Wichtig ist eben nicht nur auf dem Platz. Davon können Fanprojekte ein Lied singen. Der Fußball steht immer wieder auf der Agenda der „Problembereiche“. Je attraktiver er wird dank einer stetigen Verkommerzialisierung mit hohen Gewinnspannen, desto mehr fällt er auch auf, als ein Ort, in dem sich Konflikte kristallisieren und das faire Spiel versalzen. So wie mit ihm Werte von Respekt, Toleranz, Vielfalt und Fairness verbunden sind und er diesen Werten Hoffnung verleiht, so verwundbar ist der Fußball. Für viele ist das Stadion ein Ort, wo Menschenfeindlichkeit, Diskriminierungen und Gewalt scheinbar ungehemmt und ungebremst erlaubt sind. Der „Event-Fußball“ verharmlost oder unterdrückt rassistische, sexistische, homophobe und antisemitische Tendenzen und manche Arena ist attraktive Werbefläche für rechtsextreme Gruppen. Wer mag schon gerne zugeben, dass es das gibt, wo doch dadurch die schönste Nebensache der Welt an Image verliert? Und wer kümmert sich um Fans, die in Gruppen und ins Stadion drängen, um dort Anerkennung zu finden, die manchem sonst verwehrt ist? Das Fanprojekt Dresden kann von einer langen Geschichte berichten, und ohne dieses und viele andere Fanprojekte würde es doch alles noch viel schlimmer aussehen.
Das Stadion wird zum Lernort
Genial scheint vor dem Hintergrund geradezu die Idee, den geschlossenen Ort zu öffnen und den Blick auf die Potenziale der Fans zu richten. Das Stadion als einen Lernort zu erkennen und zu nutzen, ist eine kluge Idee. Das Fanprojekt Dresden hat nach englischem Vorbild im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion das Lernzentrum „Denk-Anstoß“ eingerichtet. Der Lern-Ort Fußballstadion macht ernst mit dem ständigen Appell an die Verantwortung des Fußballs. Das Stadion wird zum Projekt der Bildung und Prävention. „Raus aus der Schule – Rein ins Stadion“, lautet das Motto. Das Lernzentrum stellt Jugendlichen Bildungsangebote zur Verfügung, die die Fußballbegeisterung junger Menschen und die Identifikation mit „Dynamo“ nutzen. Wo rechtsextreme Gruppen Rassismus, Antisemitismus und Gewalt nutzen, um Jugendlich an sich zu binden, wird hier ihre perfide Propaganda entlarvt und das Stadion zum Lernort.
Hervorragend gelingt es gerade dem Fanprojekt in Dresden Ehrenamtliche einzubinden und den Vorteil zu nutzen, dass der Fußball von Vorbildern lebt. Sie zeugen authentisch davon, dass Gewalt und Diskriminierung auf und neben dem Platz eben nichts zu suchen haben. Gemeinsam mit Aktiven der Faninitiative „1953international“ gestalten die Jugendlichen beispielsweise Stadionfahnen oder Banner mit antirassistischen Sprüchen.
Der Fußball kann auch fürs Leben lernen
Seit April 2012 wird auch der Workshop „Der Ball ist bunt“ angeboten. Er setzt sich intensiv mit den Themen Diskriminierung, Menschenfeindlichkeit und Zivilcourage beschäftigt. Die Jugendlichen sollen sensibilisiert und dabei unterstützt werden, sich im eigenen Umfeld einzumischen und gegen jegliche Form der Diskriminierung einzusetzen. „Unsere bisherigen Erfahrungen zeigen, dass über das Thema Fußball und die damit verbundene Faszination sowie die besondere Verknüpfung mit dem Verein SG Dynamo Dresden auch Jugendliche erreicht werden, die von gängigen Bildungsangeboten oft nicht oder nur unzureichend profitieren“, erzählt Jens Wetzel vom Fanprojekt.
Das ist Demokratie pur! Junge Menschen werden unabhängig von ihrer sozialen Herkunft ermutigt und dabei unterstützt, sich gegen menschenverachtende Einstellungen einzusetzen. Verantwortung übernehmen, Konflikte gewaltfrei lösen. Der Fußball kann eben auch fürs Leben lernen und das Fanprojekt Dresden steht bundesweit als Vorbild dafür. Für diesen Beitrag zur Förderung einer urdemokratische Tugenden und Alltagskultur nominierte die Jury das Fanprojekt Dresden für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie 2012.
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Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).