In Debatten über Asylsuchende in Deutschland sind rassistische Ressentiments eher die Regel als die Ausnahme. Menschen, die den Vorwurf des Rassismus stets weit von sich weisen, lassen ihrer tief verwurzelte Ablehnung von Asylsuchenden freien Lauf. Die Diskussion um die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in Leipzig liefert in diesem Jahr erneut ein trauriges Beispiel.
Als der Leipziger Stadtrat beschloss, eine völlig marode Sammelunterkunft von Asylsuchenden zu schließen und die Bewohnerinnen und Bewohner in verschiedenen, über die Stadt verteilten, kleineren Wohneinheiten unterzubringen, brach sogleich wütender Protest der Anwohnerschaft los: Auf keinen Fall wolle man die „Asylanten“ in der Nachbarschaft. Im Verlauf der Diskussion wird die Anwesenheit der Asylsuchenden immer wieder mit Gewalt, Drogen und Ghettoisierung gleichgesetzt, es wird eine Gefahr für Frauen und Kinder konstruiert, die sich selbstverständlich nicht auf Fakten, sondern vielmehr auf individuelle Ressentiments stützten.
Für die Engagierten im Initiativkreis Menschen.Würdig ist die unverhohlene rassistische Hetze nicht hinnehmbar. Um der vorherrschenden gesellschaftlichen Debatte etwas entgegenzusetzen, gründete sich der Kreis im Juni 2012 und sieht sich dabei als ein kritischer Akteur der Zivilgesellschaft, der den Alltagsrassismus in Leipzig und anderswo thematisieren möchte. Ein erster Schritt war es, Kontakt zur Presse herzustellen und von den „Leipziger Zuständen“ zu berichten. Außerdem sammelten sie 5.400 Unterschriften, um für eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge zu demonstrieren.
Das Problem wird beim Namen genannt: Rassismus
Im Rahmen von Informationsveranstaltungen und mithilfe eines Faltblatts, das den rassistischen Ressentiments fundierte Argumente entgegensetzt, möchte der Initiativkreis vor allem zum Abbau von Vorurteilen beitragen. Im Mittelpunkt der Arbeit des Initiativkreises Menschen.Würdig stehen die Betroffenen, die Asylsuchenden in Leipzig. „Die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner der neuen Flüchtlingsunterkünfte müssen über das Konzept und die Debatte informiert werden, es ist wichtig, dass die Asylsuchenden als Akteure ernstgenommen werden und mit ihnen, statt über sie geredet wird“, sagt ein Sprecher des Kreises. „Vor dem Hintergrund, dass kaum jemand jemals den Kontakt zu Asylsuchenden gesucht hat, mutet es zudem grotesk an, mit welcher Selbstsicherheit über vermeintliche Eigenschaften der geflohenen Menschen gesprochen wird.“
Der Initiativkreis Menschen.Würdig vereint verschiedene Leipziger Gruppen, wie die AG Dezentralisierung jetzt!, das Projekt Chronik.LE, das linXXnet, das Forum für Kritische Rechtsextremismusforschung, den Initiativkreis NoHeim, das Netzwerk für Demokratie und Courage, die Linksjugend sowie zahlreiche Einzelpersonen. Ein Ziel der Engagierten wurde bereits erreicht, das Problem wird beim Namen genannt: Rassismus. Damit ist die Arbeit jedoch noch lange nicht am Ende. Der Initiativkreis wird die weitere Umsetzung des Dezentralisierungskonzepts kritisch begleiten und dabei vor allem auf die Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse der Asylsuchenden achten. „Wir wollen einen Schritt weiter in Richtung ‚Stadt für alle‘ kommen“, erklärt der Initiativkreis, die Menschenwürde ist dabei nicht verhandelbar.
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).