zum Thema Rassismus: Shitstorm gegen Anti-Rassismus-Kampagne in Mainz: Wenn Rassist_innen die Masken fallen lassen
Auf fussball-gegen-nazis.de im März zum Thema Rassismus: Kein Bier für Rassisten!
Islamfeindlichkeit
Pegida, die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, trugen zuletzt die Islamfeindlichkeit wieder offen auf die Straße, die auch rechtspopulistische Partein wie die AfD, Pro NRW oder „Die Freiheit“ salonfähig zu machen sucht. Wie umgehen mit der Islamfeindlichkeit, die sich auch in immer mehr Straftaten niederschlägt? Islamwissenschaftler Stefan Weidner meint in einer „Streitschrift“: „Das ist es, was mich an der Islamkritik stört: Sie rechnet dem Kranken seine Krankheit vor, sagt ihm, er sei doch selbst daran Schuld, und bietet ihm dann als Allheilmittel an: „Lieber Muslim, du musst nur Deiner Religion abschwören, dann wird alles gut!“ Bei alledem kommt sie sich auch noch überlegen und aufgeklärt vor. Das ist nichts als Quacksalberei. Wir müssen uns vor der Illusion hüten, es gebe einfache Lösungen für komplexe Probleme.“ und „Sich mit dem Islam produktiv auseinanderzusetzen, statt mit dem Finger auf ihn zu zeigen, das wäre die Aufgabe, die jetzt ansteht. Dafür brauchen wir Hochleistungsmedizin statt islamkritische Wunderheiler.“ (stern.de). Auf Belltower.news hatten wir im März 2015 einen Schwerpunkt zum Thema, mit den Artikeln
Islamfeindlichkeit vs. Antimuslimischer Rassismus vs. Islamophobie: Was meint was?2014 gab es 45 Angriffe auf Moscheen – doch das Ausmaß islamfeindlicher Straftaten bleibt im DunkelnInterview zur Studie „Deutschland postmigrantisch II“: Jugendliche sind weniger islamfeindlich als ErwachseneWarum Medien und Politik umgehend Islamischen Staat und Islamophobie abschaffen sollten
Auf fussball-gegen-nazis.de im März zum Thema Islamfeindlichkeit: HoGeSa quo vadis?
Feindlichkeit gegen Flüchtlinge
Tröglitz und die FolgenHetze und Attacken gegen Flüchtlinge und Flüchtlingsheime mehren sich in Deutschland seit Jahren (vgl. Chronik der Übergriffe auf Flüchtlinge 2014, Chronik der Übergriffe auf Flüchtlinge 2015), doch im März stach ein Fall heraus: In Tröglitz (Sachsen-Anhalt) legt der Ortsbürgermeister Markus Nierth sein Amt nieder. Auslöser ist ein erneut für Sonntag geplanter Hetzmarsch durch den Ort, euphemistisch „Lichterspaziergang“ genannt, den NPD-Kreisrat Steffen Thiel angemeldet hat. Er sollte in einer Kundgebung vor dem Wohnhaus des Bürgermeisters enden – weil dieser sich für eine Willkommenskultur für Flüchtlinge in seinem Ort bemüht (www.mz-web.de, Welt). Nierth erläutert seine Motivation: Er hat Angst um seine Familie. Er fühlt sich allein gelassen von der „großen Politik“, die ihn (und andere Engagierte) nicht genügend schützt, wenn sie in den Fokus gewalttätiger Neonazis geraten (mz-web). In der Folge wird in den Medien viel diskutiert: Wie kann es dazu kommen, dass der Mann sich so allein gelassen fühlt? Darf man vor Neonazis-Bedrohungen zurückweichen? (kurz: nein, wenn man eine Vorbild-Funktion hat – aber man braucht Unterstützung). Sollen trotzdem Flüchtlinge nach Tröglitz kommen? (Kurz: Ja). Zahlreiche weitere Bedrohungen werden bekannt – nach den Bedrohungen von Journalisten durch Neonazis im Februar sind nun die Bedrohungen von Politiker_innen durch Neonazis und Rassist_innen in der Presse (vgl. ngn, ngn II). Trotz der sich immer deutlicher offenbarenden Demokratiefeindlichkeit der Flüchtlingsgegner_innen, wie sie sich auch immer lauter in der AfD und bei Pegida finden, finden diese Zuspruch und fühlen sich im Aufwind. Zahlreiche weiter Übergriffe geschehen in ganz Deutschland – längst nicht mehr „nur“ durch organisierte Rechtsextreme, sondern durch durchschnittliche Alltagsrassisten, die sich durch die öffentlichen Diskurse ermutigt fühlen. (Stichworte (nur März!): Remscheid (NRW), Hoyerswerda (Sachsen), Gera (Thüringen), Guben (Brandenburg), Torgelow (MV), Wuppertal (Nordrhein-Westfalen), Malterdingen (Baden-Württemberg), Hof (Bayern), Baar-Ebenhausen (Bayern), Flöha (Sachsen), Bützow (MV), Freital (Sachsen), Frankfurt (Oder) (Brandenburg), Güstrow (MV), Beselich-Niedertiefenbach / Limburg-Weilburg (Hessen), alle Fälle hier auf ngn). Das Nierths Ängste über die Gewalttätigkeit der lokalen Anti-Flüchtlings-Szene nicht unberechtigt waren, wissen wir im April 2015: Auf die zukünftige Flüchtlingsunterkunft wird in der Nacht vom 1. auf den 2. April 2015 ein Brandanschlag verübt (Tagesspiegel, Zeit, MDR).
Auf fussball-gegen-nazis.de im März zum Thema Flüchtlinge: DFB macht Dampf – „Integration von Flüchtlingen ist auch Sache des deutschen Fußballs“
Homophobie
Mit Homophobie auf Südtirol-Tour ging im März der ehemalige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Werner Münch (damals CDU, dann wegen angeblichem „Linksruck in der CDU“ aus dieser ausgetreten). Er sprach im März auf einer ganzen Reihe von Veranstaltung gegen Homosexualität, Feminismus und „Gender-Ideologie“ – all das mache Ehe und Familie kaputt, aber auch christliche Kultur und gar die demokratische Zivilisation (queer.de, salto.bz). Die Südtiroler Sparkassen-Stiftung, die den veranstaltenden „Verein für Christliche Erziehung“ bisher finanziell unterstützte, hat wegen dieser Vortragreihe Konsequenzen gezogen und ihr Engagement beendet (salto.bz).
Das sind in Deutschland auch Lieblingsthemen der „Alternative für Deutschland“ (AfD), die sich speziell auch dem Engagement gegen Schulaufklärung über sexuelle Vielfalt widmet. Ein neuer Tiefpunkt, so queer.de, ist ein 45 Minuten langes Youtube-Video, das sich als „Anti-Bildungsplan-Dokumentation“ versteht. Als Macher des 45-Minuten-Stücks dienen offiziell zwei anonyme Autoren aus dem Netzwerk des rechten Hetzportals „Politically Incorrect„, das die Dokumentation auch fleißig bewirbt. In ihr kommen allerdings – neben einem vermeintlichen Wissenschaftler – nur AfD-Politiker zu Wort: Paul Hampel, der Landessprecher der Partei in Niedersachsen, das regionale Vorstandsmitglied Thomas Ehrhorn und Sören Hauptstein, Landeschef des AfD-Jugendverbands „Junge Alternative“, der bereits eine populistische Facebook-Seite gegen Schulaufklärung über Homosexualität betreibt (zu AfD und ihrer Auseinandersetzung mit Gleichstellung vgl. ZEIT online).
In dasselbe Horn blasen die „Demos für alle“ der Besorgten Eltern (über die netz-gegen-nazis.de im März berichtete), die von AfD-Frau Beatrix von Storch mitorganisiert werden. Eine solche fand am 21. März 2015 in Stuttgart. Eine der Hauptrednerinnen gegen die „Sexulisierung“ war die konservative Publizistin Birgit Kelle („Gender-Gaga“), die vor rund 1.000 Gegner_innen des Bildungsplans sprach. Rund 500 Menschen protestierten gegen den homophoben Aufmarsch (RNZ, Stuttgarter Zeitung). Bei einer „Demo für Vielfalt“ in München nahmen 350 Menschen teil (queer.de). Einen guten Kommentar zu Kelles Buch und den Gender-Debatten veröffentlichte übrigens Christian Bangel auf ZEIT Online.
Auch „Pegida“ darf in diesem Zusammenhang nicht fehlen. Auf Homophobie setzte nämlich die neu ernannte Kandidatin für die Dresdner Oberbürgermeister_innen-Wahl, die Ex-AfD-Frau Tatjana Festerling, bei ihrer Rede auf der Pegida-Demonstration in Dresden am 28.03.2015. Sie warf Schwulen und Lesben Terror gegen die Gesellschaft vor: „Wir wollen übrigens auch nicht den Terror der schwul-lesbisch-queren-intersexuellen Minderheit, die unsere Kinder mit ihrem überzogenen Sexualscheiß schon in der Grundschule traumatisieren“, erklärte sie vor jubelnden Anhängern. „Wer hat uns überhaupt jemals gefragt, ob es unseren Kindern gut tut, mit sechs Jahren zu lernen, wie sich lesbische Paare befriedigen.“ (queer.de)
Währenddessen legten Berlin und Brandenburg neue Entwürfe für Rahmenlehrpläne vor, die im Bereich Sexualaufklärung und Berücksichtigung von LGBT-Themen sogar hinter den Stand von 2001 zurückgehen. Der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD) warnt vor einem „bildungspolitischen Rollback“ (Queer.de)
Für Aufmerksamkeit sorgte dann noch ein Prozess vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten, in dem ein schwuler 18-Jähriger seine Familie verklagte, weil diese ihn entführt habe, um ihn zwangszuverheiraten. Der Prozess endete mit Geldstrafen (taz, rbb).
Kampagnen und Aktionen
„Love has no Labels“ – mit küssenden Skeletten für Toleranz (stern.de)Twitter-Kampagne #Ichkuessewenichwill – enorm erfolgreich gegen Homophobie (thinkoutsideyourbox)“Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie“: Hamburg legt nun einen auf, Bremen auch – nach Berlin, NRW und Rheinland-Pfalz.
Auf Belltower.news im März zum Thema Homophobie, Geschlechtergerechtigkeit: Besorgte Eltern – Wer sie sind und was sie wollen
Auf fussball-gegen-nazis.de im März zum Thema Homophobie: Fußballfans gegen Homophobie e.V.: „Unterstützung, Mitbestimmung und Transparenz“
Sexismus
Werberat: Mehr Beschwerden über sexistische ReklameBeleidigend, sexistisch, gewaltverherrlichend: Bürger haben sich 2014 häufiger über Reklame beschwert. Der Deutsche Werberat verteilte 14 Rügen. Anzügliche Bilder, schlüpfrige Sprüche: Immer mehr Menschen wenden sich wegen frauenfeindlicher Anzeigen an den Deutschen Werberat. Im vergangenen Jahr kritisierten Verbraucher 198 Annoncen und Werbespots als sexistisch oder diskriminierend, im Vorjahr waren es noch 154, wie der Werberat am Donnerstag mitteilte. Insgesamt hatte das Selbstkontrollgremium der Werbebranche über 387 Beschwerden zu entscheiden. In knapp einem Drittel der Fälle (111) gaben die Experten der Kritik aus der Bevölkerung recht (WAZ).
Sexuelle Gewalt in BoulevardmedienEine interessante Analyse zu Sexismus in der Boulevard-Berichterstattung – namentlich in BILD – veröffentlichte The European: Autorin Kristina Lunz stellt Doppelstandards fest: „Die „Bild“ bedient durch ihre Artikel über sexuelle Gewalt jedoch lediglich die Sensationslust ihrer Leserschaft. So prangte über einem Beitrag zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz ein Dekolleté-Foto. Rechts daneben – „Das könnte Sie auch interessieren“: Die Wahl zum „Bild-Girl“ des Jahres, „DSDS – Diese Hotpants machten die Jury-Herren froh“ und „Lilly Becker über ihr Liebesleben – ‚Im Bett trage ich nix‘“.“
Wie funktioniert Geschlechtergerechtigkeit?Ein Aufschrei hier, eine Petition dort reichen nicht, um Geschlechtergerechtigkeit herzustellen – weiß die Unternehmerin und Ex-Piratin Anke Domscheit-Berg, die im ND dazu interviewt wird: „Es wird zwar in den letzten Jahren wieder stärker über Diskriminierung von Frauen gesprochen, aber ich nehme eine neue Aggressivität wahr. Immer ist jemand anders schuld – die Frauen, die Männer, die Politik, die Wirtschaft … Diese Polarisierung finde ich falsch, weil sie nirgendwohin führt. Es gibt nicht die eine Ursache. Genauso wenig gibt es die eine Lösung. Auf ganz vielen Ebenen muss etwas geschehen – im Steuerrecht, beim Spielzeug, in Vorständen, bei der Absicherung von Alleinerziehenden. Es ist ein komplexes Feld, an dem praktisch alle gesellschaftlichen Akteure beteiligt sind. Ich will Schluss machen mit den Schuldzuweisungen. Männer und Frauen sollten sich gemeinsam für eine gerechtere Welt engagieren, nicht gegeneinander.“
Facepalm: Wie „True Fruits“ mit Sexismus und Lookismus wirbtGelegentlich wundert es doch, wie gerade Produkte, die sich an ein junges, potenziell cooles Publikum wenden, auf uralten Sexismus und Lookismus zurückgreifen: Die Smoothies von true fruits sollen laut Eigenaussage nicht nur „gesund“ und „ehrlich“ sein, sondern auch „sexy“. Um gerade letzteres zu unterstreichen, wurde im März eine „limitierte Edition“ namens „Blindverkostung“ herausgebracht und mit dem Slogan beworben: „Hast du schon mal einer hässlichen Freundin, die aber totaaal lieb ist ein Date besorgt? (…) Was blieb uns also anderes übrig, als das Licht auszuknipsen, damit du dich einzig und alleine auf seine inneren Werte konzentrieren kannst?“ Nun, Lookismus, also Benachteiligung, Stereotypisierung und/oder Diskriminierung von Menschen, die nicht ins westliche Schönheitsideal passen, ließe sich wohl kaum schöner in Worte kleiden. Ein Shitstorm folgte zu Recht, Sexisten und Rechte feiern. Daw Unternehmen reagierte wie ein trotziges Kleinkind: „Wir haben die Kommentare wahrgenommen und sie als völlig hinrissigen Pseudo Moralapostel Bullshit eingestuft und nach langem Lachen entschieden, dass auch nur der Hauch einer ernsthaften Antwort die völlige Verschwendung wertvoller Lebensenergie wäre. Daher der kurze Rat an alle Jammerlappen: wenn es euch nicht gefällt, geht. […] Aber erspart uns Euer Geseier, denn wir stehen total auf diesen Humor…” (ja, das ist eine offizielle Antwort von „True Fruits“). (vgl. Vice, indyvegan).
20. März: Equal Pay Day: Das Einmaleins der LückeJedes Jahr ist am 20. März der „Equal Pay Day“ – der immer zeigt, dass es mit dem „Equal Pay“ für beide Geschlechter noch nicht so weit her ist. Zeit, die Zahlen hinter den Gehaltsunterschieden aufzuschlüsseln, findet das Missy-Magazin: „Frauen verdienen 22 Prozent weniger als Männer, sagt das Statistische Bundesamt. Nein, sie nehmen nicht einmal die Hälfte ein, berechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hingegen bereinigt den sogenannten Gender Pay Gap, bis er nur noch zwei Prozent beträgt. Wer rechnet hier falsch? Spoiler: Alle rechnen richtig. Und alle Zahlen sind handfeste Beweise dafür, dass Frauen finanziell und strukturell benachteiligt sind.“
Auf Belltower.news zum Thema Homophobie, Geschlechtergerechtigkeit: Besorgte Eltern – Wer sie sind und was sie wollen
Auf fussball-gegen-nazis.de zum Thema Sexismus:
„Auch unsere Kurve ist nicht frei von Sexismus“ – Frauen*Mädchen*Trans* Babelsberg im Interview„Einfach nur Ultra unter Ultras sein – das wär was!“ – Ausschluss von Frauen in der FankulturRasenballisten gegen Rassisten
Rechtsextremismus
Im März beschäftigte uns auf Belltower.news zum Thema Rechtsextremismus:
Pegida, Legida und die Folgen – Dresden demonstriert für Flüchtinge, Hooligandichte bei LegidaRechtsextreme Gewalt gegen Politiker_innen, Journalist_innen und Engagierte, in Trögelitz und BautzenMedien-Fail: Berichterstattung über Pegida-Gegner auf PI-News-GrundlageRechte Siedler_innen und die Gründe ihrer LandfluchtVerschwörungstheorien (antiamerikanische, islamfeindliche etc.) nach dem Absturz eines Airbusses der Germanwings in Frankreich
Außerdem erwähnt werden sollte:
NSU: Gleich zwei Zeugen sterben „natürliche Tode“ in Baden-WürttembergIm NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg wird der Fall des Zeugen und Neonazi-Aussteigers Florian H. behandelt, der am 16. September 2013 in seinem Auto verbrannte – dem Abend vor seiner entscheidenden zweiten Aussage bei der Polizei wegen des NSU-Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heidelberg 2007. Er wollte Angaben über den Mörder der Polizistin machen – es ist bisher der rätselhafteste NSU-Mord ist, weil er nicht ins rassistische Schema passt und auch im Ablauf nur schwer mit zwei Tätern zu erklären ist. Nach seinem Tod stellt die Polizei überraschend schnell fest: Selbstmord. Nun tauchen neue Beweise auf, die die Schwester des Toten in seinem Auto fand. Offensichtlich hat sie die Polizei nicht erfasst, absichtlich oder unabsichtlich. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart gibt bekannt, die Ermittlungen wieder aufzunehmen, die die Polizei im April 2014 eingestellt hatte (Spon). Einen Tag vor ihrer Aussage im NSU-Untersuchungsausschuss stirbt dann die 20-jährige Freundin von Florian H. Sie hatte zuvor um eine nichtöffentliche Anhörung gebeten, weil sie sich bedroht fühlte. Offizielle Todesursache bisher: Lungenembolie nach einem Motorradunfall aus der vergangenen Woche (Spiegel Online, Stuttgarter Nachrichten). Thema im NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg sind auch Verbindungen von Polizei und rechter Szene zu den „European White Knights of the Ku Klux Klan“ (EWK KKK). Kiesewetters Gruppenführer am Tattag war Jahre zuvor als Mitglied der deutschen Sektion des rechtsextremistischen „European White Knights of the Ku Klux Klan“ (EWK KKK) aufgefallen (übrigens ohne schwerwiegende Folgen, es gab nur eine „Rüge“ 2005, vgl. schwaebische.de). Laut Aussagen des Verfassungsschutz-V-Mann Achim Schmid, der „EWK KKK“ gegründet hatte, interessierten sich 10 bis 20 Polizist_innen für eine Aufnahme in den Geheimbund. Die meisten Treffen zwischen Schmid und am KKK interessierten Polizisten fädelte Steffen B. ein. Dessen Bruder, ein heutiger Kriminalbeamter, untersuchte das ausgebrannte Wrack des Autos, in dem sich der Neonazi-Aussteiger Florian H. im Herbst 2013 das Leben genommen haben soll (Stuttgarter Nachrichten).
V-LeuteDas NPD-Verbot stockt – mutmaßlich sind weiterhin zu viele V-Leute in der Partei aktiv (taz). Dazu passt: Das Bundesland Thüringen gibt bekannt, alle V-Leute abzuschalten – und wird dafür von den anderen Bundesländern angegriffen statt gelobt (TA).
Menschenverachtung: Nazis quälen behinderten 10-Jähringen über Monate – BewährungsstrafenAn manchen Vorfällen zeigt sich die Menschenverachtung der rechtsextremen Ideologie besonders. Lars G. und Michael U., 40 und 28 Jahre alt, misshandelten Rechenberg-Bienenmühle (Sachsen) über längere Zeit ab 2012 den damals 10-jährigen geistig behinderten Nachbarsjungen Ralf O. – vor den Augen seines Vaters, der offenbar ebenfalls von den rechtsextremen Gewalttätern angegriffen wurde. Dies kam nun in einem Gerichtsverfahren vor dem Amtsgericht Freiberg ans Licht der Öffentlichkeit, bei dem fünf Delikte angeklagt waren. Einmal hatte der 40-jährige Lars G. dem Kind die Faust derart in den Magen geschlagen, dass es sich krümmte, berichtete die ältere Schwester des Opfers. Ein anderes Mal hätten sie ihn nachts aus seinem Bett „herausgeschüttet“, so dass er auf den Boden stürzte, woraufhin sie auf ihn eintraten. Ein anderes Mal banden sie ihm eine Wäscheleine um den Hals, veranstalteten dann „Tauziehen“, wie die Schwester es nannte, und schleiften ihn daran über den Boden. Ihr Bruder habe versucht, mit den Händen die in seinen Hals schneidende Leine zu lockern, so die Schwester. Außerdem hatten die Täter, beide arbeitslose Security-Kräfte, von dem 10-Jährigen verlangt, seine jüngere Schwester mit einem Besen zu schlagen – was dieser zunächst verweigerte, bis er es aus Angst dann doch tat. Weil die kleine Schwester daraufhin Schutz bei einer Nachbarin suchte und nicht mehr nach Hause wollte, kam der Fall überhaupt ans Licht. Als der Vater schilderte, sein Sohn sei eine Stunde lang geschlagen worden, fragte die Richterin ungläubig: „Wie hat er das überlebt?“ Das habe er sich auch gefragt, sagte Vater Norbert O. Warum er nie einschritt? „Gegen die hatte ich keine Chance“, sagte der Mann, der laut seiner älteren Tochter selbst Opfer von Prügelattacken wurde. Ob es ein Motiv gegeben habe für die Gewalt gegenüber dem behinderten Sohn? Außer jenen Sätzen, mit denen die Männer ihre rechtsextreme Haltung kundtaten, kenne er keines, so der Vater. Sein Sohn „gehöre erschlagen oder vergast“, habe Lars G. gesagt. Der Haupttäter habe auch gern CDs der rechtsextremen Band Landser gehört. Lars G. räumte schließlich den Fausthieb, das „Hundeleinenspiel“ und die Anstachelung zur Gewalt gegen die kleine Schwester ein. Wie ein Hohn erscheint dagegen das Urteil: Bewährungsstrafen von einem Jahr und von zehn Monaten. (Freie Presse, mopo24).
Auf fussball-gegen-nazis.de im März zum Thema Rechtsextremismus:
Ahnungslos in Magdeburg: Landesregierung erkennt Hass erst, wenn „NPD“ drauf stehtBoris Becker mit Schal von rechten Hooligans: „Weißt du, was du trägst?“„Wuppertal zeigt wie´s geht“: Reinfall für Lutz BachmannHoGeSa quo vadis?
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